Was von Covid übrig bleibt

Kürzlich war ich mit der Familie auf einem Konzert, Mark Forster spielte auf dem Betzenberg in Kaiserlautern. Wegen der Covid-19-Pandemie war dieses Konzert insgesamt viermal verschoben worden, umso größer war die Vorfreude bei uns allen. Während sich die Kinder schon auf der Tribüne befanden, um den Vorbands zuzuhören, stellten meine Frau und ich uns im Innenraum des Stadions in eine lange Warteschlange, um Essen und Trinken zu besorgen. Hinter mir stand ein Mann, vielleicht ein paar Jahre jünger als ich, und er hustete uns ohne Unterlass in den Nacken. Meine Frau fand das total eklig, sie wollte sich nicht mit Covid anstecken. „Wie retro von Dir,“ sagte ich. Und legte dann nach: „Das ist doch schon vorbei!

Apotheke Digitalisierung Nachhaltigkeit Coronavirus Covid Pandemie Mark Forster Konzert Betzenberg Kaiserslautern

Aber eigentlich müsste ich es besser wissen. Seit den Anfängen habe ich regelmäßig über Covid geschrieben. Durch meine vielen Kontakte in die Apothekenwelt, weiß ich auch ganz gut darüber Bescheid, mit welchen Beschwerden die Menschen nach wie vor in der Offizin stehen. Denn so richtig aufgearbeitet ist Corona noch nicht. Weder bei mir persönlich, noch in unserer Gesellschaft insgesamt.

Noch immer gibt es viele unbeantwortete Fragen zu Covid-19. Wir wissen immer noch nicht, woher genau diese spezielle Mutation des Coronavirus stammt. Es wird allgemein angenommen, dass es auf einem Markt in Wuhan, China, von einem tierischen Wirt auf den Menschen übergesprungen ist. Eventuell sogar begünstigt durch den Klimawandel. Andere wiederum behaupten, dass das Virus in einem Labor gezüchtet und dort ausgetreten sein könnte. Widerlegen lässt sich bislang keine der beiden Theorien eindeutig.

Apotheke Digitalisierung Nachhaltigkeit Coronavirus Covid Pandemie Wuhan Labor Klimawandel

Gesichert wissen wir, dass sich Covid-19 im Jahr 2020 weltweit verbreitet hat. Am 7. Januar desselben Jahres berichtete CNN von einer mysteriösen Häufung von lungenentzündungsähnlichen Erkrankungen. SARS und MERS konnten als Ursache direkt ausgeschlossen werden und schnell wurde klar, dass ein neuartiges Coronavirus ausgebrochen war. Der erste Todesfall wurde bereits wenige Tage später gemeldet. Seitdem sind fast 7 Millionen weitere Todesfälle bestätigt worden, was in etwa der Einwohnerzahl Bagdads entspricht. Ob die tatsächliche Zahl höher oder niedriger ist, wird schwer zu ermitteln sein. Auch die mittelbaren Gesundheitsbeeinträchtigungen, beispielsweise wegen ausgebliebender Vorsorgeuntersuchungen während des Lockdowns und danach, können nur schwer abgegrenzt werden – sind aber ebenfalls Folge der Pandemie.

Lockdowns, Social Distancing und Gesichtsmasken trugen dazu bei, die Ausbreitung von Covid einzudämmen. Aber das Virus ließ sich nicht aufhalten. Selbst die „Zero-Covid“ Politik einer Länder, mit der das Virus komplett aus dem Land ferngehalten werden sollte, hielt die Ausbreitung nicht auf. Bis heute gibt es nahezu 700 Millionen bestätigte Fälle.

Apotheke Digitalisierung Nachhaltigkeit Coronavirus Covid Pandemie

Zeitgleich mit der Einführung der Impfstoffe gelang es schließlich, das Virus einigermaßen unter Kontrolle zu bringen. Bis zum 13. Juli 2023 wurden weltweit über 13,4 Milliarden Impfstoffdosen verabreicht. Aber: ebenfalls am 13. Juli meldete die WHO immer noch 191.922 neue Fälle von Covid-19 in den letzten sieben Tagen. Es infizieren sich also nach wie vor Menschen. Der Rückgang gegenüber dem 11. Juli 2022 immerhin ist signifikant, vor einem Jahr lag die Anzahl mit 638.804 neuen Fällen in der Woche noch dreimal so hoch.

Allerdings könnte der Rückgang der Infektionszahlen daran liegen, dass weniger getestet wird. Nirgendwo auf der Welt gibt es noch kostenfreie Schnäppchen-Tests. Wer geimpft ist, kann sich zwar immer noch anstecken, aber hey, die Symptome werden wohl nicht so schlimm sein, oder? Das führt zu einer neuen/alten „Was soll’s?“-Mentalität. Wenn wir dann noch das Fehlen von Gratistests berücksichtigen, ist es logisch, dass sich immer weniger Leute sich auf Covid-19 testen lassen, wenn sie sich krank fühlen. Die Dunkelziffer an Menschen, die Corona-positiv sind, dürfte jedenfalls sehr hoch sein.

Apotheke Digitalisierung Nachhaltigkeit Coronavirus Covid Pandemie Test

Wie vermutlich die meisten, die das lesen, haben auch wir zu Hause noch irgendwo alte Coronatests herumliegen. Die meisten davon sind bestimmt längst abgelaufen und nicht mehr zuverlässig. Also einfach weg damit? Wenngleich: auch ältere, noch nicht abgelaufene Tests scheinen nach wie vor auch auf neue Varianten des Virus anzusprechen, obwohl wir gar nicht wissen können, wie sich zukünftige Varianten entwickeln könnten. Allerdings waren die Selbsttests noch nie zu 100 % genau – und sind es demnach auch jetzt nicht, abgelaufen oder nicht. Und wenn ich aktuell eines nicht vermisse, dann das mehrmalige Popeln in der Nase pro Woche. Unsere Kinder mussten das teilweise sogar täglich vor der Schule tun.

Im Mai hat die WHO erklärt, dass Covid kein internationaler Gesundheitsnotfall mehr ist. Das klingt erst mal gut, oder? Zumindest bis man feststellt, dass es nur deswegen kein Notfall ist, weil es sich inzwischen bei Covid um ein „etabliertes und anhaltendes Gesundheitsproblem“ handelt. Oh, übrigens, eine Pandemie ist es ebenfalls nach wie vor. Auch können die Fallzahlen immer noch sprunghaft ansteigen, wie letzten Winter, als die WHO in der Woche vom 19. Dezember 2022 über 44 Millionen Fälle verzeichnete. Und obwohl die Anzahl der Todesfälle nach wir vor (um zwei bis drei Wochen zeitversetzt) mit den Infektionszahlen korreliert, gibt es zum Glück insgesamt weniger Tote. Dennoch sind laut WHO in der Woche vom 3. Juli 2023 insgesamt 1.393 Menschen an Covid verstorben. Im Januar dieses Jahres lag die Zahl der Todesfälle mit wöchentlich 20.000 bis 40.000 noch deutlich höher. Auch dabei handelt es sich nur um die registrierten Todesfälle – wer weiß, wo sie wirklich liegt, nachdem weniger getestet wird.

Apotheke Digitalisierung Nachhaltigkeit Coronavirus Covid Pandemie Tod Todesfälle Sterben

Mir persönlich macht Corona keine allzu große Angst mehr. Es ist kein Vergleich zu den ersten Tagen der Pandemie, als ich mich von der Nachrichtenflut schlicht erschlagen fühlte. Inzwischen bin ich geimpft, geboostert und habe (mindestens) zwei Covid-Infektionen gut überstanden. Was mich nervt, ist dass Corona unsere Gesellschaft gespalten hat – selbst in meinem privaten Umfeld. Egal, ob es ganz grundsätzlich um die von Covid ausgehende Gefahr ging, um die Sinnhaftigkeit der Masken oder den Nutzen der Impfung. Stets bildeten sich zwei Lager. Wer Corona für weniger schlimm als eine Grippe hielt und hält, für den sind folgerichtig auch die Masken und Lockdowns nur eine Gängelei. Die Impfung wiederum war entweder lebensrettend oder wahlweise eine Gelddruckmaschine für die Pharmamafia bis hin zu lebensgefährdend für alle Impflinge. Was es selten bis nie gab, war eine gemeinsame, vereinende Sicht auf die Dinge. Als ob es seit der Covid-19-Pandemie zwei Realitäten auf der Erde gäbe. Mir selbst gelingt es häufig nur mit viel Geduld, den Fokus auf das Verbindende zu lenken. Und manche Themen spreche ich schon gar nicht mehr an, um Freundschaften nicht zu ruinieren. Und egal, wie man zu Covid steht – dass bestimmte Themen einfach ausgeklammert werden, kennt vermutlich jede(r).

Dabei ist der eigentliche Elefant im Raum doch Long Covid – ein Thema, über das viel diskutiert wird und bei dem die Forschung noch ganz am Anfang steht. Diese Krankheit verursacht bei einer unbekannten, aber erheblichen Anzahl von Menschen anhaltende Schmerzen und Leiden, teilweise noch viele Monate lang nach überstandener Infektion.

Was meine noch nicht abgelaufenen Selbsttests betrifft – die werde ich doch lieber erst einmal behalten.