Kennen Sie Ihre braunen M&M’s?

Kennen Sie Van Halen? Anfang der 1980-er Jahre war das eine der größten Rockbands der Welt – und ihr Superhit „jump“ hallte in den 2000-er Jahren auch schon gelegentlich durch die Hallen der Expopharm. Ich persönlich bin kein zu großer Fan der Musik von Van Halen – aber eine Geschichte über die Band, von der ich in dem Buch „Think Like A Freak“ von Steven D. Levitt und Stephen J. Dubner gelesen habe, finde ich faszinierend.

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Diese Knabbereien hätte Van Halen zurück gewiesen

Und zwar soll der Vertrag für Veranstalter, die Van Halen für einen Auftritt buchen wollten, stolze 53 Seiten dick gewesen sein. Darin fanden sich neben den technischen Anforderungen an Akustik, Beleuchtung und Stromversorgung auch die immens wichtigen Sicherheitsanforderungen. Hinzu kamen noch einige Anforderungen an das Catering für Künstler, sogar mitunter ziemlich detailliert: an geraden Kalendertagen sei Roast Beef, Hähnchen oder Lasagne zu servieren, an ungeraden Tagen Chinesisch mit grünen Bohnen, Erbsen oder Karrotten. Das Essen durfte daneben auf keinen Fall in Papp- oder Plastiktellern serviert werden. Dann gab es auf Seite 40 des Vertrages noch einen Absatz zu Knabbereien: Kartoffelchips mussten bereit gestellt werden, ebenso Erdnüsse, Salzstangen und

„M&M‘s (WARNING: ABSOLUTELY NO BROWN ONES.)“

Exzentrisches Verhalten von abgehobenen Rockstars, die ihre Vertragspartner peinigen, nur weil sie es können? Mitnichten. In den 80-er Jahren konnten sich nur die erfolgreichsten Bands schon spektakuläre Bühneneffekte mit aufwändigen Aufbauten und Pyro-Effekten leisten. Gleichzeitig waren viele Hallen und Stadien schon ein wenig in die Jahre gekommen. Um also nicht das Leben oder die Gesundheit von Besuchern, Roadcrew oder Musikern zu riskieren, mussten die Veranstalter sowohl die technischen Anforderungen aus dem Vertrag als auch das Sicherheitskonzept äußerst sorgfältig einhalten. Wie konnte die Band nun also sicher sein, dass der Veranstalter den Vertrag mit allen für die Show essentiellen Details auch durchgelesen hatte? Hier kommen nun die Schokolinsen ins Spiel: wenn es nämlich Backstage bei den Knabbereien braune M & M‘s gab, dann musste die Roadcrew noch einmal den kompletten Veranstaltungsort überprüfen (parallel dazu haben dann meist die Musiker den Backstage-Bereich demoliert). Ein einfacher Trick – der ungründliche Vertragspartner sofort entlarvt.

concert-1748102_1920Wie kommt man nur auf so eine raffinierte Vertragsgestaltung, die das eigentliche Ziel (effiziente Prüfung der Zuverlässigkeit des Veranstalters) zwar kaschiert aber gerade dadurch fördert? Und, was für Apotheken in Zeiten des Wandels vermutlich noch interessanter sein dürfte: wer sind denn Ihre „braunen M&M’s?“ Welche Kunden kommen nur zur Beratung in Ihre Apotheke und kaufen oder bestellen dann woanders? Welche Kunden warten nur darauf, auch ihre Arzneimittel endlich bei Amazon bestellen zu können? Wie kann man sie identifzieren und versuchen, sie an die eigene Apotheke zu binden? Und kann man eventuell sogar das eigene Geschäftsmodell  mit ein wenig Querdenken erneuern?

Klar ist, dass unsere Arbeitsgewohnheiten – egal ob in der Apotheke oder in einem Konzern – aus einer anderen Zeit stammen. Lineares Arbeiten und das strikte Einhalten von Prozessen waren für den Erfolg im 20. Jahrhundert entscheidend. Um die Zukunft mitgestalten zu können, wird es aber vermehrt aufs Querdenken ankommen. Kreativität wird eine wesentliche, integrierte Rolle in sämtlichen unternehmerischen Strategien spielen. light-bulb-3104355_1920Wichtig wird dabei auch sein, alte Glaubenssätze über Bord zu werfen. Wenn wir den jetzigen Status Quo stets als gegeben annehmen, dann werden eben andere den Wandel gestalten. Steve Jobs, der Mitgründer von Apple, hatte die häufig zitierte Vision von der Schallplattensammlung in der Hosentasche. „Unmöglich,“ haben diejenige gesagt, die von den Größendimensionen alter Langspielplatten ausgegangen sind. Dann kam das iPod, in seinem Fahrwasser das iPhone und seitdem sind Smartphones aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken – genauso wenig wie Musik zum Streamen und zum Herunterladen. Steve Jobs hat die Größen der LP und auch der CDs und Musikkassetten in seinen Planungen schlicht und einfach bewusst ignoriert und dadurch eine der bahnbrechendsten Innovationen unserer Zeit geschaffen.

„Niemand erfindet etwas, weil er Altes kaputt machen will. Man will etwas Neues erschaffen, das toll ist.“

Max Shtein, Professor für Materialwissenschaften an der Universität Michigan im lesenswerten Interview zum Thema „Innovationen“ auf brandeins

Also wird es auch in der Apothekenbranche auf die Art von Mensch ankommen, die in der Lage ist, viele mögliche Antworten auf eine einzelne Frage geben zu können; die ein Problem auf verschiedenste Weise beleuchten und interpretieren können; die mehrere Lösungen für eine Herausforderung parat haben, wenn sie mit ihr konfrontiert sind. Die Vorgaben weit auslegen und Lust am Schaffen von etwas Neuem haben.

paper-clip-308487_1280Ein beliebtes Gedankenspiel zum Ermitteln von kreativem Potential ist dabei die Frage nach den Verwendungsmöglichkeiten einer Büroklammer. Standardisierte, angepasste lineare Denker(innen) finden dabei vielleicht um die zehn Vorschläge. Querdenker,  hingegen lassen die Beschränkungen der Büroklammer fallen. Vielleicht überlegen sie, ob die Büroklammer 200 Meter hoch oder aus Gummi sein könnte. Diese Menschen gehen Denkprozesse kreativ und multidimensional an – standardisierte Prozessabläufe gibt es da nicht. Dadurch kommen sie auf neue Lösungsansätze und schaffen so Innovationen. Der Ist-Zustand ist für sie immer nur der aktuelle, aber stets provisorische und somit grundsätzlich wandelbare Zustand.

Zurück zur vorhin gestellten Frage: wie finden Sie Lösungen für die „braunen M&M’s“ unter Ihren Kunden? Ich habe keine allgemein gültige Antwort – es gibt auch nicht DEN Kunden – genausowenig wie es DIE Apotheke gibt. Aber wie wäre es denn zum Beispiel, wenn Sie Ihren Kunden anböten, dass sie die Briefe mit Rezepten für die Versandapotheke auch bei Ihnen in der Apotheke abgeben können und Sie diese dann (gemeinsam mit Ihrer eigenen Post) aufgeben? Letzteres müssen Sie dann natürlich auch tun. Dem Kunden, den Sie ja für dieses eine Rezept eh schon verloren haben, tun Sie damit einen Gefallen. In aller Regel geben Menschen einmal erhaltene Gefälligkeiten zurück, weil kein Mensch gerne das Gefühl hat, in jemandes Schuld zu stehen. Außerdem haben Sie nur so die Gelegenheit, mit dem Kunden nochmal ins Gespräch zu kommen und ihm die Vorzüge ihrer Apotheke nochmal in Erinnerung zu rufen.

Gerne darf Ihnen meine Idee forsch, verwegen oder einfach nur idiotisch vorkommen. Es ist ja nur eine Idee und ich behaupte nicht von mir, dass ich nicht ebenfalls in linearen Denkmustern gefangen wäre. Und gerade deswegen müssen wir unsere eigenen kreativen Kapazitäten sowie die unserer Mitarbeiter stets weiter fördern und forden. Die großen Herausforderungen der Zukunft der Apotheke werden wir mit standardisierter linearer Mentalität und strenger Konformität nicht bewältigen können. Querdenker jedoch stellen den Status Quo stets in Frage und erweitern permanent ihre eigenen Denkmuster. Zeit also, vor allem den „Freaks“ unter unseren Kollegen und Mitarbeitern etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken.paper-clips-166459_1920