Kapitel 4: Roboter und Automaten

Computer werden immer kleiner; bestimmte, regelmäßig wiederkehrende Abläufe können automatisiert werden und Sensoren helfen den Geräten dabei, äußere Einflüsse zu registrieren und ihre Handlungen und Abläufe darauf anzupassen. In vielen Berufen haben Roboter und Maschinen schon die menschliche Handarbeit komplett ersetzt, man denke hierbei nur an die Förderbänder in der Autoindustrie, wo Roboter die Bauteile miteinander verbinden und der menschliche Anteil an der Fertigung des einzelnen Autos in den letzten Jahrzehnten immer mehr abgenommen hat. Oftmals kooperieren hier sogar Mensch und Maschine an ein- und demselben Arbeitsplatz.

shutterstock_602455865.jpg

Produktionsstraße mit Roboterarmen auf beiden Seiten

Auch in der Apotheke gibt es Abläufe, die von Monotonie und Wiederholungen geprägt sind, so dass sie grundsätzlich automatisierbar sind. Das Warenlager ist hier natürlich das Offensichtlichste. Jeder Roboter kann schon heute problemlos Ware selbstständig aus- oder einräumen. Anders als wir Menschen jedoch können sich die Kommissionierautomaten, wie man diese Roboter nennt, jeden Ort „merken“, an dem sie ein bestimmtes Produkt ablegen – selbst wenn sie mehrere Tausend Produkte pro Tag ein- und ausräumen müssen. Die meisten Automaten arbeiten hierbei nämlich nach dem Prinzip der sog. chaotischen Lagerhaltung. Es birgt einen immensen Vorteil: es spart jede Menge Platz. Wir Menschen würden nämlich bei chaotischer Lagerhaltung schlichtweg gar nichts mehr finden. Deswegen sortieren wir – insbesondere in den Schubladen des Generalalphabets in der Apotheke – alles streng alphabetisch nach dem Namen der Arzneimittel. Somit wissen wir, dass wir die Acetylsalicylsäure irgendwo zwischen Acetylcystein und Aciclovir suchen müssen. Ob der hierfür verwendete Platz optimal ausgenutzt wird, darf dabei natürlich keine Rolle mehr spielen.

Bei der chaotischen Lagerhaltung im Kommissionierautomaten werden die Produkte hingegen optimal nach ihrer Größe einsortiert und teilweise wirklich wie genau passende Puzzlestücke zusammen gefügt. Der vorhandene Platz lässt sich so deutlich besser ausnützen. Oder anders ausgedrückt: man braucht für die gleiche Anzahl an Packungen deutlich weniger Platz im Vergleich zur alphabetischen Sortierung.

Rowa Vmax innen 03.jpg

Optimale Platzausnutzung im Kommissionierautomaten, Bild (c) BD Rowa Germany GmbH

Auch den Wareneingang, also die Sendung vom Großhandel mit oftmals weit über 100 einzelnen Arzneimittelpackungen, kann ein moderner Kommissionierautomat heute völlig selbstständig einräumen. Er findet dabei den auf jeder Packung befindlichen Barcode und kann somit jedes Arzneimittel vor dem Aufräumen erfassen und registrieren, so dass ein Abgleich mit der Rechnung jederzeit nachträglich möglich ist. Die Prozesse in der Apothekenlogistik werden hierdurch deutlich effizienter. Dennoch haben noch nicht einmal 20% der Apotheken in Deutschland einen solchen Kommissionierautomaten. Das ist insofern merkwürdig, als die unbestreitbare Sinnhaftigkeit eines solchen Automaten hierzulande wirklich eindeutig ist. Schließlich verkaufen Apotheken bei uns Fertigarzneimittel in genau normierten Packungsgrößen mit mengenmäßig festgelegtem Inhalt. In anderen Gesundheitssystemen, wie z.B. in den USA oder Kanada, wo genau auf die Therapiedauer abgezählte Einheiten dispensiert werden, braucht man sicherlich andere Lösungen.

Rowa ProLog anthrazit 01.jpg

Der Wareneingang erfolgt hier (rechts) automatisch, Bild (c) BD Rowa Germany GmbH

Bei einigen Apotheken, vor allem solchen, die einen Kommissionierautomaten einsetzen, sieht man darüber hinaus inzwischen immer häufiger keine echten Arzneimitteln mehr auf den Regalen hinter dem Handverkaufstisch, sondern große Flachbildschirme, auf denen die Sichtwahl-Regale samt den sonst üblicher Weise darin stehenden Produkten (Schmerzmittel, Halstabletten, usw.) digital nachgebildet sind. Berührt nun der Apotheker ein bestimmtes Präparat auf dieser „virtuellen Sichtwahl“, so ergeht ein entsprechender Befehl an den Automaten, der wiederum dieses Präparat auslagert.

Kindwort_Apotheke_0019.jpg

Virtuelle Sichtwahl, Bild (c) BD Rowa GmbH

Die hierfür benötigten Flachbildschirme haben noch vor 5 Jahren um die 10.000 € pro Stück gekostet. Wie zu erwarten war, ist auch dieser Preis inzwischen um den Faktor 10 bis 20 gesunken, so dass sich immer mehr Apotheken diese Investition leisten können. Interessant dabei ist, dass keine „echte Ware“ mit all ihren Nachteilen (Verfalldatum, Zerbrechlichkeit, usw.) in der Sichtwahl mehr steht, sondern jederzeit und stets die relevante Ware. Auf Fernsehkampagnen und saisonale Besonderheiten kann auf Knopfdruck reagiert werden, ohne dass Apothekenmitarbeiter per Hand die Regale erst aus- und dann mit der neuen Ware und einem Lineal zum Geradziehen der Reihen wieder einräumen müssen. Die Hintergrundfarben können sich dem Design der Apotheke, bestimmten Stimmungsbildern oder sogar der Jahres- oder selbst Tageszeit anpassen.

Virtuelle Sichtwahl Portuga

Ein internationales Phänomen: virtuelle Sichtwahl auf der portugiesischen Pharma-Messe ExpoPharma im April 2016

Einige der virtuellen Sichtwahlen reagieren sogar direkt auf den Verkaufsvorgang und zeigen dem Patienten unterschwellig zur Therapie passende Ergänzungsprodukte, um einen Kaufimpuls bei ihm auszulösen. Außerdem können viele Apotheken dadurch Einsparungen im Warenlager realisieren, da nicht mehr die gewünschte Präsentationsdichte in der Sichtwahl die ausschlaggebende Determinante ist, sondern die übliche Bevorratungszeit, die je nach Apothekenlage zwischen 14 und 28 Tagen liegt.

Durch die immer kleiner, immer schneller und immer besser gewordenen Computer hat schon heute eine bisher nicht gekannte Flexibilität in die Apotheken Einzug gehalten. Ware wird „just in time“ bestellt, auf Trends reagieren die Warenläger nahezu in Echtzeit und teilweise ist die Ware gar nicht mehr echt, sondern nur eine Bilddatei in einer virtuellen Sichtwahl … doch glauben Sie mir, das ist nur der Anfang!