Kommt ein Cyborg in die Apotheke …

Auch wenn sich die Überschrift zu diesem Beitrag liest wie der erste Satz eines Witzes: es ist keiner. Denn auch in Ihre Apotheke kommen bereits heute Cyborgs. Ein Cyborg – die Abkürzung steht für „cybernetic organism“ – ist ein Wesen, das aus organischen und nicht-organischen Teilen besteht. In gewisser Hinsicht sind wir also schon dann ein Cyborg, wenn wir eine Brille aufsetzen, ein Hörgerät tragen – oder wenn wir Teile unseres Gehirns auf externe Datenträger, wie dem Smartphone, auslagern. Und zumindest letzteres tun wir doch heute alle schon. Oder haben Sie noch all Ihre Termine im Kopf und wissen die Telefonnummern all Ihrer Bekannten auswendig?

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Cyborgs: teils Mensch, teils Maschine

Natürlich denken wir bei Cyborgs aber eher an richtige Mischwesen, bei denen ein weit größerer Teil des Körpers anorganisch ist als nur ein Brillengestell mit geschliffenen Gläsern. So wie beispielsweise Jesse Sullivan. Nach einem Stromschlag hat er beide Arme verloren. Ihm wurden jedoch innerhalb kürzester Zeit vom Rehabilitation Institute of Chicago (das inzwischen zu „Shirley Ryan AbilityLab“ umbenannt wurde) bionische Arme angesetzt. Dabei handelt es sich um mechanische Geräte, die dem menschlichen Arm nachempfunden sind und die allein durch Gehirnaktivität gesteuert werden können. Jesse Sullivan kann dadurch wieder selbständig essen, sich rasieren, Socken anziehen und den Rasen mähen. Auch wenn diese bionischen Arme seine echten nicht ersetzen können, so kann er dadurch ein Leben mit weit weniger Einschränkungen führen, als wenn er komplett armlos wäre.

Auf YouTube gibt es dieses Video von Claudia Mitchell, einer jungen Amerikanerin, der nach einem Motorradunfall ihr linker Arm amputiert werden musste. Sie wurde ebenfalls mit einem bionischen Arm ausgetattet. Im Video sieht man eindrucksvoll, wie der Arm ohne Eingriffe von außen allein durch Gedanken gesteuert wird.medical-1729443_1920Wenn nun aber die Steuerung dieser kybernetischen Gliedmaßen allein durch neuronale Impulse erfolgt – sind wir dann nicht mitten drin in der Pharmakologie? Setzt die kompetente Beratung von Patienten wie Jesse Sullivan oder Claudia Mitchell nicht genaue Kenntnisse über die Wirkung von Stoffen auf den Körper im Allgemeinen und das Gehirn im Besonderen voraus? Und wie ist es mit psychoaktiven oder neuroleptischen Substanzen? Mit Hormonen? Die Entfaltung von Wirkstoffen im Gehirn kann auf diese Art und Weise die Funktion von Cyber-Extremitäten unmittelbar verbessern – oder als unerwünschte Nebenwirkung verschlechtern.

Die Transplantationen von Jesse Sullivan und Claudia Mitchell wurden in den Jahren 2005 und 2006 in Chicago durchgeführt. Damals gab es noch nicht mal das iPhone – es handelt sich also um, technologisch gesehen, alte Hüte. Die aktuellen Modelle, die das Shirley Ryan AbilityLab auf seiner Homepage vorstellt, werden daher auch als deutlich kleiner und leichter im Vergleich zu herkömmlichen Prothesen angepriesen. brain-1845962_1920

Digital und analog werden eins. Gesteuert werden Cyborgs vom mächtigsten Computer, den es auf der Erde gibt: dem menschlichen Gehirn. Heute beraten Sie hierzu überwiegend Patienten mit neurologischem Leiden – und morgen dann den ersten Cyborg, dem Sie mit dem richtigen Psychopharmakum zu mehr Bewegungsfreiheit und mehr Lebensqualität verhelfen.