Ich bin ein Kind der 70er Jahre. Als ich aufwuchs, war es für uns äußerst wichtig, dass die Apotheke in der Nähe vom Allgemeinarzt lag. Meine Eltern, vor allem meine Mutter, empfanden es als bequem, wenn man aus der Praxis rausging und es dann nicht weit hatte, um die Verordnung einzulösen. Tatsächlich erinnere ich mich, dass wir – je nachdem, bei welchem Arzt wir waren – mal in die eine, mal in die andere Apotheke bei uns im Ort gingen.

In den 80ern hatten meine Eltern irgendwann auch dieses Auto. Ich fand’s damals bequem …
Als ich dann selbst Auto fahren konnte, änderte sich mein Verständnis von Komfort. Und nicht nur bei mir: sowohl in meiner Familie als auch in meinem Bekanntenkreis war plötzlich nicht mehr die Nähe zur Arztpraxis entscheidend. Viel wichtiger war, dass das Einlösen des Rezeptes in den Tagesablauf, in die eigene Routine hinein passte. Egal, ob als Student oder als junger Berufstätiger: die Zeit für den Arztbesuch konnte man sich zwar noch irgendwo frei schaffen – danach hatte aber der normale Tagesablauf weiter zu gehen. Gut für die Apotheke, die in der Nähe von einem Supermarkt war. Schlecht für die anderen. Denn in den Supermarkt muss man selbst bei optimaler Organisation des Haushalts meist mehr als einmal pro Woche. Als bequem empfanden wir es damals, wenn wir unsere Besorgungen miteinander verknüpfen konnten. Also ging man auf dem Weg zum Supermarkt noch schnell in die Apotheke hinein.
So vollzog sich Mitte bis Ende der Neunziger ein Wandel in der Vorstellung von Komfort für die Apothekenkunden. Die Nähe zum Arzt oder gar die Lage im Ärztehaus war zwar immer noch von Vorteil – aber noch besser ging es der Apotheke im Einkaufszentrum.

Ab den 90-ern schwer im Kommen: Einkaufszentren für das ultimative Shoppen
Aber genug von meiner Generation und der meiner Eltern. Werfen wir doch mal einen Blick auf die heutigen Berufseinsteiger, die sich im Alter von Ende 20 bis Mitte 30 befinden. Was empfindet diese Generation als komfortabel? Vielleicht sind sie Angehörige von pflegebedürftigen Eltern, haben kleine Kinder und somit hohen Beratungsbedarf oder sind gar selbst chronisch krank. Auf jeden Fall also sollten sie zur Hauptzielgruppe von Apotheken gehören. Wen sonst, wenn nicht diese Altersgruppe, möchte man langfristig als Kunden an sein Unternehmen binden?
Die Antwort auf die Frage nach dem Komfort für diese Generation ist ganz einfach: bequem ist, was zu ihrem Lebensstil passt. Und der ist vor allem davon geprägt, dass die Menschen nicht mehr zum Produkt, sondern das Produkt zum Menschen kommt. In großen deutschen Büros ist es längst normal, dass mit der Post auch ein Stapel Pakete von Amazon kommt. Die lassen sich die Mitarbeiter inzwischen nicht mehr nach Hause schicken, sondern in die Arbeit. Dort halten sie sich zu den Zeiten nämlich auf, zu denen die Paketdienste ausliefern. Aber auch bei uns zu Hause werden jeden Tag bei irgendwelchen Nachbarn Pakete für irgendwelche anderen Nachbarn abgegeben. Irgendwo ist immer jemand zu Hause und kann die Ware dann – manchmal sogar für die komplette Nachbarschaft – entgegennehmen. Und nach Feierabend trifft man sich dann, holt die Pakete ab und tauscht den neuesten Tratsch aus dem Ort aus. Paketlieferdienste also sozialer Kitt in der örtlichen Gemeinschaft, sozusagen …
Natürlich sind Einkaufszentren und Ärztehäuser dadurch nicht tot. Aber die Frequenz geht, vor allem in den Shopping Malls, immer mehr zurück. Lieferung nach Hause ist heute für Unternehmen, die vom Verkauf von Produkten leben, keine Option mehr. Es ist überlebensnotwendig. Dieses Phänomen wird auch, genau wie das Internet, nicht mehr verschwinden.
Es geht dabei auch nicht darum, ob ein Patient faul ist. Es geht darum, was für eine bestimmte Gruppe von Mitmenschen normal ist. Meine Großeltern hätten sich nicht vorstellen können, dass eines Tages jeder Mensch einen Computer in der Hosentasche hat, mit dem man auch noch telefonieren kann. Meine Kinder hingegen konnten schon mit 2 Jahren ein iPhone bedienen. Nichts ist so beständig wie der Wandel. Und damit muss sich die Apotheke vor Ort abfinden und auseinander setzen.

War auch mal neu: das Fax
Die Lieferung nach Hause ist dabei, als Botendienst, übrigens schon immer Bestandteils des Dienstleistungsangebots von Apotheken. Nur leider is der Botendienst kostspielig und ineffizient; letzteres vor allem deshalb, weil das bzw. die Botenauto(s) einen Großteil ihrer Zeit unbenutzt herum stehen und in dieser Ruhezeit nicht wertschöpfend genutzt werden.
Eine effizientere Variante ist sicherlich der Versand, da er auf Kostenstrukturen der Paketlieferdienste aufsetzt, die eh schon da sind. In den Jahren 2017 und 2018 ist der Versandhandel mit Arzneimitteln erstmalig stärker gewachsen als der Apothekenmarkt in Deutschland insgesamt. Dies ist meines Erachtens eine Folge des gesellschaftlichen Wandels wie ich ihn anhand der drei Generationen weiter oben beschrieben habe. Wie jede Tatsache kann man ihn als Chance oder als Risiko sehen. Mir ist bewusst, dass vielen Apothekern der Versandhandel mit Arzneimitteln ein Dorn im Auge ist. Dabei gibt es viele Beispiele, wie der Versand als Chance für den Berufsstand als Ganzes genutzt werden kann.

Versandhandel: ein Reizthema in deutschen Apotheken. Verstehen das die Patienten überhaupt?
Um nur ein Beispiel in aller Kürze zu vertiefen: die zu Amazon gehörende US-amerikanische Versandapotheke PillPack versendet individuelle Blistertüten mit den Medikamenten für eine Woche, stellt dazu eine App mit Einnahmeerinnerungen und Medikationshinweisen zur Verfügung und kümmert sich auch noch um die Rezeptnachbestellung. Sie hat dadurch ein komplettes Ökosystem der Arzneimittelversorgung geschaffen, das den Patienten enorm viel Komfort und Sicherheit bietet – 24/7 Support via Telefon, Mail, SMS oder Chat inklusive. Welche Entlastung hierin für den Patienten und seine pflegenden Angehörigen steckt, lässt sich leicht nachvollziehen. Und auch, welche Kundenbindung das bewirkt.
Wir haben in unserer Branche bereits Großhandlungen, Banken und andere Kooperationen, die auf dem genossenschaftlichen Gedanken beruhen. Vielleicht würde es sich lohnen, auch im Bereich des Versandhandels über derartige Geschäftsmodelle intensiver nachzudenken. Eine solche Zusammenarbeit könnte sich für die Apotheken lohnen: die junge Generation setzt ihre Definition von Komfort als gegeben voraus und wird sich als Kunde an den Dienstleister binden, der diesen Komfort bietet.
[…] Beratung wird sich verlagern hin zum „Point-of-Care,“ an welchem der Patient auch die Lieferung seiner Arzneimittel entgegen nehmen wird. Dieser Ort der Behandlung wird immer dort sein, wo sich der Kunde oder […]
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[…] ganz statisch, immer denselben Artikel bewerben, so wie im Aufsteller-Display eben. Oder man kann individuell auf den Kunden zugeschnittene Angebote anzeigen lassen, zum Beispiel aufgrund der Artikel aus seinem aktuellen Kaufvorgang oder seiner […]
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[…] mit dem höchsten Kundennutzen behaupten […]
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[…] noch interessanter sein dürfte: wer sind denn Ihre „braunen M&M’s„? Welche Kunden kommen nur zur Beratung in Ihre Apotheke und kaufen oder bestellen dann woanders? Welche Kunden […]
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[…] die immer weiter verbreiteten Geräte und Sensoren einerseits, sowie andererseits die veränderte Erwartungshaltung der Kunden. Wearables, Kameras und Messgeräte, die vielerorts am Menschen oder in der Umwelt angebracht sind, […]
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[…] schlagartig einsetzende Disruption. Vielmehr handelt es sich um eine Weiterentwicklung dessen, was Kunden als komfortabel empfinden. Angekündigt hat sich diese Evolution übrigens schon seit langer Zeit. Vielleicht haben Sie auch […]
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[…] zur zwischenzeitlich wertvollsten Firma der Welt, weil die Kunden ihre Kaufentscheidung nicht vom Komfort beim Verfassen von E-Mails abhängig gemacht […]
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[…] Apotheke – sondern den Kunden. Und nach den mir bekannten Ergebnissen mehrerer Marktforschungen tun Kunden das nicht unbedingt widerwillig, wenn ihnen dadurch der nächtliche Weg in die Apotheke erspart wird. Und Kunden, die sich im […]
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[…] die bevorzugte Zahlungsweise. Aber neben dem hygienischen Faktor wird auch hier nach der Krise der Komfort ausschlaggebend dafür sein, dass Bargeld immer weniger an Bedeutung haben […]
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[…] Er wird mit uns einen Blick auf die in seinen Apotheken laufende Click & Collect Lösung zur Vorbestellung von Arzneimitteln werfen – und bewerten, ob und wie sich deren Nutzung in Zeiten von Corona verändert hat. […]
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[…] liegt auch die eine, dauerhafte und große Konstante in all den Veränderungen, welche die Digitalisierung mit sich bringt. Der Senior-Chef wollte sich die neue Warenwirtschaft […]
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[…] der Gesundheit bewegt. Sie kann – und wird – uns dabei unterstützen, den sich immer schneller ändernden Gesundheitsbedürfnissen gerechter zu werden. Wenn sie uns Menschen dabei unterstützt, die richtigen Entscheidungen für […]
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