Kapitel 9: was sind Daten?

Nachdem wir im zweiten Teil betrachtet haben, wie die digitale Welt immer vernetzter wird und Geräte Daten übereinander und über uns austauschen, startet hiermit der dritte Teil dieses Blogs. Darin werfen wir in insgesamt 7 Kapiteln einen tieferen Blick auf DIE Grundlage der Digitalisierung: Daten.

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Der Duden definiert Daten auf seinem Online (wo sonst?)-Wörterbuch als

„durch Beobachtungen, Messungen, statistische Erhebungen u.a. gewonnene oder beruhende [Zahlen]werte, Angaben oder formulierbare Befunde. In der EDV zählen dazu auch elektronisch gespeicherte Zeichen, Angaben und Informationen.

Interessant und für die weiteren Erläuterungen interessant sind auch die Synonyme:

„Angaben, Einzelheiten, Fakten, Größen, Maße, Messwerte, Tatsachen, Werte, Zahlen, (bildungssprachlich) Details.“

Wenn man zum Beispiel eine antike Münze betrachtet, die auf einem Feld ausgegraben und dann im Museum ausgestellt wird, so kann man sich gut vorstellen, dass darauf meist die folgenden Daten gespeichert sind: der (Tausch-)Wert der Münze, das Jahr der Prägung und meist auch ein Bild des zur damaligen Zeit Regierenden.

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Diese römische Bronzemünze enthält als Datum u.a. das Portrait des Kaisers Domitian

Schauen wir nun auf die Apotheke, so wird klar, dass auch hier schon immer Daten angefallen sind. Der Patient, der dem Apotheker sagt „ich bin heiser!“ gibt Informationen über seine Identität („ich“ – Apotheker kennen ihre Kunden in aller Regel persönlich) sowie einen Befund auf Laienebene („bin heiser“) preis. Ebenso der Apotheker, der ihm hierfür einen Salbeitee verkauft, eine Empfehlung für die geeignete Therapie, sicherlich den Preis und wahrscheinlich auch Hinweise zur optimal wirksamen Einnahme angibt. All das sind Daten, die für das Erreichen eines bestimmten Ziels – in diesem Fall „ die Gesundheit des Patienten“ – relevant sind.

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Je nach Datenlage wird das optimale Arzneimittel hergestellt

Also sind Daten in der Apotheke zunächst einmal nichts Neues, Modernes oder gar Ungewöhnliches. Sie gehören dazu, wenn man einen Heilberuf wie den des Apothekers korrekt und ordentlich ausüben will. Die evidenzbasierte Behandlung von Symptomen kann nur mit Daten funktionieren – und hierbei gilt: je mehr Daten vorhanden sind, um so genauere Aussagen lassen sich treffen.

Auch das Speichern von Daten ist keine Erfindung der Neuzeit; nur das Speichermedium hat sich im Lauf der Jahre weiter entwickelt: die Information über Patient, Therapie und Arzneimittel wurde zunächst mal, schon immer, im Kopf des Apothekers abgespeichert. Dieses Speichermedium war und ist sicherlich eines der leistungsstärksten, mit seinen Milliarden an neuronalen Vernetzungen. Es hat aber einen entscheidenden Nachteil: seine Haltbarkeit ist begrenzt und gegen Ende seiner Haltbarkeitsdauer nimmt oft auch die Leistungsfähigkeit ab. Mit der Erfindung des Buchdrucks konnte man erstmals Daten in großer Menge ohne manuellen Aufwand speichern, zum Beispiel auf Karteien und Karteikarten hinzu, die ersten Patientendossiers konnten angelegt werden. Im 20. Jahrhundert wurde das Papier als Speichermedium veredelt: Lochkarten wurden erstmals eingeführt, mit denen die Arzneimittelschubladen in den Apotheken versehen werden konnten. Wenn ein Arzneimittel verkauft wurde, konnte es über die Lochkarte und ein eigens dafür vorgesehenes Gerät zum Einlesen dieser Lochkarte einfach beim Pharma-Großhandel nachbestellt werden.

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Der Aktenberg als Beispiel für ein analoges Speichermedium

Aus diesen ersten Gehversuchen der elektronischen Datenverarbeitung wurden in den letzten Jahrzehnten hochpotente Computersysteme entwickelt, die in der Lage sind, sich mehr Daten zu merken als dies ein menschliches Gehirn jemals könnte. Seit einigen Jahren sind diese Computer nun über das Internet miteinander vernetzt, so dass eine Art neuronales Supernetzwerk entstanden ist, dessen Auswirkungen auf die Apotheke schon heute viele positive Aspekte haben: keine Apotheke kann in der komplexen und regulierten Welt des Arzneimittelverkaufs ohne digitale Unterstützung ihr Geschäft noch fehlerfrei betreiben – und diese Fehler sind zwar meist nur für den Apotheker finanziell schmerzhaft, können aber im schlimmsten Fall durchaus eine Gefahr für die Gesundheit des Patienten darstellen.

Daher ist es auch aus Patientensicht sehr gut, dass es zu dieser Erweiterung des insgesamt zur Verfügung stehenden Speicherplatzes gekommen ist. Seitdem es ihn gibt, können jetzt auch wesentlich mehr (und schneller) einzelne Daten verarbeitet werden, als das zuvor möglich war. Und noch mehr: Daten können miteinander verknüpft werden. Jede pharmazeutische Datenbank, wie sie seit den 1980-er Jahren programmiert wird, weiß, dass Patienten ihr Leben riskieren, wenn sie Aspirin und Marcumar gemeinsam einnehmen. Der Apotheker ist dabei die letzte Prüfinstanz, bevor der Patient mit den Arzneimitteln „alleine gelassen“ wird. Wenn dem Apotheker Interaktionen wie die eben geschilderte, natürlich sehr plakative, nicht auffallen, dann hat der Patient kaum eine Chance, die unerwünschte Wirkung bei der Kombination zweier miteinander unverträglicher Arzneimittel noch zu verhindern. Doch nicht nur Medikamente lassen sich miteinander verknüpfen. Es lassen sich auch Kategorien, beispielsweise nach anatomisch-/ chemischer Zusammensetzung, bilden, woraus dann wiederum typische Krankheitsbilder und Indikationen abgeleitet werden können. Auch das sind wichtige Informationen für eine effiziente Therapie.

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Daten helfen Apothekern bei der Erfüllung der hohen Anforderung an den Verbraucherschutz, hier ein passendes Zitat dazu von Reinhard Rokitta, Inhaber der Punkt-Apotheke in Bünde und Schatzmeister bei der Freien Apothekerschaft e.V.

Daten per se sind somit auch weder gut noch schlecht. Sie sind Fakten, Tatsachen, die sich auf einen oder mehrere bestimmte Umstände beziehen und diesen, wenn nicht ein Mensch eine Wertung vornimmt, neutral dokumentieren. Und die schiere Menge der Daten, die in den letzten Jahren erhoben und gespeichert wird, wächst aus vielen Gründen exponentiell. Bevor wir uns anschauen, worin dieses exponentielle Anwachsen an Daten begründet liegt und was das dann letztlich für Apotheken bedeutet, sollten wir vorab einen anderen Aspekt der Daten beleuchten.

Warum nämlich werden die personenbezogenen Daten – insbesondere in Deutschland – genauso stark geschützt wie die geheimsten Staatsgeheimnisse?