Virenschutz – wichtiger denn je!

Der Winter naht. Selbst nach heißen Sommern wie dem letzten. Und mit dem Winter kommt in schöner Regelmäßigkeit auch die Grippewelle. Von ihr sind Apotheken alljährlich direkt betroffen. Zwar dürfen sie in Deutschland – anders als zum Beispiel in der Schweiz – nicht selbst impfen. Aber sie beraten beispielsweise Patienten über Risiken und Nebenwirkungen einer Grippeimpfung, besorgen die Impfstoffe und halten diese für die impfenden Ärzte vor. Und natürlich können Apotheken, vom Desinfektionsmittel bis hin zum Mundschutz, vieles anbieten, was weitergehenden Schutz vor Viren bietet.

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Gegen Influenza kann man sich impfen lassen – aber was hilft gegen Computerviren?

Als Viren bezeichnet man ansteckende Partikel, die außerhalb von Zellen übertragen werden, sich aber nur innerhalb von sog. Wirtszellen vermehren können. Selbst bestehen sie nicht aus einer Zelle, so dass es sich bei ihnen nicht um Lebewesen im eigentlichen Sinne handelt. Dennoch haben sie ganz allgemein die Fähigkeit zur Vermehrung – und zur Mutation. Besonders heftig war zum Beispiel eine Mutation des Influenzavirus in den Jahren 1918 bis 1920 – die „Spanische Grippe.“ Ihr fielen nach aktuellen Schätzungen über 50 Millionen Menschen zum Opfer – sie hat also deutlich mehr Menschen das Leben gekostet, als der Erste Weltkrieg.

Ähnlich funktionieren Computerviren. Sie verbreiten sich durch das Einschleusen in ein Computerprogramm und vermehren sich, indem sie von dort aus auf weitere Computer gelangen. Wenn die Verbreitung erst aufgrund einer Aktion des Anwenders erfolgt, spricht man von einem Virus; es ist „passiv.“ Sucht die Schadsoftware hingegen aktiv nach Schwachstellen, um sich zu verbreiten, handelt es sich um einen sog. „Wurm.“ Wenn ich im folgenden die Bezeichnung „Virus“ verwende, sind stets beide Varianten gemeint. Vergleicht man nun Computerviren mit den „biologischen“ Viren, so entspricht das Computerprogramm, in welches sich das Virus einschleust, dabei der infizierten Zelle; auch beim Übertragungsweg ist die Analogie deutlich. Und so wie ein Grippevirus das Programm zu seiner Vermehrung und Ausbreitung in seiner RNA enthält, so steckt dieses beim Computervirus in seinem Quellcode. Es handelt sich also tatsächlich um nahezu identische Phänomene, von denen sich das eine im Bereich der Biologie, das andere im Bereich der Technologie abspielt. Mit zunehmender Digitalisierung verschmelzen diese beiden Bereiche jedoch immer mehr.

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Schadhafter Code oder nützliche Software – wer weiß?

Kompetenz im Bereich vom Schutz gegen Computerviren wird ein zwingender Baustein für die digitale Zukunft der Gesundheitsbranche sein. Die Gründe hierfür sind jedoch deutlich vielschichtiger, als man auf den ersten Blick vermuten möchte.

Zunächst einmal ist da natürlich der Datenschutz. Wer digitale Geschäftsmodelle betreibt, ist richtiger Weise gesetzlich dazu verpflichtet, personenenbezogene Daten sparsam und nur nach vorheriger Einwilligung zu erheben, zu verarbeiten und zu speichern. Folglich müssen beispielsweise e-Business Applikationen stets datenschutzkonform sein. Vor kurzem habe ich hier den neuen Beruf des Kaufmanns im e-Commerce vorgestellt. Wenn es eines Tages diesen Beruf auch in der Apotheke geben soll, also die PKA im e-Commerce, so gehören alle Themen rund um Schutz vor Viren, Würmern und Trojanern hier auf jeden Fall zu den Pflicht- und nicht zu den Wahlfächern.

Sollte jedoch tatsächlich einmal ein Virus Zugang zu personenbezogenen Daten von Patienten bekommen, läge das größte Problem nicht im Verstoss gegen den Datenschutz. Der einzelne Patient dürfte für Cyberkriminelle wenig interessant sein. Aber stellen Sie sich vor, jemand möchte ein Land wie die USA oder Kanada angreifen, in welchem die elektronische Patientenakte flächendeckend im Einsatz ist. Dann würde der Angreifer doch keine Daten auslesen – sondern er würde sie manipulieren. Ein Algorithmus, der Diagnosen fälscht, Dosierungen ändert und Wechselwirkungen unterdrückt, ist in der Lage, einen Krieg zu gewinnen, ohne dass auch nur ein einziger Soldat (oder eine einzige Drohne) eingesetzt werden muss. Vergleiche mit der Spanischen Grippe sind dann gar nicht mehr so weit hergeholt.

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So leer wie hier wäre die Notaufnahme nach einer Cyberattacke vermutlich nicht mehr

Denken Sie an die smarten Herzschrittmacher, über die ich vor gut einem Jahr im Zusammenhang mit Wearables geschrieben habe und die Daten an Smartphones übertragen, damit sie vom Kardiologen einfach überwacht werden können. Auch hier gibt es eine Schnittstelle vom Pacemaker zum Smartphone des Patienten, das ja – wie jedes Smartphone – immer online und somit potentielles Ziel von Viren ist. Das Fraunhofer-Institut forscht an einer Hüftprothese, die sich bei Bedarf selbst nachjustiert. Auch dieses Implantat muss natürlich von außen gesteuert und überwacht werden können. Grundsätzlich muss also jedes Wearable – egal ob wir es am oder im Körper tragen – höchstmöglichen Schutz vor Angriffen durch Viren erhalten.

Die Bedrohung für Gesundheit im digitalen Zeitalter kommt immer weniger, wie bisher Bakterien und Viren, aus der Biologie – sondern zunehmend aus der Technologie; von kriminellen Hackern auf der ganzen Welt. Diese Bedrohung ist ernst und realistisch – und sie findet täglich statt. Bis jetzt schaffen es Berichte darüber, so wie der unter diesem Link zu findende Report der Nachrichtenagentur Reuters, selten in die Primetime-News. Die Sicherheitssysteme scheinen also den Angriffen statt zu halten. Ich hoffe, dass dies auch so bleibt.

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Bis jetzt sind Gesundheitsschäden durch Hackerangriffe Utopie

Denn die vielen technologischen Upgrades, von Apps über genomische Therapie bis hin zu Künstlicher Intelligenz, mildern inzwischen viele Leiden und helfen kranken Menschen dabei, beschwerdefreier zu leben, als das bisher möglich war. Es wäre bedauerlich, wenn dieser Fortschritt aufgrund von Cyberkriminalität Rückschläge erführe. Aber, wenn wir einmal einen Blick auf die Entwicklung der Arzneimittel werfen, so wird klar, dass die einzige Konstante stets die Veränderung ist und war. Noch vor 100 Jahren war die Behandlung mit Antibiotika eine Utopie – heute ist sie banaler Alltag, der unzähligen Menschen seit der Entdeckung des Penicillins das Leben gerettet hat. Gestalten wir also die Veränderung im digitalen Zeitalter mit offenen Augen und wachem Verstand hin zum Positiven weiter!

Wenn Sie Heilberufler sind, dann gehört der Kampf gegen Viren ohnehin in irgendeiner Form zu Ihrem Metier. Nur dass der Begriff Virenschutz künftig wohl immer weiter zu fassen sein wird …