Die Corona-App: wer hat’s erfunden?

OK, erfunden wurde die Corona-App natürlich nicht dort. Denn letztlich ist die Basis eine gemeinsam von Apple und Google entwickelte Schnittstelle namens „Exposure Notification API.“ Ohne sie wäre es nicht möglich gewesen, dass seit gestern, dem 25.05.2020, das erste Land weltweit eine Pilotphase gestartet hat. In dieser bis Ende Juni geplanten Pilotphase soll die App zur Kontaktverfolgung getestet werden. Weil sie in den aktuellen Versionen der marktführenden Smartphone-Betriebssysteme Android und iOS bereits integriert ist, kann sie auch von der überwiegenden Zahl der Smartphone-Nutzer verwendet werden. Der Name der App ist SwissCovid – und somit sind es unsere Nachbarn in der Schweiz, welche die neue Apple-/ Google-Schnittstelle als erstes Land der Welt verwenden werden.

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Erster bei der Umsetzung der neuen Schnittstelle: die Schweiz

Größte Herausforderung für Gesundheitsbehörden weltweit ist derzeit die Ermittlung von Kontaktpersonen derjenigen Menschen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden oder gar an Covid-19 erkrankt sind. Nur so lässt sich die Infektionskette wirksam unterbrechen und der Wiederanstieg der Covid-19-Ansteckungsrate verhindern. Momentan bedeutet das viel „Handarbeit“ für die Gesundheitsämter: Infizierte werden über ihre Kontakte der letzten 14 Tage befragt und die Zuverlässigkeit ihrer Angaben beruht alleine auf ihrem Erinnerungsvermögen.

 

Recht schnell zu Beginn der Pandemie kam man darauf, die Smartphones für die Kontaktverfolgung zu nutzen. Fast jeder hat eins, nur über die einzusetzende Technologie gab es unterschiedliche Auffassungen. Der erste Ansatz war auch direkt der einfachste: man verwendet einfach den integrierten GPS-Empfänger des Smartphones und kann so den Standort aller (!) bis auf wenige Meter genau bestimmen. Diese bewährte Technologie wird schon heute von einer Vielzahl von Smartphone-Apps verwendet. Sie ist die Grundlage für viele Anwendungen, auf die niemand mehr verzichten möchte. Egal, ob es sich um Wegbeschreibungen, lokale Einträge oder das Spiel Pokémon GO handelt, GPS ist hierfür die schnelle, kostengünstige und einfache Basis. Aber damit ein solches System funktioniert, müssen Daten zentral gesammelt werden. Bewegungsprofile und ähnliches können hierdurch erstellt werden und massive Eingriffe in die Privatsphäre zur Folge haben. Außer in China, wo alle Bürger verpflichtet wurden, die auf GPS basierte Corona-App herunterzuladen, wird diese Technologie lediglich noch in Südkorea eingesetzt. Dort jedoch nur in Einzelfällen, um Verstöße gegen Quarantäne-Auflagen nachverfolgen zu können.

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GPS – nicht ganz unumstritten für den Einsatz bei Contact Tracing

Andere Länder wie zum Beispiel Hongkong oder Russland verwenden ein System, bei dem Menschen an öffentlichen Orten QR-Codes scannen müssen. Die daraus resultierenden Daten werden dann an zentrale Server gesendet. Auch hierdurch können Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Punkt verortet werden. Diese können dann zurückverfolgt werden, wenn später festgestellt wird, dass sich jemand infiziert hat. Technologisch ist das machbar, da allerdings unzählige Menschen scannen müssten, gibt es immer einen Zeitverzug. Außerdem werden dabei große Mengen von Standortdaten, die jeweils einer bestimmten Person zugeordnet werden können, in einer zentralen Datenbank gespeichert. Wie werden diese Daten verwendet, wie lange werden sie dort gespeichert? Und: nur, weil ich mich zur selben Zeit im selben Gebäude wie ein Infizierter aufgehalten habe, können uns immer noch unzählige Stockwerke voneinenander getrennt haben. Diese Unschärfe gepaart mit den Datenschutzthemen machen letztlich auch diese Technologie zumindest fragwürdig.

 

Hier kommen Apple und Google ins Spiel. Nicht nur haben diese beiden Unternehmen, ansonsten erbitterte Konkurrenten, ihre Schnittstelle komplett veröffentlicht. Statt einer Speicherung der Daten an zentraler Stelle (außerhalb von Corona übrigens das Kerngeschäft beider Unternehmen) haben sie nun ihren Fokus darauf gelegt, wie man die Verantwortung für die Erhebung und Nutzung der Daten auf den Benutzer übertragen kann. Hierfür verwendet das System die Bluetooth-Funktion der Smartphones. Dabei werden kurzwellige UHF-Funkwellen (oder Dezimeterwellen) verwendet, um Daten über kurze Distanzen zu übertragen. Jedes Smartphone sendet ständig eine Bluetooth-Kennung, mit der es von anderen Smartphones in der Nähe gesehen und eine Verbindung hergestellt werden kann.Bluetooth Covid-19 Pandemie Corona Coronavirus Apotheke Digitalisierung

Im neuen System von Apple und Google wird diese Funktion verwendet, um lokal auf dem Telefon des Nutzers alle anderen Bluetooth-Geräte aufzuzeichnen, denen es nahe gekommen ist. Diese Methode ist äußerst effektiv, um zu erkennen, dass sich das Gerät auch wirklich physisch in der Nähe eines anderen Geräts befindet. Und meist ist der Nutzer ebenfalls nicht weit von seinem Gerät entfernt. Wenn nun bei jemandem Covid-19 diagnostiziert wird, kann er das in sein Handy eingeben. Dieses gibt daraufhin eine Liste mit der Kennung aller anderen Geräte frei, denen es sich in den letzten 14 Tagen genähert hat. Hierauf können wiederum andere Geräte zugreifen. Auf jedem Telefon, das sich auf der Liste mit den Kennungen befindet, wird eine Information angezeigt, dass man sich in der Nähe einer Person mit Covid-19 befunden hat und sich möglicherweise unter Quarantäne stellen solle.

Dieser Ansatz hat mehrere Vorteile: genaue Standortdaten sind nicht erforderlich, lediglich der relative Standort. Es spielt keine Rolle, wo genau man sich befunden hat, als man in der Nähe der anderen (infizierten) Person war. Es gibt keine zentralisierte Datenbank, da alle relevanten Daten auf den Smartphones der einzelnen Benutzer gespeichert sind. Auch die Information über die Infektion einer Kontaktperson wird nicht veröffentlicht, sondern in die Hände eines Einzelnen gegeben. Über eine tägliche Änderung der Bluetooth-Kennung soll die Verfolgung einzelner Personen bzw. Telefone erschwert werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch diese einmalige Zusammenarbeit die Mehrheit der auf dem Markt befindlichen Smartphones abgedeckt wird. Außerdem kann die App im Hintergrund arbeiten und muss nicht ständig geöffnet sein, wodurch auch die Batterie der Smartphones geschont wird.

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Die Verhältnismäßigkeit bei der Bluetooth-Variante von Apple und Google scheint gegeben zu sein.

Zumindest auf dem Papier liest sich das nach der bisher praktikabelsten Lösung. Ob sie wirklich dazu beiträgt, die Ausbreitung des Virus zu begrenzen bis ein Impfstoff verfügbar ist, müssen Pilottests wie der nun in der Schweiz angelaufene zeigen. Wenn dadurch aber gleichzeitig den Menschen ermöglicht wird, sich wieder freier zu bewegen und dadurch die Wirtschaft anzukurbeln, dann überwiegen zumindest in meinen Augen die Vorteile. Vor allem handelt es sich letztlich um einen verhältnismäßig geringen Eingriff in die zuletzt so deutlich eingeschränkten Freiheitsrechte, was auch zur Entspannung an der Verschwörungs-Theorien-Front sorgen sollte.

 

In der Schweiz soll die SwissCovid App das klassische Contact Tracing der kantonalen Behörden ergänzen. Als zusätzliches Instrument verspricht sie dort einen grossen Nutzen: potenziell Infizierte können frühzeitig gewarnt und die Weiterverbreitung des Virus kann eingedämmt werden. Auch in der Schweiz ist die App so gestaltet, dass sie technisch nicht in der Lage ist, Bewegungsdaten aufzuzeichnen. Vielmehr zeichnet sie die Nähe über eine bestimmte Zeit zu anderen Smartphones mit der App auf. Mittels dieser Daten können keine Personen persönlich rückverfolgt werden. Sobald die Corona-Krise überstanden ist, wird in der Schweiz das System wieder abgestellt.

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Befristet bis zum Ende der Krise: die Schweize Corona-App

Und auch wenn es momentan so scheint, als bekämen die europäischen Länder die Lage allmählich in den Griff, so weiß doch keiner so recht vorherzusagen, ob es eine zweite Welle geben wird. Gut also, wenn man sich – wie die Schweiz –  mit Hilfe von digitalen Tools darauf vorbereitet, damit man von der zweiten Welle nicht mehr so hart getroffen wird wie von der ersten.