Wovor uns Daten schützen sollten – ein Kommentar

In seinem Buch „Sie kennen Dich! Sie haben Dich! Sie steuern Dich!“ beschreibt Markus Morgenroth „die wahre Macht der Datensammler.“ Auf über 200 Seiten wird dabei ein düsteres aber vermutlich zumindest teilweise realistisches Bild gemalt. Wohin entwickelt sich unsere Gesellschaft, wenn es nicht gewisse Spielregeln für den Umgang mit personenbezogenen Daten und vor allem deren automatisierter Anwendung gibt?

Einige der Argumente sind dabei einleuchtend – und beängstigend: wenn z.B. aufgrund eines Fehlers in einer Datenbank der eigene SCHUFA-Eintrag negativ ist und man dadurch keinen Kredit bekommt. Oder man taucht aufgrund von Progammierfehlern auf Fahndungslisten auf. Da zeigt sich auch meines Erachtens die „dunkle Seite der Digitalisierung“ – denn mit den Algorithmen kann man schlecht diskutieren und der Beweis der Unschuld ist dann meist mit enormen Mühen verbunden. SCHUFA oder Polizei haben zunächst auch keine andere Wahl, als die zu Grunde liegenden Daten ernst zu nehmen.

Über weite Strecken des Buches war ich jedoch von den angeführten Argumenten nicht wirklich überzeugt. So wird beispielsweise auf den Seiten 74ff. als Argument gegen die Erhebung von Daten beim Autofahren angeführt, dass man dadurch ja Raser ohne große Aufwände entlarven könnte. Entschuldigung – aber Raser gefährden nicht nur die eigene Gesundheit, sondern auch die ihrer Mitmenschen. Für mich ist das kein Argument gegen, sondern für die Erhebung von Daten!

Kapitel 5.1 ist betitelt mit „Vertrauen Sie weder Ihrem Arzt noch Ihrem Apotheker.“ Spätestens an dieser Stelle hätte ich mit dem Lesen aufhören sollen. Den Leistungserbringern wird der systematische Handel mit den (nicht anonymisierten!) Gesundheitsdaten ihrer Patienten unterstellt. Die skrupellosen Ärzte und Apotheker, denen durch diese Verbrechen weder die Approbation aberkannt noch eine Gefängnisstrafe aufgebrummt wird, bereichern sich und die armen Patienten werden diskriminiert und bekommen keine Krankenversicherung mehr. Auch wenn diese Zusammenfassung von mir bewusst ein wenig überspitzt wurde – genau um diese Stereotypen geht es. Für mich grenzt das an eine Verschwörungstheorie. Natürlich führt der Autor einige Beispiele an, überwiegend aus den USA, die schrecklich sind. Aber wenn wir von diesen (in der Tat bedauerlichen) Ausnahmen Rückschlüsse auf das Allgemeine machen, so liegen wir falsch. Das wäre genau so, als hätte nach dem ersten Absturz in der Geschichte der Luftfahrt nie wieder ein Flugzeug abheben dürfen.

Nach wie vor bin ich der festen Überzeugung, dass meine Gesundheitsdaten nirgendwo besser aufgehoben sind, als bei meinem Arzt oder Apotheker. Und zwar bitte lückenlos, gerne noch angereichert durch die Daten meiner Smartwatch. Ich möchte gerne möglichst lange gesund bleiben. Alles andere ist zweitrangig. Und wenn mein Apotheker – oder mein Arzt – nicht weiß, welche Substanzen ich einnehme, wie ich lebe und zu welchen Lastern ich eventuell ein wenig zu oft neige: wie soll er mich dann vor Neben- oder Wechselwirkungen schützen?

Daten können uns schützen. Vor Rasern. Vor ungewünschten Auswirkungen von Medikamenten. Und vor uns selbst. Bücher wie „Sie kennen dich!“ werfen uns dabei zurück, weil sie nicht differenziert geschrieben und außer Denkfehlern und Vorurteilen auch wenig fördern können. Liest man es jedoch mit einer guten Portion Skepsis, kann man sowohl ein paar Falltüren im Bereich der Cyberkriminalität erkennen (und künftig umschiffen), als auch die Vorurteile antizpieren, auf die man früher oder später auch im Gespräch mit Patienten stoßen wird. Zumindest in meinem Empfinden haben nämlich die Diskussionen zum Datenschutz auch in Apotheken seit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) zugenommen.

P.S.: der Link zum Buch in der ersten Zeile dieses Beitrags ist kein „affiliate link“. Ich bekomme auch keine Provision von Amazon, wenn Sie dort bestellen. Aber Ihre nächstgelegene Buchhandlung freut sich sicher, wenn Sie dort mal wieder auftauchen!