Mit Künstlicher Intelligenz in 5 Minuten zum Covid-19-Testergebnis

Schon zweimal mussten wir in unserer Familie im Herbst 2020 auf das Ergebnis eines Tests auf das Coronavirus warten. Zunächst kehrte ich selbst im September von meiner Keynote auf dem Apotheken Business Forum in Wien zurück, direkt nachdem Wien zum Risikogebiet erklärt wurde. Das zweite Mal war letzte Woche, als wir unseren Sohn vorzeitig aus der Schule abholen mussten, nachdem eine Lehrerin in seiner Klasse positiv getestet worden war. Beide Male bedeutete das für die Betroffenen häusliche Isolation, Absonderung vom Rest der Familie und, wenn man sich im Haus bewegt, dann nur mit Maske. All das solange, bis ein negatives Testergebnis vorliegt. In meinem Fall musste ich darauf 48 Stunden lang warten, bei meinem Sohn waren es dann schon 72 Stunden. Die Wartezeit ist nicht nur wegen der Einschränkungen lästig, sondern auch für den Fall der Infektion mit Covid-19 nicht genutzte Behandlungszeit. Im schlimmsten Fall könnten sich asymptomatische Infizierte in dieser Zeit weniger strikt an die Quarantäne-Regeln halten, wodurch die Kontaktnachverfolgung für die Gesundheitsämter noch schwerer bis unmöglich werden würde.

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Schnelltests gibt es zwar schon, sie sind jedoch nicht immer genau und aufgrund von Lieferengpässen der Grundmaterialien nicht immer verfügbar. An der Oxford University wird immerhin derzeit ein neuer, kostengünstiger Test entwickelt, der Ergebnisse innerhalb von wenigen Minuten anzeigen kann. Dieses Forschungsprojekt hat das Potential, die Probleme der aktuellen Schnelltests zu beheben, auch wenn die Peer Review dazu derzeit noch aussteht.

Als einen der größten Vorteile bezeichnen die am Projekt beteiligten Wissensschaftler die Geschwindigkeit des neuen Test. Die Rede ist von einem Zeitraum zwischen einer bis maximal fünf Minuten. Bisher werden überwiegend die hochempflindlichen molekularen Polymerase-Kettenreaktions- oder kurz PCR-Tests eingesetzt, bei denen genetisches Virusmaterial innerhalb von vielen Testzyklen (sogenannte „cycle thresholds,“ von wo auch der Begriff „ct-Wert“ kommt) nachgewiesen wird. Dadurch und aufgrund der vielen Schritte zur Vorbereitung einer Probe ist die lange Wartezeit bis zum Ergebnis bedingt. Der neue Test der Oxford University hingegen verwendet unmittelbar den Rachenabstrich. Er scannt dabei die Probe nach Viruspartikeln und identifiziert sie unter Verwendung von maschinellem Lernen automatisch anhand ihrer chemischen Zusammensetzung, Größe und Gestalt. Diese ist für die genau darauf trainierte Künstliche Intelligenz so eindeutig zuordenbar, dass den Ergebnissen in der Studie eine sehr hohe Zuverlässigkeit attestiert wird. Je nach Viruslast des Patienten kann der Test das Virus in weniger als fünf Minuten zuverlässig identifizieren.

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Abstrich nehmen und ab ins Testgerät damit

Durchgeführt wird der Test in einem eigens hierfür entwickeltem Gerät. Damit soll es für die breite Masse ermöglicht werden, die Tests außerhalb von Laboren durchzuführen – immerhin ist die Logistik des Probenversands an Labore und Rückübermittlung der Ergebnisse ein weiterer Grund für die aktuell noch lange Wartezeit. Patienten können mit der neuen Methode einfach einen Wangenabstrich machen oder Speichel abgeben. Man kann sich das Gerät in etwa so wie einen Getränke-Automaten vorstellen. Dort legt man die Probe hinein und der Rest passiert dann ganz autonom im Inneren der Maschine.

Spannend ist, was genau im Gerät passiert. Laut der Studie werden Mikroskopbilder einzelner intakter Partikel der Probe von einer Künstlichen Intelligenz untersucht. Im Test wurden Markierung, Bildgebung und Virusidentifizierung in weniger als fünf Minuten erreicht, ohne dass dabei weitere Schritte zur Reinigung oder Verstärkung der Probe notwenig wären. Das entsprechend trainierte neuronale Netzwerk der Künstlichen Intelligenz war in der Lage, SARS-CoV-2 mit hoher Genauigkeit von negativen klinischen Proben sowie von anderen häufigen respiratorischen Pathogenen wie Influenza und saisonalen menschlichen Coronaviren zu unterscheiden. Die positiven Ergebnisse aus der Studie wurden anschließend von herkömmlichen PCR-Tests nochmal bestätigt.

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Auch wenn es inzwischen positive Signale über einen Corona-Wirkstoff gibt, so sind wir doch nach wie vor weit davon entfernt, dass dieser flächendeckend eingesetzt werden kann. Auch wird es Menschen geben, die sich aus diversen Gründen nicht impfen lassen werden. Hier kommen die neuartigen Schnelltests ins Spiel, vorausgesetzt, sie halten, was sie versprechen. Schließlich sehnen wir uns doch alle zurück nach der Normalität, wie wir sie kannten. Egal, ob Fußballstadion, Konzerthalle oder Theatervorführung – solange es weder einen Impfstoff für alle oder gar ein Heilmittel gegen Corona gibt, ist und bleibt der Weg zurück in die alte Normalität verbarrikadiert. Der Nachweis eines maximal 24 Stunden alten negativen Tests hingegen könnte als Berechtigung zum Besuch von Massenveranstaltungen dienen. Bei PCR-Tests steht die Dauer bis zur Übermittlung des Ergebnisses diesem Gedanken jedoch leider im Weg. Sollte es sich aber tatsächlich bestätigen, dass die Automaten, an denen die Oxford University forscht und deren Marktreife fürs zweite Quartal 2021 anvisiert wird, binnen 5 Minuten ein valides Ergebnis ermitteln, dann wäre das ein absoluter Game-Changer.

Nur: wo sollten diese Automaten stehen? Vor Fußballstadien, Konzerthallen oder Theatern wären eher ungeeignete Orte, da Wartebereiche so schnell zu großen Infektionsherden oder gar Superspreader-Events werden könnten. Geeigneter wären daher niederschwellig zugängliche Orte mit gut ausgebildetem Personal, das schon heute sehr viele Schutzmaßnahmen eingeführt hat, um die Verbreitung des Virus in den eigenen Verkaufsräumen zu unterbinden: die Apotheke vor Ort. Das war zumindest mein erster Gedanke beim Lesen der Studie. Dieser Gedanke sollte zu gegebener Zeit mit Ärzten und Gesundheitsämtern vertieft werden. Die Position der Apotheke als Anlaufstelle erster Wahl bei Gesundheitsfragen könnte dadurch jedenfalls nur gestärkt werden.

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Mehr als nur Pillen wird es in der Apotheke der Zukunft geben. Auch Corona-Schnelltests=

Künstliche Intelligenz erweist sich erneut als sehr hilfreich im Zusammenhang mit der Pandemie. Im Januar habe ich im Zusammenhang mit ersten Anzeichen der Verbreitung des Coronavirus über ein Unternehmen namens „blue dot“ geschrieben, das die Verbreitung sehr akkurat vorhersagen konnte – mit Hilfe von KI. Nun ist diese Technologie auch bei der Auswertung von Einzelpartikelbildgebung eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichen viralen Diagnosemethoden und Hoffnungsträger für eine schnellere Rückkehr in die Normalität. Und selbst, wenn das Projekt der Oxford University am Ende scheitern sollte, so zeigt es doch, wie sehr die Rolle der Digitalisierung im Gesundheitswesen stets zunimmt – es lohnt sich also, auch weiterhin ein Auge darauf zu werfen!

P.S.: was die Corona-Tests in unserer Familie betrifft, so hatten sowohl mein Sohn als auch ich ein negatives Testergebnis …