2021: an Chancen zur Positionierung für Apotheken wird es nicht mangeln

Das Jahr 2021 startete mit einem Paukenschlag. Am 04.01.2021 berichtete um kurz vor Mitternacht das Handelsblatt vom Ende von Haven. Haven, das im Februar 2018 von den Giganten Amazon, Berkshire Hathaway und JP Morgan gegründete Joint Venture, sollte zu einem eigenen Ökosystem in den USA ausgebaut werden. Weltweit wurde Haven mit größter Aufmerksamkeit verfolgt. Der ursprüngliche Plan sah eine eigene Krankenversicherung, einen schnellen Zugang zu Ärzten sowie Arzneimitteln der Eigenmarke von Amazon vor. All das zu sagenhaft günstigen Preisen, wohl um schnell wachsen zu können. Der Ansatz war für die USA, einem Land ohne gesetzliche Krankenversicherung, vielversprechend. Aber der Gesundheitsmarkt war wohl zu komplex und das Projekt, das auch als Blaupause für andere Länder hätte dienen können, wurde nun beerdigt. Man stelle sich nur mal vor, Amazon hätte nicht nur die Informationen über die (Arzneimittel-)Einkäufe der Kunden, sondern auch noch die Arzt-, Krankenhaus- und Pflege-Abrechnungen. All das samt Diagnosen, Therapieverläufen und idealerweise auch noch den sonstigen Lebensgewohnheiten, die sich aus den übrigens Bestellungen der Kunden bei Amazon ja sehr leicht ableiten lassen. Welchen Anreiz hätte ein Kunde, der in diesem System einmal „gefangen“ ist, es überhaupt noch einmal zu verlassen? Die Auswirkungen auf diejenigen Kostenträger und Leistungserbringer die nicht Teil eines solchen geschlossenen Kreislaufs sind, wären enorm gewesen. Aber auch ohne dieses US-Gesundheitsprojekt, von dem wir in Deutschland erst zu einem späteren Zeitpunkt etwas gespürt hätten, steht im neuen Jahr einiges an.

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So ist sicherlich nicht nur mein persönlich höchstes Anliegen, endlich wieder raus aus dem Notfallmodus zurück zu etwas Normalität zu kommen. Apotheken können hierbei an vielen Stellen eine wichtige Rolle einnehmen. So sind die Gesundheitsämter beispielsweise längst überlastet und außer Stande, die Infektionsketten von Covid-19 nachzuverfolgen. Bleibt das so, ist zu befürchten, dass auch wir uns nur weiter von Lockdown zu Lockdown hangeln werden und dabei immer nur auf Sicht agieren. Eine wichtiger Baustein zur Entlastung der Gesundheitsämter sind Kontakttagebücher. Darin sollte eingetragen werden, zu welcher Zeit man sich an welchem Ort befunden hat. Natürlich sind mit Orten nur sog. „Treffpunkte“ gemeint, also Orte, an denen sich andere Menschen befinden, mit denen es zumindest theoretisch zu Infektionen hätte kommen können. Wenn man den Nachmittag alleine auf dem Sofa zu Hause verbracht hat, gehört das hingegen nicht ins Kontakttagebuch. Die Corona-Warn-App, die Ende Dezember 2020 immerhin schon über 24 Millionen Mal heruntergeladen war, ist im letzten Release sogar um eine Kontakttagebuch-Funktion erweitert worden. Allerdings lediglich um eine manuelle, d.h. das jeder Benutzer per Hand am Smartphone eintippen muss, wann er an welchem Treffpunkt war. Besser wäre eine automatische Befüllung dieser Tagebücher an hochfrequentierten Orten, wie zum Beispiel Apotheken, Ämtern oder Supermärkten. Datenschutzkonform geht das mit der Beacon-Technologie, die bereits heute in über 4.000 Apotheken verfügbar ist. Und richtig Sinn ergibt das Beacon-Konzept vor allem dann, wenn eben nicht nur die Apotheken automatisierte Einträge ins Kontakttagebuch machen, sondern alle angrenzenden Geschäfte und Restaurants ebenfalls. Eventuell wäre das sogar ein Weg für letztere, um schneller wieder öffnen zu dürfen? Ganze Einkaufszentren oder Straßenzüge könnten jedenfalls so auf datenschutzkonformem Weg ausgestattet werden und sich dann als „sichere Einkaufsmeile“ bezeichnen. Wer wäre besser geeignet, als die in ihren lokalen Gemeinschaften bestens vernetzten und digital versierten Apotheker, um ihren Kollegen aus dem Einzelhandelsverbund oder dem Gewerbeverein von den Beacons und dem Tagebuch zu erzählen?

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Keine Raketenwissenschaft: die Beacon-Technologie …

Dann stehen für 2021 zwei digitale Neuerungen an, welche die Apotheken massiv betreffen werden: die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept. Benjamin Rohrer, Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung, hat zu diesen (und weiteren) Themen, die dieses Jahr auf der Agenda stehen, eine hervorragende Zusammenfassung geschrieben, auf die ich hier zur Vertiefung verweisen möchte. Klar ist, dass immer mehr digitale Lösungen auf dem Smartphone der Patienten entstehen. Neben der ePA und dem E-Rezept ist hier vor allem an die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), die „Apps auf Rezept,“ zu denken, von denen immer mehr die Zulassung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erhalten. Folgende unmittelbaren Auswirkungen auf die Apotheke lassen sich dadurch bereits jetzt antizipieren:

  1. Die Patienten erhalten mehr Macht. Je mehr Informationen sich in Apps oder auf dem Smartphone befinden, um so fundierter sind Kunden und Patienten in der Lage, ihre (Kauf-)Entscheidung zu treffen. Ob sie das dann auch tun, steht auf einem anderen Blatt. Aber für Apotheken ist es daher immens wichtig, ihre Kunden systematisch zu erfassen und sie zielgerichtet zu beraten. Ein Beispiel: nur wer den Kunden namentlich kennt und weiß, für welchen Zeitraum er mit welchem Arzneimittel noch bevorratet ist, kann ihn auch rechtzeitig an das Folge-E-Rezept erinnern. Und nur durch das systematische Erfassen von Daten zur Folgeverordnungen kann man letztlich auch in Richtung Politik nachweisen, dass durch diese pharmazeutische Leistung die Therapietreue der Patienten zu- und die Drop-Out-Rate abnimmt. Genau diese Art von Argumenten ist bei Politikern vom Schlage eines Jens Spahn enorm wichtig, da sie die Versorgungsqualität schwarz auf weiß belegen.
  2. Die Daten wandern in die Cloud. ePA, E-Rezept und DiGA, all das geschieht nicht mehr lokal, sondern auf sicheren Servern – in der Cloud. Natürlich werden alle Apotheken die E-Rezepte vom gematik-Server abrufen können. Aber was ist mit weiterführenden Informationen? Kunden, die sich über ihre Allergien nicht sicher sind (Amoxicillin oder Amitryptilin?) und dies in der ePA nachsehen wollen, haben ein Problem, wenn sie in der Apotheke nicht ins Internet kommen. Apotheken sollten ihren Kunden daher auf jeden Fall kostenloses WLAN in der Apotheke anbieten, dies auch aktiv promoten – und auch sicherstellen, dass stets genügend Bandbreite zur Verfügung steht. Nur dann erschließen sich auch künftig den Kunden, die dies nutzen wollen, alle Services der digitalen Welt.
  3. Die Services wandern ebenfalls in die Cloud. Telemedizin und Telepharmazie wurden durch die Corona-Pandemie massentauglich und werden sich dauerhaft etablieren. Schon heute gibt es in der Schweiz die MiniClinic von Medgate – telemedizinische WalkIn Konsultationen in der Apotheke, die direkt mit der Krankenversicherung abgerechnet werden. Während der Arzt die Konsultation durchführt, kann die Apotheke mit Labortests wie Blutdruck, Blutzucker, o.ä. unterstützen. Falls Arzneimittel notwendig sind, können diese direkt mitgenommen werden. Auch an diesem Beispiel zeigt sich, wie wichtig schnelles Internet für die Zukunftsfähigkeit der Apotheke ist.
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Wichtigster Baustein für die Apotheke: schnelles Internet für die Kunden

Und auch wenn die Plattform von Amazon, Berkshire Hathaway und JP Morgan ad acta gelegt wurde, zumindest Amazon wird nicht locker lassen, was den Einstieg in den lukrativen Pharmamarkt betrifft. Positionieren können sich die Apotheken hier mit Leistungen, die Amazon niemals erbringen können wird. So wie aktuell beispielsweise durch den Betrieb von Corona-Schnelltestzentren. Dr. Björn Schittenhelm, Apotheker aus Holzgerlingen, ist letztes Jahr darauf gestossen, dass Gesundheitsämter Dritte damit beauftragen können, Testzentren zu betreiben. Die Kosten können direkt mit der Krankenkasse abgerechnet werden. Damit seine Kollegen mit dem Betrieb nicht den selben Initialaufwand haben wie er selbst, kann man das Testzentrum als Komplettlösung bei Dr. Schittenhelm bestellen. Interessant hierbei ist auch die komplett digitale Prozesskette: so muss der Getestete nicht im Zentrum auf das Ergebnis warten, sondern bekommt dieses datenschutzkonform über die App DoctorBox digital übermittelt. Für den Fall, dass das Ergebnis positiv sein sollte, ist der Patient im besten Fall dann schon wieder zu Hause und riskiert somit nicht, weitere Menschen anzustecken

Und dann ist da ja auch noch der Impfstoff, für viele das lang ersehnte Licht am Ende des Tunnels – auch wenn ich persönlich befürchte, dass der Tunnel noch ziemlich lang sein könnte. Aber auch hier gibt es Zahlen, die einen nachdenklich stimmen: so wollen sich laut – nichtrepräsentativen – Umfragen nur 50% des Klinik- und Pflegepersonals impfen lassen. Diese Meinungen basieren offensichtlich aber nicht auf fundierter Recherche, sonden auf Informationen, die eher in sozialen Medien kursieren und häufig auch als Fake News bezeichnet werden dürfen. Apotheker stehen meist in engem Kontakt mit den Pflegeeinrichtungen und den Ärzten vor Ort. Die gezielte Information derjenigen Menschen, die durch ihren Beruf weit vorne in den Infektionsketten stehen und somit auch am meisten zu einer Entspannung beitragen können, hat höchste Priorität. Mit wissenschaftlichen, faktenbasierten Erklärungen auf einem sprachlichen Niveau, das verständlich und nachvollziehbar ist. Nur so können Bedenken genommen und die Impfbereitschaft gesteigert werden. Auch hier kann sich die Apotheke positionieren und auf die Ängste und Bedenken derjenigen Menschen eingehen, die seit über neun Monaten mehr als alle anderen mit den Auswirkungen von Corona konfrontiert sind.

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Ein Jahr voller Veränderungen ist angebrochen. Ich wünsche uns allen, dass wir sie gemeinsam als Chancen gestalten!