Daten: die verborgenen Schätze der Apotheken

Einer der größten Schätze für die digitale Zukunft lagert in Ihren Apotheken. Der Plural des Wortes Apotheke ist Absicht. In Ihrer Apotheke alleine lagern nämlich nur wenige Mosaiksteinchen. Verwendet man aber die Steinchen aus allen Apotheken, entsteht ein großes Bild, das uns ebenso sinnvolle wie hilfreiche Rückschlüsse auf die Patienten ermöglicht und uns dadurch zu einer neuen, optimalen Beratung befähigt. Warum es Sinn macht, die Daten aus allen Apotheken zusammenzuführen und welche Beratung dadurch erst möglich wird, darüber wird es im Folgenden gehen. Natürlich muss die Anonymität der Patienten gegenüber Dritten jederzeit gewährleistet und der Datenschutz berücksichtigt werden – aber nachdem das grundlegende Voraussetzungen für meine weiteren Ausführungen sind, gehe ich auf kryptologische und datenschutzrechtliche Details nicht weiter ein. Sie als ApothekerIn oder als PTA hingegen sind ohnehin gesetzlich zur sog. „Berufsverschwiegenheit“ verpflichtet; es spricht also nichts dagegen, Ihnen künftig noch mehr Informationen an die Hand zu geben als bisher.pattern-1344501_1280Warum benötigen wir eigentlich die Daten aus allen Apotheken? Nun, Hand aufs Herz, auch wenn es weh tut: Kunden sind opportunistisch. Liegt eine Apotheke näher beim Facharzt als die Ihre, werden sie die dort erhaltenen Rezepte wahrscheinlich auch in dieser Apotheke einlösen – selbst wenn sie Ihre Apotheke guten Gewissens als Stammapotheke bezeichnen würden. Das Sortiment der Apotheke beim Facharzt ist vermutlich auf die von ihm verordneten Produkte optimiert, die Öffnungszeiten an die der Praxis angepasst, so dass der eben beschriebene Opportunismus der Kunden sehr rationale Gründe hat, selbst wenn der Kunde diese nicht als solche erkennt. Hat sich halt bewährt so. Und natürlich gibt es Ausnahmen: wenn Ihre Apotheke Standortversorger fernab von Ballungsräumen ist, dann sind Sie vielleicht für die Großzahl Ihrer Kunden tatsächlich der Rundumversorger. Verzichten Ihre Kunden dann auch noch dankenswerter Weise auf Urlaub, Dienstreisen und Krankenhauseinweisungen … Sie verstehen, worauf ich hinaus will.

Denn natürlich lassen sich aus den Arzneimitteln, die ein bestimmter Kunde bezieht, Rückschlüsse ziehen. Gibt es Wechselwirkungen, die seine Symptome verschlimmern oder könnte man ihm zusätzlich etwas verabreichen, um die Heilung zu beschleunigen? Kann der Kunden mit der Indikation, auf die seine Arzneimittel hinweisen, in die Integrierte Versorgung aufgenommen werden? Lässt sich ein Pflegegrad beantragen? Deckt sich die Reichweite der Medikamente, die der Patient bezieht, mit dem Therapiezeitraum oder ist ein eigenmächtiger Therapieabbruch (mit all seinen negativen Konsequenzen) wahrscheinlich? Die Spannbreite der Informationen, die sich alleine aus den Daten der abgegebenen Arzneimittel ableiten lässt ist extrem weit. Von der Prävention bis hin zur kompetenten Beratung ist alles dabei. Und Beratung, da dürften sich alle einig sein, ist DAS Standbein der Apotheke der Zukunft. Nur: die Qualität dieser Beratung hängt, genau wie eine ärztliche Anamnese, von der Qualität der verfügbaren Informationen bzw. Daten ab.

feedback-1977987_1280

Je besser die zur Verfügung stehenden Informationen, um so besser die Beratung

Daten, die nur die Sicht auf Ihre Apotheke gestatten, sind in dem Moment nahezu wertlos, in dem der Kunde auch nur einmal ein Arzneimittel woanders bezieht. Also gilt es zu überlegen, wie man diese Patienten-/ Arzneimitteldaten bundesweit, patientenindividuell, apothekenübergreifend und rechtssicher erhebt. Entstehen könnte daraus ein gemeinsamer Datenpool der Apothekerschaft. Er könnte dann zum Beispiel gewährleisten, dass Sie einen Ihnen unbekannten Kunden warnen können, wenn er bei Ihnen Aspirin kaufen möchte obwohl er in seiner Stammapotheke regelmäßig Marcumar bezieht. Sehr plakativ – aber nachvollziehbar, oder?

In der Realität wird es vermutlich noch ein wenig komplexer. Nehmen wir nur einmal an, dass der Patient aus dem letzten Absatz zusätzlich zur Herzinsuffizienz mit Vorhofflimmern (wofür ihm das Marcumar verordnet wurde) noch unter erektiler Dysfunktion leidet. Aber sowohl bei Ihren freundlichen MitarbeiterInnen als auch bei denen seiner Stammapotheke würde er sich sehr genieren, wenn diese das wüssten. Seine Privatrezepte für Viagra schickt er daher an eine Versandapotheke im europäischen Ausland. Wie warnen wir ihn jetzt vor diesen neuen Wechselwirkungen? Oder macht das der Versender? Woher wissen alle Apotheken, die eine Geschäftsbeziehung zu diesem Kunden haben, von seiner Dauer- und Akutmedikation und deren kontraindizierten Wechselwirkungen?

roll-the-dice-1502706_1920

Sollte niemals dem Zufall überlassen werden: die Gesundheit der Patienten

Der Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist in Deutschland derzeit nicht verboten und ich habe nicht den Anschein, dass dieses Thema weit oben auf der gesundheitspolitischen Agenda steht. Somit müssen zwangsweise auch Abverkaufsdaten von Versandapotheken erfasst und in den Datenpool eingespielt werden, wenn diese Vision des gemeinsamen Datenpools der Apothekerschaft eines Tages Realität werden soll. Gleichzeitig müssen alle Apotheken, welche die Bevölkerung mit Arzneimitteln versorgen, ihrerseits wiederum Zugriff auf die Informationen aus dem Pool bekommen. Das Nichtverwenden dieser Informationen jedenfalls wäre grob fahrlässig – oder?

Sämtliche Daten, die für den gemeinsamen Datenpool relevant sind, gibt es schon längst –  auch in digitaler Form. Sie befinden sich auf den Privat- und Kassenrezepten und in den Warenwirtschaftssystemen der Apotheken. Den gemeinsamen Pool gibt es nicht, noch nicht – obwohl eine solche Datenbank sicherlich keine Raketentechnik ist. Ab dem Tag, an dem es diesen Pool gibt, werden diejenigen Apotheken überproportional davon profitieren, denen die Beratung ihrer Kunden wirklich ein Anliegen ist. Denn ab dann haben sie eine valide, umfassende und sichere Basis für ihre Empfehlungen und therapiebegleitenden Maßnahmen. Kunden, die das persöniche Gespräch bevorzugen, können dann noch besser betreut und zu begeisterten Empfehlern gemacht werden. Und auch die Mitarbeiter der Apotheke, die gerne pharmazeutisch beraten, werden besser denn je befähigt, dies zu tun. Der Medikationsplan ist ein guter Anfang – der gemeinsame Datenpool eine mögliche endgültige Ausbaustufe mit höchstmöglichem Patientennutzen. Natürlich: Kunden, die aus Gründen der Scham oder Introvertiertheit lieber in der vermeintlichen Anonymität des Internets bestellen – nun, die kommen ja heute schon nicht in Ihre Apotheke. mark-43913_1280

Aber alle, die es schaffen, ihre Trümpfe gekonnt auszuspielen und ihre Schätze zu heben, geben ihren Kunden genügend gute Gründe, sich immer wieder für ihre Apotheke zu entscheiden. Und auch für zukünftige mögliche Kooperationspartner werden solche Apotheken unwiderstehlich sein …