Stressmanagement – ein Interview mit Tatiana Dikta

Apotheke Digitalisierung Buch Stressmanagement

Liebe Tatiana, kürzlich kam Dein Buch „Stressmanagement in der Apotheke“ im Govi-Verlag raus. Was hat Dich dazu motiviert, dieses Thema in Buchform aufzugreifen?

Ein Buch zu schreiben, das eine Verbindung zwischen der Apothekenwelt und der Arbeitspsychologie herstellt, war mein Ziel als Autorin. Stress zu beschreiben, so praktisch wie möglich, so wissenschaftlich-theoretisch wie nötig, so leidenschaftlich, optimistisch, vertrauensvoll und emotional, wie ich es bin, hat mich dazu motiviert das Thema dem AVOXA* – Verlag vorzuschlagen. Pharmazeutische Zeitschriften sind hervorragend, um aktuelle Themen zu platzieren, Fachartikel, die in ein Thema einleiten, können demgegenüber den Rahmen des Mediums im wahrsten Sinne schnell sprengen. Das Buch ist deshalb eine Fortführung und Erweiterung der Beiträge, die ich im „AWA – Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker“ und in anderen pharmazeutischen Zeitschriften veröffentlichen durfte. Mit meinem Buch möchte ich alle Menschen dazu motivieren die eigenen Stressoren aufzudecken und aktiv etwas dagegen zu unternehmen.

Du gibst Tipps für den Apothekenalltag und beschreibst praktische Beispiele – hat Dein Buch das Ziel verfehlt, wenn sich ein Leser nach dem Lesen Deines Buchs, doch dazu entscheidet die Apotheke zu verlassen oder zumindest den Arbeitgeber zu wechseln?

Nein, ganz sicher nicht. Ich rege zur Reflexion an. Der Job ist ein Teil unserer Identität, es darf uns nicht psychisch herunterziehen, uns zum Schweigen zwingen oder uns in einen Käfig einsperren. Wir haben nur ein Leben und dürfen auch im Beruf so glücklich sein, wie es uns nur möglich ist. Wir sollen mitgestalten dürfen, Wertschätzung erfahren und müssen vor allem gesund und zufrieden bleiben.

Weniger ist mehr – es ist nicht immer wichtig, dass der Erfolg für Außenstehende sichtbar ist, wir sind dann erfolgreich, wenn wir das tun dürfen, was wir lieben. Deshalb für alle, die sich entscheiden die Apotheke zu verlassen: Halt durch! Gebt auf euren letzten Metern nochmal alles! Die letzten Meter sind bekanntlich die schwierigsten:

In Kapitel 2.2 „O wie Optimismus“ beschreibst Du das Konzept der „Fuckup Nights,“ in denen man sich berufliche Fehler humorvoll erzählt, um dem Team die Angst vor dem gelegentlichen Scheitern zu nehmen. Welche Geschichte übers Scheitern würde uns Tatiana Dikta in einer solchen „Fuckup Night“ erzählen?

Ich könnte hier die eine oder andere Geschichte erzählen, aber diese Bühne ist zu groß, um offen über mein berufliches Scheitern zu schreiben. Ich muss zugeben, dass kein einziger Schritt in meinem beruflichen Lebenslauf ein unnötiger war: Jede auch noch so ärgerliche Erfahrung hat mich geprägt und manchmal sogar die berufliche Tür zu einer weiteren Erfahrung geöffnet. Und gerade die Erfahrungen, die mich emotional am stärksten getroffen haben, haben mich immer ganz stark dazu motiviert weiterzumachen und nicht aufzugeben.

Inzwischen bin ich beruflich sehr zufrieden, ich arbeite seit einigen Jahren an einer PTA-Berufsschule und liebe die Offenheit der jungen Menschen, denn sie wollen ja „unseren“ Beruf erlernen. Allens, was wir als Lehrkräfte den Schülern auf den Weg geben, ist ein Fundament für die Zukunft. Floskeln wie „das haben wir immer so gemacht!“ oder „Sie sind überengagiert!“ werde ich sicherlich von unseren Schülern nicht hören. In der Schule sind meine vielfältige Erfahrung und mein Wissen mein wichtigstes Kapital, dort spüre ich Anerkennung und freue mich sehr, wenn mich die Schüler auch nach ihrer abgeschlossenen Ausbildung um einen Rat bitten oder nach meiner Meinung fragen. Ich habe lange nach der beruflichen Erfüllung gesucht und die habe ich gefunden. Mein Buch ist die Abrundung und eine allgemeine „Zusammenfassung“ der diversen Erfahrungen und hoffentlich auch ein Zeichen, dass wir nie unsere Leidenschaft aufgeben sollen.

À propos Scheitern: das deutsche Gesundheitswesen ist weltweit einer der letzten Käufer von Faxgeräten. Ist die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland gescheitert?

Nein, wir können in der Apotheke nicht ohne Digitalisierung. Es ist nicht so lange her, als wir alle SecurPharm gefürchtet haben: „Was ist, wenn, der Kunde die Tabletten sehen möchte? Was ist, wenn, wir Stückeln müssen? Was ist, wenn das System gerade ein Fehler meldet?“  So viele Fragen, so viele vermeintliche Hürden … im Nachhinein stellen wir keine Probleme fest: SecurPharm ist eine Normalität. Es ist schade, denn wir verlieren sehr viel Energie im Kampf, nicht nur gegen Innovationen – und das ist Stress. Die Welt ist digital und wenn die Apotheken in dieser Welt nicht untergehen wollen, müssen sie auch Digitalisierung zulassen, sonst übernehmen den pharmazeutischen Dienst die anderen Riesen.

Veränderung ist für viele Menschen Stress – und davon gibt es mit der Corona-Pandemie, der Digitalisierung und dem Klimawandel, um nur einige zu nennen, mehr als genug. Wie denkst Du werden sich diese drei von mir genannten Treiber für den Wandel auf die Zukunft der Apotheke auswirken?

Die Corona-Pandemie zeigt, dass wir nicht alles einfach so planen können und nicht alles im Griff haben, wie wir es behaupten. Von einem Tag auf den anderen brechen Dinge zusammen: es werden Möglichkeiten geschaffen, die früher undenkbar waren und andersherum Selbstverständlichkeiten, Spaß und das unbeschwerte Leben werden nahezu unmöglich. Diesmal trifft die Pandemie alle, daher leiden alle gemeinsam, doch häufig werden Probleme, Krisen und der Stress einzelner Menschen im Alltag einfach übersehen.

Der Klimawandel betrifft uns alle: Nichts wird zur Normalität zurückkehren, wenn sich das Klima so verändert, dass wir dauernd gegen Dürreperioden und Schneemassen kämpfen werden, wenn Krebserkrankungen, die durch Umweltfaktoren hervorgerufen werden, zunehmen, wenn Pandemien mit multiresistenten Keimen ausbrechen! Nachhaltigkeit wird nicht durch ein Siegel bescheinigt, es ist eine Lebenseinstellung – wir können diese Lebensweise hervorragend von unseren Kindern lernen und sollten stolz darauf sein, dass durch unsere Erziehung unsere eigenen Kinder uns ein Vorbild sein können.

Und was die Krise für die Apotheken bedeutet und welche Chancen sie birgt, greifen wir wunderbar in unserem gemeinsamen Beitrag im Buch „Rethink Healthcare“ auf.

Wie hast Du Dein Buch geschrieben? Analog, digital oder mit einer Mischung aus beiden?

Ich schreibe selten analog, ich schreibe ungern mit der Hand. Auf das digitale Lernen und Schreiben bin ich schon im 2007 im Abendgymnasium gestoßen: Dort nahm ich an einem städtischen Pilot-Projekt „Abi-online“ der Stadt Münster teil. Für mich als berufstätige Mutter dreier Kinder war es die einzige Möglichkeit, neben meinen beruflichen und familiären Verpflichtungen das Abitur nachzuholen. So musste ich nur an zwei Abenden zur Schule und den Rest konnte ich von zu Hause erledigen. Danach habe ich an der FernUniversität in Hagen studiert, dem Pionier der Online-Lehre. Auch im Studium habe ich daher nur in den Klausuren handschriftlich geschrieben.

Eine Frage von Autor zu Autorin: sollte mich das Stressen, wenn mir gelegentlich die Inspiration fehlt, was ich für meinen Blog schreiben soll? Ich hatte mir ja ganz fest vorgenommen, jede Woche etwas zu veröffentlichen und schaffe das auch meistens. Aber halt nicht immer …

Ich habe angefangen aus Leidenschaft zu schreiben, bin dankbar allen Menschen, die es mir ermöglicht haben, mich bei der Entwicklung unterstützt haben und die an mich geglaubt haben, aber ich höre auf, wenn mir die Inspiration fehlt und wenn der „Funken“ nicht überspringt. Schreiben ohne Flow strengt den Autor an und das schlechte Ergebnis merken die Leser. Ich persönlich sah meine Autorenschaft als ein Hobby und als einen wichtigen Teil meiner beruflichen Laufstrecke. Mein Rat an Dich Florian: Schreib nicht unter Stress! Wir sind in der glücklichen Lage, dass Schreiben nicht unser Beruf ist, wir dürfen schreiben, wir müssen es aber nicht.

Letzte Frage: welchen Rat würdest Du Deinen Kindern geben, wenn Sie Dir sagen würden, dass sie Pharmazie studieren wollen?

Meine Kinder haben bereits ihre beruflichen Wege gewählt: Unsere Töchter haben im Bereich Marketing und Management studiert, unser Jüngster hat einen technischen Studiengang gewählt. Ich habe weder von Pharmazie abgeraten noch dazu geraten: Chemie gehörte allerdings zu denjenigen Fächern, die meine Kinder ganz schnell abgewählt haben – und das war für mich ein Zeichen genug.

Vielen Dank für dieses tolle Interview, Tatiana!

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* Govi-Verlag ein imprint der AVOXA- Mediengruppe Deutscher Apotheker