Meine Tipps gegen Videokonferenz-Erschöpfung

Gerüchten zufolge ist „Du musst Deine Stummschaltung noch aufheben“ der am meisten verwendete Satz in der Corona-Pandemie. Tatsächlich haben die Lockdowns und das Homeoffice nicht nur meinen Arbeitsalltag durch den drastischen Anstieg an Videokonferenzen deutlich verändert. Ich persönlich empfinde das Homeoffice insgesamt übrigens nicht nur negativ, denn jeden Tag mit meiner Familie zu Mittag zu essen war mir in meinem bisherigen Berufsleben nicht vergönnt. Jetzt ist es Teil meines neuen Alltags. Und auch der Austausch mit Kollegen und Kunden funktioniert dank Videokonferenzen grundsätzlich sehr gut. Allerdings haben vor allem letztere eine spürbare Schattenseite: abends fühle ich mich häufig richtig erschöpft. Außerdem lässt meine Konzentration häufig schon am Nachmittag nach, wenn ich den ganzen Vormittag über in Videokonferenzen war.

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Der Fachbegriff für dieses Phänomen lautet Videokonferenz-Erschöpfung, wobei mir der englische Begriff „Zoom Fatigue“ fast noch besser gefällt. Fairer Weise muss ich aber ergänzen, dass mir Zoom als Tool für Videkonferenzen bis jetzt am besten gefällt, von allem die ich seit Mitte März 2020 testen durfte. Und das waren einige … Tatsächlich handelt sich dabei nicht um eine Ermüdung, sondern um eine veritable Erschöpfung. Während sich eine Ermüdung vor allem durch das gefühlte Bedürfnis nach Schlaf als Zustand zunehmenden Schlafmangels, körperlicher Anstrengung oder als Folge einer Krankheit äußert, so geht die Erschöpfung häufig zusätzlich noch einher mit Gereiztheit, Schwächegefühl und Unkonzentriertheit. Sie gilt auch als mitursächlich für Begleiterkrankungen wie Depressionen.

Aber woher kommt eigentlich diese Erschöpfung? Videoanrufe und -konferenzen sind doch letztlich nichts weiter als das digitale Pendant zu Tätigkeiten, die wir vor Corona im nicht-virtuellen Austausch tagtäglich praktiziert haben. Egal, ob es sich um einen Vortrag vor hundert Zuhörern handelt, der dann eben auf Zoom abgehalten wird oder um die pharmazeutische Beratung, die nun eben auch vermehrt durch Telepharmazie durchgeführt wird. Letztlich tun wir doch nur das, was wir davor auch schon getan haben. Nur halt anders. Und irgendwas macht diese virtuellen Interaktionen belastender für unser Gehirn als die analogen Gespräche und Konferenzen.

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Image by mohamed Hassan from Pixabay

Die Gründe dafür sind naheliegend. So ist unser Gehirn ist darauf konditioniert, Gesprächspartner auf nonverbale Kommunikation zu scannen. Mit Ausnahme einer teilweise reduizierten Mimik fehlt diese bei Videokonferenzen weitgehend. Das Gehirn erhält also keine Rückmeldung, kein Feedback für seine Suche. Der Blick in die Runde ist, sofern die Gesprächspartner ihre Kamera eingeschalten haben, zwar möglich. Aber nicht immer sind nonverbale Signale zu erkennen oder erfolgen aufgrund von Bandbreitenschwankungen zeitversetzt. Runzelt man selbst die Stirn, hebt die Augenbrauen oder macht man eine geistreiche Bemerkung, bleibt häufig die erwartete Reaktion aus. Das irritiert selbst dann, wenn man vorher seine Gesprächspartner gebeten hat, ihre Mikrofone stumm zu schalten. Statt dessen muss man selbst deutlich mehr Aufmerksamkeit auf die eigene Sprache, auf Lautstärke, Modulation der Stimme und vor allem auf die Wortwahl legen. Das ist anstrengend und geht zu Lasten der Interaktion mit den Teilnehmern. Dazu kommen noch die Chatfunktionen der Programme, die nebenbei für Ablenkung sorgen, eingefrorene Bilder oder schlechte Videoqualität und, ja, tatsächlich, unbeabsichtigte Stummschaltungen, auf die man die sprechenden Personen erst noch hinweisen muss.

Unangenehm ist diese Erschöpfung, wenn man selbst an Diskussionen teilnehmen muss oder einen VortragUnangenehm ist diese Erschöpfung, wenn man selbst an Diskussionen teilnehmen muss oder einen Vortrag hält. Gefährlich wird die Erschöpfung aber dann, wenn man als Arzt per Telemedizin bzw. als Apotheker per Telepharmazie berät. Unkonzentriertheit kann hier ganz üble Folgen haben. Deswegen sollten Erschöpfungssymptome so gut es geht vermieden werden. Nach einem Jahr Homeoffice und Videokonferenzen daher nun einige Tipps von mir, die sich inzwischen bewährt haben und fester Bestandteil meines „neuen Normals“ sind:

  1. Genügend trinken. Da wir bei Videkonferenzen (und auch bei Telemedizin und Telepharmazie) unsere Stimme deutlich mehr einsetzen als in nicht-virtuellen Gesprächen, wird sie auch mehr strapaziert. Deswegen steht auf meinem Arbeitstisch immer eine Ein-Liter-Karaffe mit Leitungswasser. Nicht zu kalt, nicht zu warm, sondern so, dass es angenehm zu trinken ist. Diese wird in der Mittagspause aufgefüllt, gelegentlich am Nachmittag noch ein drittes Mal. Trinken Sie genug!
  2. Pausen einplanen. Das ergibt sich eigentlich schon aus Punkt 1. Aber nicht nur für den Toilettengang sind Pausen wichtig. Auch, um Besprochenes zu Dokumentieren oder Nachzuarbeiten braucht es zwischendurch Zeitfenster ohne Videokonferenzen. Bewährt hat sich bei mir ein Mittagessen mit der Familie (meist 45 Minuten) und ein kurzer Spaziergang mit dem Hund am fortgeschrittenen Nachmittag. Nach solchen Unterbrechungen geht es meist mit frischem Elan weiter. Nur: würde ich diese Pausen nicht in meinem Kalender als private Termine hinterlegen, wären sie schnell verplant, da andere dann sehen würden, dass ich da verfügbar bin. Tragen Sie sich die Pausen also auch in den Kalender ein, um sie auch ganz sicher zu reservieren!
  3. Ergonomischer Arbeitsplatz. Dazu gehört nicht nur ein bequemer Sessel, sondern auch ein möglichst großer Monitor, eine ausreichend breite Tastatur und eine gute Beleuchtung. All das trägt dazu bei, die Ermüdungssymptome zu reduzieren.
  4. Keine virtuellen Hintergründe. Die meisten Videokonferenz-Tools bieten virtuelle Hintergründe an. Dann sieht man sich selbst am Strand, in den Bergen oder auf dem Mars. Das ist zwar lustig und lockert beim ersten Mal die Atmosphäre auch auf. Aber spätestens wenn sich zum ersten Mal ein bis dahin unsichtbarer Zuhörer aus dem virtuellen Hintergrund in den Vordergrund schält, ist eher befremdlich und nicht mehr lustig. Im Bereich von Telemedizin und Telepharmazie könnte darin sogar ein Verstoß gegen die Berufsverschwiegenheit liegen. Ein guter „echter“ Hintergrund für Videokonferenzen ist hell, einfarbig und enthält ansonsten möglichst wenige Ablenkungen wie Familienfotos oder prall gefüllte Bücherregale.
  5. Ablenkungen ausblenden. Mir persönlich gelingt das mit einem guten Kopfhörer, frontalem Lichteinfall durchs Dachfenster und einer Tür, die ich bei wichtigen Meetings schließe. Mein Kopfhörer ist ein sog. „In-Ear-Modell,“ d.h. ich stecke ihn mir in beide Ohren. Das Mikrofon hängt dann an einem der beiden Kabel. So werden einerseits Umgebungsgeräusche für mich reduziert, anderseits wird das Gespräch der Videokonferenz direkt in meinen Gehörgang projeziert. Das Licht sorgt dafür, dass ich für andere gut zu sehen bin. Und die geschlossene Tür signalisiert meiner Familie, dass ich jetzt gerne ungestört wäre, woran sich meistens auch gut gehalten wird. Und auch der vorhin erwähnte Chat sollte so lange nicht beachtet werden, wie man selbst spricht. Wenn man zu Beginn der Videokonferenz ankündigt, dass man auf Nachrichten im Chat erst im Anschluss eingehen wird, so hat man alle Teilnehmer dazu gleich abgeholt.
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Tipps wie diese werden vermutlich in einigen Jahren eine Selbstverständlichkeit sein und keiner gesonderten Erwähnung mehr bedürfen. Nach einem Jahr Homeoffice hoffe ich aber, dem ein oder anderen Leser damit Unterstützung an die Hand geben zu können, um der Erschöpfung, ja, dem Stress durch Videokonferenzen so ein wenig entgegentreten zu können.