Wenn ein Elefant im Raum steht …

Nicht jedes Projekt ist von Erfolg gekrönt.. Dennoch müssen Unternehmen, wozu auch Apotheken gehören, immer wieder in Projekte investieren, um mit dem steten Wandel Schritt halten zu können. Egal, ob die Warenwirtschaft gewechselt wird oder ein Kommissionierautomat angeschafft wird, immer geht es dabei um hohe Summen. Umso wichtiger ist es, dass alle Beteiligten einen unvoreingenommenen und klaren Blick auf die Projektziele haben. Denn viele Projekte klingen zunächst sehr gut und plausibel. Aber gelegentlich erkennt man, dass ein elementarer Baustein fehlt. Wenn man dann in die Gesichter der anderen Anwesenden schaut, meint man häufig zu sehen, dass auch ihnen das aufgefallen sein müsste. Nur: niemand spricht es an.

Oder, um ein anderes Bild zu verwenden: es ist, als stünde ein Elefant im Raum, obwohl er überhaupt nicht dort hinein gehört. Nur: niemand spricht es an.

Vom „elephant in the room“ spricht man im englischen Sprachgebrauch gerne als Metapher für offensichtliche Probleme, die nicht thematisiert werden. In meiner beruflichen Vergangenheit habe ich nicht nur mitbekommen, wie andere den Elefanten nicht angesprochen haben. Auch selbst habe ich schon gelegentlich vorgezogen, einfach mal gepflegt die Klappe zu halten. Aber, Hand aufs Herz: wer nicht?

Es gibt dabei jedoch genügend Berufe, in denen es dramatische Konsequenzen haben kann, wenn offensichtliche Probleme von den Teams nicht klar und transparent angesprochen werden. Die naheliegendsten Beispiele hierfür sind sicherlich Crews im Flugzeug oder Herz-OP-Teams. Auch in unserem täglichen Business im Gesundheitswesen kann es massive Auswirkungen haben, wenn wir versuchen, den Elefanten einfach totzuschweigen.

Natürlich tun sich viele Menschen schwer damit, klar erkennbare Fehlentwicklungen oder -leistungen offen anzusprechen. Konstruktiv Kritik zu üben bedarf einiges an Fingerspitzengefühl, Kommunikationsfähigkeit und Mut. Menschen haben Angst vor Nachteilen für sich selbst, wenn sie befürchten, mit der Kritik eine Grenze zu überschreiten, die zu negativen Konsequenzen führt. Oder vielleicht auch Bedenken, sie könnten ihr Gegenüber verletzen. Und schließlich kann auch der Gruppenzwang das Schweigen verstärken: na ja, wenn die anderen das Problem nicht ansprechen, dann wird es schon nicht so schlimm sein.

Tatsächlich gibt es nur einen richtigen Weg, mit dem Elefanten im Raum umzugehen: er sollte offen, sachlich und wertschätzend angesprochen werden. Nur so erkennen die anderen Anwesenden, die vielleicht auch noch zögern, dass sie sich den Elefanten nicht nur einbilden. Es können sich Allianzen bilden, innerhalb derer denn auf Lösungspfade eingeschwenkt werden kann. Deswegen ist es wichtig, niemals jemanden persönlich anzugreifen und jede Äußerung als persönliche Meinungsäußerung zu formulieren. Das nimmt jeglicher Aggression den Wind aus den Segeln, bevor sie aufkommt. In jedem Unternehmen sollte das Ziel sein, ein Klima der Sicherheit zu schaffen. Jeder im Team muss wissen, dass kein Nachteil droht. Dass Kritik grundsätzlich nicht persönlich genommen wird. Dass jeder ermutigt wird, seine Meinung frei zu äußern und zur Lösung von Problemen beizutragen, bevor die Investitionssumme abgeschrieben werden muss.

In meiner beruflichen Vergangenheit musste ich auch erst lernen, den Mut aufzubringen, um den Elefanten im Raum anzusprechen. Später dann, als ich Führungsverantwortung hatte, habe ich meine Mitarbeitenden immer ermutigt, Kritik zu üben – idealer Weise sachlich und gerne auch gleich mit einem Lösungsvorschlag verknüpft. Zwar konnte ich nicht immer auf jede Kritik so reagieren, wie es sich mein Gegenüber gewünscht hätte. Aber zumindest das Zuhören und sich dafür zu bedanken gehört in meinen Augen zum kleinen Einmaleins der Führung. Auch Apothekenleiter sind als Führungskräfte für die Kultur verantwortlich, die sie in ihren Betrieben erschaffen.

Nicht nur Apotheken, nein, das komplette Gesundheitswesen steht vor einem großen Wandel. Dieser wird seit Jahren proklamiert, aber im Jahr 2023 wird er zunehmend spürbar. Dynamik und Komplexität werden weiterhin ansteigen, Fachkräftemangel und Lieferengpässe hingegen nicht von heute auf morgen verschwinden. Umso wichtiger wird es sein, psychologische Sicherheit für sich selbst und die Teams zu schaffen. Wer einen Elefant im Raum wahrnimmt, muss ihn ansprechen, bevor es zu spät ist. Diese Kultur muss Einzug halten ins Gesundheitssystem, allen Hierarchien zum Trotz. Denn im Raum des Gesundheitswesens befinden sich noch etliche Elefanten …