Mein liebes digitales (Kontakt-)Tagebuch

Corona hat vieles verändert. In den Apotheken, an unserem Verhalten – aber auch an der Art und Weise, wie wir zum Beispiel unsere Freizeit gestalten. Nachdem es Mitte März den nahezu kompletten Lockdown gab, erfolgen seitdem stufenweise Lockerungen, von denen einige jedoch mit Auflagen versehen sind. So müssen wir beispielsweise seit Mitte Mai bei Restaurantbesuchen Kontaktformulare ausfüllen. Meist erfolgt das handschriftlich; nur wenige Restaurants arbeiten hierbei mit QR-Codes, die einen auf eine Seite weiterleiten, auf der man dann seine Daten eintragen kann. Ziel dieser Übung ist natürlich die Nachverfolgung von Infektionsketten. Mit den Kontaktformularen kann nämlich der Restaurantbesitzer gegenüber dem Gesundheitsamt ermitteln, wer sich gleichzeitig mit einer positiv auf Covid-19 getesteten Person im Restaurant aufgehalten hat.

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Das Kontaktformular gehört zum neuen Erscheinungsbild von Restaurants ebenso wie der Kellner mit dem Mund-Nasen-Schutz

Klar geht die Suche nach potentiell Gefährdeten in digitalen Datenbanken schneller, als wenn man eine Vielzahl handschriftlicher Zettel durchforsten muss, dabei teils unleserliche Personenangaben zu entziffern hat und auch die Zeitangaben bestenfalls bedingt zuverlässig sind. Aber selbst das eingangs erwähnte System mit dem QR-Code und der Weiterleitung auf eine Registrierungsseite ist nur so zuverlässig, wie die Menschen, die ihre Angaben dort hinterlegen. Dabei gibt es schon seit langer Zeit eine Technologie, die gleichzeitig zuverlässig und anonym ist. Auch an dieser Stelle habe ich sie bereits erwähnt, und zwar zuerst im Beitrag „nie wieder offline,“ der am 25. September 2017 veröffentlicht wurde. Die Rede ist von Beacons.

Wörtlich übersetzt bedeutet Beacon „Leuchtfeuer“ – und so ähnlich muss man sich die Funktion auch vorstellen. Beacons sind nämlich kleine Hardware-Sender und gehören zur Klasse der sog. Bluetooth Low Energy Geräte, die ihre Kennung an nahegelegene tragbare elektronische Geräte senden. Sie verwenden die Bluetooth-Näherungserkennung mit niedriger Energie, um eine universell eindeutige Kennung an Smartphones oder Tablets zu übertragen. Am Zielsystem können diese nur erfasst werden, wenn eine kompatible App oder ein kompatibles Betriebssystem vorhanden ist. Diese Kennung und mehrere damit gesendete Bytes können verwendet werden, um den physischen Standort des Smartphones zu bestimmen oder eine standortbasierte Aktion auf dem Gerät auszulösen, wie z. B. das Aufrufen einer Push-Benachrichtigung. Letzteres nutzen unter anderem Fluggesellschaften an Flughäfen, um ihre Passagiere zum richtigen Gate oder zum richtigen Gepäckband zu lotsen.

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Der wichtigste Unterschied zwischen Beacons und den meisten anderen standortbasierten Technologien ist, dass der Beacon nur ein Einwegsender ist. Er selbst empängt und speichert keine Daten. Das empfangende Smartphone oder Empfangsgerät kann mit den Beacons nur interagieren, wenn eine bestimmte, hierfür geeignete App auf dem Gerät installiert ist. So wird sichergestellt, dass nur die installierte App und nicht der Beacon die Benutzer möglicherweise gegen ihren Willen verfolgen kann, wenn sie passiv um die Sender herumgehen ohne zuvor willentlich die dazu gehörige App heruntergeladen und installiert zu haben.

Die Kombination aus Beacons, die ihre Kennung senden, und einer App, die beim Annähern an einen Beacon einen Eintrag mit Datum und Uhrzeit vornimmt, ergibt folglich ein digitales Kontakttagebuch. Da die Kennung jedes Beacons universell eindeutig ist, lassen sie sich bestimmten Orten zuordnen. Und da die App, welche die Kennung einträgt, lokal auf dem Smartphone der Nutzer liegt, erfährt auch der Betreiber der Beacons niemals, wer sich in der Nähe der Beacons aufgehalten hat. Fragt aber nun das Gesundheitsamt einen mit dem Coronavirus Infizierten nach dessen Kontakttagebuch, so hätte dieser eine lückenlose Aufzeichung aller öffentlichen Orte, die er während des Inkubationszeitraums aufgesucht hat … zumindest in der Theorie, denn noch gibt es Beacons in Deutschland eben nicht flächendeckend an öffentlichen Orten. Apps mit Kontakttagebuch-Funktion – wie z.B. die digitale GesundheitsakteDoctorBox“ – gibt es hingegen bereits zum kostenlosen Download.

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Tagebuch analog (links) und digital (rechts) – welches wirkt aufgeräumter?

Nun mag sich der ein oder andere Leser fragen, ob sich das nicht mit der Corona-Warn-App der Bundesregierung beißt. Nun, letztere wurde bisher gerade 17,5 Mio. mal heruntergeladen (Stand: 25.08.2020). Sie registriert außerdem nur, wenn sich zwei Smartphones, wovon auch beide die Corona-Warn-App installiert haben müssen, über einen ausreichend langen Zeitraum hinweg in örtlicher Nähe zueinander befunden haben. Im Idealfall zeichnet sie also die Begegnung zweier Menschen auf – nicht aber den Ort, an dem diese sich aufgehalten haben. Das Kontakttagebuch hingegen zeichnet nicht die Begegnungen auf, sondern ausschließlich die Aufenthaltsorte der Benutzer. Da wir von dem für einen effektiven Schutz der Bevölkerung errechneten 70% Marktdurchdringung bei der Corona-Warn-App also noch weit entfernt sind, ist das Kontakttagebuch als flankierende Maßnahme durchaus sinnvoll und sollte schnellstmöglich umgesetzt werden. Was hierfür zu tun ist? Den öffentlichen Raum mit Beacons ausstatten! Bahnhöfe, Hotels, Restaurants, Supermärkte … und natürlich auch Apotheken.

Mit ihren täglich 3,3 Millionen Kundenkontakten, verteilt auf inzwischen knapp unter 19.000 Betriebsstätten, gehören Apotheken zu den am meisten frequentierten Geschäften in Deutschland. Anders als jedoch Bahnhöfe, Hotels, Restaurants und Supermärkte werden Apotheken überwiegend von Kunden aufgesucht, die etwas für ihre Gesundheit tun wollen – oder müssen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter ihnen auch Menschen mit Corona-Symptomen befinden, ist also erhöht. Folglich sind Apotheken prädestiniert für die Ausstattung mit Beacons als Sender für das Kontakttagebuch. Dadurch wird übrigens auch das Quarantänerisiko für die Apotheke nicht erhöht – ganz im Gegenteil: bei einem Patienten, der aus dem Gedächtnis schätzt, dass er am Tag seines Einkaufs um die Mittagszeit in der Apotheke war, wird das Gesundheitsamt den Zeitraum eher großzügig bemessen müssen, innerhalb dessen eine Ansteckungsgefahr in dieser Apotheke bestanden hat. Das Risiko, dass selbst bei rotierenden Teams dann große Teile der Belegschaft in Quarantäne müssen, steigt dadurch. Gibt der Patient dem Gesundheitsamt jedoch sein digitales Kontakttagebuch frei, lässt sich der Zeitraum konkret umreißen und lassen sich die Folgen für die Apotheke dadurch deutlich abmildern.

Corona hat vieles verändert. Für einige digitale Technologien, die seit vielen Jahren aus ihrer Nische nicht herauskommen, könnten sie der Katalysator sein, der sie in den Mainstream hebt. Von Konzepten wie dem digitalen Kontakttagebuch wird aber u.a. auch abhängen, wie schnell wir wieder in eine Art Normalität zurückkehren können. Je besser sich Infektionsketten nachvollziehen lassen, desto weniger Einschränkungen sind notwendig. Für die Apotheken liegt darin eine Riesenchance, sich als ganzheitlicher Gesundheitsdienstleister zu positionieren. Frei nach dem Motto:
Bei uns sind Sie mit Abstand am Sichersten aufgehoben.