Die Apotheken müssen lauter werden!

„We are rubbish at promoting how good we really are!“

„Wir sind grottenschlecht, unsere eigentlich sehr gute Leistung richtig zu bewerben!“

Mit diesen Worten eröffnete Michael Holden, bis 2014 Vorsitzender des britischen Apothekerverbandes National Pharmacy Association (kurz NPA), seinen Vortrag auf der Pharmacy Business Conference am 05.10.2018 in London. Wer hätte das in einem Land erwartet, in dem Apothekenketten mit ihren großen Werbebudgets auch Mitglieder im Verband sind? Tatsächlich stehen die Apotheken auf der Insel vor den gleichen Herausforderungen wie die deutschen. Auf der Konferenz stellten einige Apotheker ihre Erfolgskonzepte vor, am Nachmittag hielten dann einige Visionäre aus Industrie und Forschung Vorträge. Inspiration pur an einem Tag im Oktober!

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Michael Holden bei seiner Eröffnungsansprache am 05.10.2018

Zwei Themen tauchten, einem Leitmotiv gleich, in allen Vorträgen auf: Digitalisierung als Mittel zur Kommunikation und Automatisierung zur Optimierung der Prozesse. Der Kampf um die Folgeverordnung, die Refill-Prescription, ist in Großbritannien in vollem Gang. Und sowohl die digitale Kommunikation mit dem Patienten als auch die roboterunterstützte Dispensierung von Arzneimitteln können die Apotheker sehr zu ihrem Vorteil nutzen, wenn sie richtig eingesetzt werden.

Richtig heißt hierbei: man muss sich als Apotheker stets in die Haut der Kunden und Patienten versetzen. Wenn Sie etwas Neues einführen wollen und damit ihre Kunden nicht erreichen –  dann führen Sie es nicht ein. Auch ich bin der Meinung: eine Digitalisierung nur um der Digitalisierung Willen ist nicht zielführend. Aber sobald  Ihr Kunde bzw. der Patient durch eine Innovation von Ihnen entweder besser informiert ist (Kommunikation) oder besser bedient werden kann (Automatisierung), dann haben Sie gewonnen. Vor allem haben Sie dann nämlich Zeit gewonnen. Zeit, die Sie früher für Kommunikationsmaßnahmen „per Hand“ oder für Aufgaben verwendet haben, die grundsätzlich automatisierbar waren. Zeit, die Sie für ein persönliches Gespräch mit dem Menschen nutzen sollten, der gerade im HV vor Ihnen steht. Denn letztlich ist das doch das allergrößte Pfund der Apotheke vor Ort: dass man dort im Moment der Arzneimittelabgabe auch mit Arzneimittelprofis sprechen kann – über harte Fakten genauso wie über Ängste und Bedenken. Und wie wird mit diesem Pfund in Deutschland umgegangen? Irgendwo habe ich kürzlich aufgeschnappt, dass ein Patient in der Apotheke im Durchschnitt 1,5 Minuten am HV steht … das ist nicht viel!

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Verwaister HV-Tisch in Eiche rustikal: so sollte es nicht sein!

Auf Facebook wiederum sind (Stand September 2018) alleine in Deutschland 32 Millionen Nutzer aktiv. 90% davon auf ihrem mobilen Endgerät. Und die deutliche Mehrheit der 32 Millionen User (nämlich circa 80% von ihnen) ist täglich auf Facebook. Wenn die Kunden also online sind, dann müssen wir auch dort hin. Denn sonst geht früher oder später jemand anderes dort hin (und holt sie ab). Denken Sie also stets an mobile Geräte und denken Sie stets an soziale Netzwerke.

Wie einfach es geht, zielgruppengenaue Werbung zu schalten, zum Beispiel auf Facebook, dem wohl bekanntesten sozialen Netzwerk, wird unter diesem Link anschaulich und verständlich erklärt. Weil die Menschen immer mehr Daten von sich immer offener preisgeben, kennen die sozialen Netzwerke diese Menschen immer besser. Sie wissen, ihre Vorlieben und Neigungen einzusortieren. Entsprechend der Positionierung Ihrer Apotheke bekommen dann auch nur die Menschen im Einzugsgebiet der Apotheke genau diejenige Nachricht angezeigt, von der Facebook weiß, dass sie auf Interesse beim Facebook-Nutzer trifft. Ein schönes Beispiel dafür, wie gut das klappen kann, ist meine Frau. Sie ist Hochzeitsfotografin in der Pfalz und hat dieses Jahr erstmalig Werbung über Facebook geschalten. Daraus resultierten am Ende mehrere Hochzeiten. Für einen überschaubaren Betrag wurde eine regional und von der Lebensphase her äußerst eng umrissene Zielgruppe angesprochen – mit einer erstaunlichen Konvertierungsrate. Noch nie war Marketing und Werbung einfacher!

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Werbung in sozialen Medien generiert Neukunden und bindet Bestandskunden

Im letzten Absatz habe ich von der Positionierung der Apotheke geschrieben. Deren Wichtigkeit darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Wenn es nämlich nur um die Produkte geht, sind Apotheken austauschbar. Ein verschreibungspflichtiger Artikel unterscheidet sich weder in Preis noch in Aussehen oder Wirkung – egal, in welcher Apotheke in Deutschland er gekauft wird. Also muss das Einkaufserlebnis den Unterschied machen. Wo fühlt sich der Kunde wohler? Auch hierzu sollten Sie sich wieder konsequent in die Haut des Kunden versetzen: wo würden Sie sich als Kunde wohler fühlen? Denken Sie dabei einfach an die Supermärkte bei Ihnen zu Hause. Wo gehen Sie lieber hin? In den Discounter, in dem die Ware lieblos aus den Kartonagen der Hersteller entnommen wird, oder in den Premium-Supermarkt à la KaDeWe, in dem die Ware in hochwertigen Regalen ästhetisch präsentiert und teilweise auch zur Verköstigung angeboten wird? Auch hier sind die Produkte letztlich dieselben – aber im Preis keineswegs vergleichbar. Beide Konzepte funktionieren, unterliegen lediglich anderen Regeln. Von daher müssen auch Sie für Ihre Apotheke eine eigene Vision entwickeln: wie sieht Ihre Apotheke der Zukunft aus? Und wo beginnt das Einkaufserlebnis für Ihre Kunden? Beim Betreten der Offizin? Mit dem Aufschlagen der Regionalzeitung? Oder doch schon morgens mit dem ersten Login auf Facebook?

Mit jedem Kommunikationskanal, den Sie öffnen, werden Sie mehr und mehr mit Ihren Kunden und Patienten, aber auch mit Ärzten, Pflegediensten und weiteren Leistungserbringern in Ihrer Region in Kontakt treten. Investieren Sie daher auf jeden Fall auch in die Kommunikations-Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter. Eine schüchterne Mitarbeiterin, die es am HV nie zu einem Zusatzverkauf bringen wird, ist vielleicht  tatsächlich für die Kommunikation in sozialen Medien oder E-Mails besser geeignet. Fördern Sie Ihre eigene Digitalkompetenz und die Ihrer Mitarbeiter, damit seriöse Angebote und unseriöse auseinander gehalten werden können. Und dann fangen Sie bitte schnell an, der Welt da draußen mitzuteilen, wie toll Sie eigentlich sind. Dafür gibt es nicht den einen Kanal – es gibt davon ganz viele. Analog und digital, verbal und schriftlich, in Filmen, Postings, Mails und Anzeigen. Und ich bin überzeugt: aus dieser Polyphonie heraus werden es die Apotheken bestens schaffen, lauter zu werden – und ihre unverzichtbare Leistung auch nachhaltig als unverzichtbar darzustellen.

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