Liebe Corona-Warn-App,
Nach gut drei Jahren endet unsere gemeinsame Zeit in Kürze. Bald wirst Du in eine Art Ruhezustand versetzt, nur noch bis 30. April 2023 wird es möglich sein, über Dich andere Leute zu warnen. Wobei ich, wenn ich ehrlich sein soll, aktuell gar keine Leute kenne, die sich noch testen lassen. Aber egal. Ab dem 1. Juni 2023 wirst Du dann gar nicht mehr weiter entwickelt, lediglich die gespeicherten Zertifikate und das (bei mir nicht gepflegte) Kontakttagebuch werden sich dann noch aufrufen lassen.
Ich weiß noch, wie ich Ende 2020 nervös war, als Deine ansonsten grüne Kachel zum ersten Mal rot war. Die bangen Tage in häuslicher Isolation bis zum Ergebnis des PCR-Tests, das zum Glück negativ war. Im Laufe das Jahres 2022 war hingegen die rote Kachel der Normalzustand. Allerdings konnte ich Dich bei meiner ersten Corona-Infektion gar nicht zum Warnen meiner Mitmenschen nutzen, da ich einen offiziellen Test benötigt hätte, mich die Teststellen aufgrund des positiven Selbsttests aber gar nicht sehen wollten. Ja, es war nicht immer einfach mit Dir.
Aber warst Du jetzt ein Erfolg? Bei über 50 Millionen Downloads wird man diese Frage sicher erst einmal klar bejahen müssen. Außerdem war es Dank Dir und weiteren Apps zur Kontaktnachverfolgung in den Sommern 2020 und 2021 möglich, wieder in Restaurants zu gehen und das soziale Miteinander ein klein wenig wiederaufleben zu lassen. Auch das Hinterlegen von Testergebnissen und Impfzertifikaten war mit Dir denkbar einfach und sogar die Apotheken vor Ort waren gut mit eingebunden. Auch die Informationen zu Inzidenzen, R-Werten und warnenden Personen hatten vor allem zu Beginn der Pandemie etwas, an dem man sich festhalten konnte. Zumindest mir gaben sie in dieser Pandemie, die ja für uns alle komplett unbekanntes Terrain war, ein wenig Orientierung.
Oder warst Du ein Misserfolg? Immerhin sollst Du inzwischen mehr als 220 Millionen Euro an Entwicklungs- und Betriebskosten verschlungen haben. Naja, bei gut 80 Millionen Einwohnern sind das letztlich nicht mehr als 2,75 Euro pro Nase, aber in Summe doch deutlich mehr, als ursprünglich veranschlagt . Viel störender finde ich jedoch, dass es zu Deiner konkreten Effizienz keine verlässlichen Zahlen gibt: wie viele Infektionsketten wurden denn nun unterbrochen? Wie viele Menschenleben hast Du denn nun gerettet? Klar, „Datenschutz by Design“ ist gerade bei uns Deutschland superwichtig, wo alle denken, dass ihre Geheimnisse irgendjemanden interessieren würden, während sie gleichzeitig sie jede Nichtigkeit auf Social Media posten. Verstehe ich auch. Aber dadurch hast Du Dich, befürchte ich, dem wichtigsten Nutzenargument beraubt, das eine Anwendung wie Du haben kann. So sehen wir nur, wie viele Menschen einander gewarnt haben. Aber das habe ich bei meinen beiden Infektionen auch gemacht – per Telefon. Da konnte man wenigstens noch ein wenig plaudern.
Liebe Corona-Warn-App, ich werde Dich trotz allem vermissen. Software-Entwickler behaupten ja gerne, dass Software gut, billig und schnell gleichzeitig sein kann, sofern man auf eines dieser drei Kriterien verzichtet. Du warst halt schnell und gut. Ich sehe Dich als ein Symbol für eine schwierige Zeit, die nun aber endgültig überstanden zu sein scheint. Und schon jetzt assoziiere ich mit dieser Zeit vor allem Positives: die viele Zeit, die ich auf einmal mit der Familie verbringen konnte. Die unbändige Freude beim Wiedersehen mit alten Bekannten, beruflich und privat. Daran werde ich auch denken, wenn ich künftig Dein Icon mit dem Cloudsymbol für nicht genutzte Apps daneben auf meinem Smartphone sehe.
Nur löschen werde ich Dich nicht. Denn es heißt ja auch immer wieder, nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Also werde ich Dich nicht löschen – und dennoch hoffen, dass wir Dich in unserer Lebenszeit nicht mehr benutzen müssen.
Auf (nimmer) Wiedersehen, liebe Corona-Warn-App!
Schade, dass sich der Autor nicht mal die Mühe gemacht hat, für den Abschnitt „Misserfolg“ auf der Webseite (z.B. in den dortigen Science Blogs) selbst nachzulesen, of es evtl. doch Erkenntnisse und Fakten zur Effizienz gibt. Oder vielleicht wenigstens hochzurechnen, wie viel Geld durch die CWA (gegenüber den 220Mio € Ausgaben) eingespart wurde, im Gegensatz zu wenn dieselbe Leistung auf „herkömmliche“ Weise erbracht worden wäre (falls das ein realistisches Alterativ-Szenario darstellt).
Diese Umsicht und Fairness hätte dem ansonsten unterhaltsam geschriebenen Nachruf gut getan. So hinterlässt der Brief leider einen faden Nachgeschmack, doch nur wiederholt zu haben, was an anderer Stelle schon geschrieben steht.
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