Beratung aus der Ferne – Telepharmazie verbindet Apotheken und Kunden

Die Technologie hinter der Telepharmazie ist alles andere als neu. Bemerkenswert ist vielmehr, wie sie sich in den letzten Monaten verbreiten und etablieren konnte. Die Rede ist von der Videotelefonie, und offenbar brauchte es erst einen Katalysator – die Corona-Krise – damit sie massentauglich werden konnten. Umso wichtiger ist es, dass man als Apotheke ein entsprechendes Angebot schafft. Denn telemedizinische sowie telepharmazeutische Dienstleistungen werden aus dem Versorgungsalltag bald nicht mehr wegzudenken sein.

Apotheke Digitalisierung Telepharmazie Telemedizin

Vor ziemlich genau einem Jahr und einem Monat kam die Corona-Pandemie in Deutschland an. Am 27. Januar 2020 kam der erste positive Coronafall, ein 33-jähriger Mitarbeiter der Firma Webasto, ins Münchner Tropeninstitut. Die Welt hat sich seitdem für uns alle verändert – sowohl beruflich als auch privat. Viele verbringen ihre Arbeitstage überwiegend im Homeoffice. Durch die Lockdown-Phasen wird man gezwungen, sich vor allem von zu Hause aus zu versorgen und zu organisieren. Das betrifft zum Teil lebenswichtige Konsumgüter und zunehmend auch die Frage, wie über die Distanz mit Ärzten und Apothekern in Kontakt getreten werden kann.

Um die Versorgung der Bevölkerung nicht zu gefährden geht es seit der Pandemie auch darum, wie Menschen, die in Heil- und Pflegeberufen arbeiten, vor einer Ansteckung effizient geschützt werden können, ohne die Versorgungsqualität einzuschränken. Telemedizinische und die telepharmazeutische Angebote sind hierbei ein wichtiges Mittel.

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Mit der „Krankschreibung ohne Arztbesuch“ gab es schnell und unkompliziert einen ersten Anwendungsfall, der seit März 2020 nicht mehr wegzudenken ist. Denn war nicht spätestens seitdem jeder Patient froh, wenn er sich nicht (wie früher) neben jemanden mit triefender Nase im überfüllten Wartezimmer des Allgemeinarztes setzen musste?

Aber die Telemedizin könnte die Versorgung künftig auch in vielen weiteren Bereichen fördern. So denke man beispielsweise nur an chronisch Kranke, die ein Folgerezept benötigen. Für sie war schon immer der Weg zum Arzt – nur, um ein Stück Papier zu holen – die größte Hürde und letztlich sogar schlecht für die Adhärenz. Seit dem Ausbruch der Pandemie werden vermehrt Anbieter wie Kry, TeleClinic oder Zava sogar von manchen Krankenkassen aktiv beworben, um sie aus der Nische in den Mainstream zu holen. Auch bei E-Rezept-Pilotprojekten, wie GERDA in Baden-Württemberg, wurde das elektronische Rezept zu Beginn ausschließlich telemedizinisch angefordert und ausgestellt. Seitdem landen übrigens auch messbar mehr telemedizinisch ausgestellte Rezepte in den Apotheken vor Ort. Ist Telemedizin also gekommen, um zu bleiben? Laut Schätzungen der Kassenärztlichen Bundesvereinbarung (KBV) nutzten im April 2020 bereits rund 25.000 Arztpraxen die Videosprechstunde. Das entspricht etwa einem Viertel aller Praxen. Noch bis Ende Februar 2020 hätten laut KBV lediglich 1.700 Praxen Videosprechstunden angeboten. Somit gibt es hier einen Anstieg von rund 1.370 Prozent innerhalb von wenigen Wochen. Es ist schwer vorstellbar, dass dieses Angebot wieder komplett verschwinden soll. Bis April 2020 durften Ärzte und Psychotherapeuten übrigens maximal zwanzig Prozent ihrer Behandlungen als Videosprechstunde abrechnen – diese Deckelung ist seitdem zeitweise entfallen.

Auch Apothekerinnen und Apotheker sowie deren Kunden müssen sich dem Coronavirus bekanntlich nicht schutzlos aussetzen. Zu einem Hygienekonzept in der Apotheke gehören diverse bauliche, organisatorische und technische Maßnahmen. Baulich sei an die Plexiglasscheiben am HV erinnert, organisatorisch an rotierende Teams. Diese Maßnahmen sollen letztlich das Infektionsrisiko vor Ort reduzieren. Mit Hilfe von technischen Maßnahmen könnte darüber hinaus die Kundenfrequenz reduziert werden, ohne dass dies zulasten des Unternehmens Apotheke gehen muss.

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Das einfachste Beispiel hierfür sind Vorbestell-Lösungen wie Click & Collect (Abholung in der Apotheke) bzw. Click & Delivery (Lieferung durch den Botendienst der Apotheke). Dabei fällt natürlich auch immer wieder Beratungsbedarf an, dem man zuvor in der Offizin bestens hätte begegnen können. Was liegt hier näher, als seinen Kunden eine Videosprechstunde anzubieten, in denen diese ihre Apothekerin oder ihren Apotheker alles rund ums Arzneimittel fragen können? Die Beratung und Betreuung von Patienten über die Ferne sind dabei kein Problem. Mit der Kamera sieht man die Mimik des Patienten und merkt schnell, wie aufmerksam er gerade ist. Gemäß § 17 Abs.2 Satz 2 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) darf die für den Botendienst erforderliche Beratung seit 2019 ausdrücklich auch per Telekommunikation erfolgen. Der rechtliche Rahmen steht also. Bevor man sich aber ins Zeug legt und telepharmazeutische Videosprechstunden per WhatsApp Chats anbietet, sollten die folgenden Rahmenbedingungen unbedingt berücksichtigt werden:

  • Schweigepflicht. Apotheker gehören zu den Berufsgruppen, denen § 203 Absatz 1 des Strafgesetzbuches eine besondere Schweigepflicht auferlegt. Gerade bei Anwendungen wie WhatsApp oder Zoom, deren Server außerhalb der EU gehostet werden, gelten im Zweifel auch andere – geringere – Anforderungen an die Verschwiegenheit. Nicht auszudenken, wenn bei Gesprächen zwischen Apotheker und Patient jemand mithören oder das Gespräch zu Wartungszwecken der Software aufzeichnen würde. Das Thema Schweigepflicht hat jedoch nicht nur diese technische Komponente, sondern auch eine organisatorische: wer telepharmazeutisch berät, hat sicherzustellen, dass auch keine unbefugten Dritte wie Familienmitglieder die Vertraulichkeit des Gesprächs verletzen. In Zeiten von Homeschooling wäre dieser Tatbestand schon erfüllt, wenn ein Kind mithören kann.
  • Datenschutz. Anders als bei der Schweigepflicht, in der es um den Inhalt des Gesprächs geht, schützt der Datenschutz alle Arten von personenbezogenen Daten. Dazu gehören u.a. der Name des Kunden, der sich telepharmazeutisch beraten lässt, als auch die IP-Adresse seiner Geräte. Ohne diese Informationen funktioniert eine Fernberatung nicht, weswegen die eingesetzten Tools stets vorab das Einverständnis des Patienten mit der Erhebung eben dieser personenbezogenen Daten abfragen müssen.
  • Internet. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – aber die Bandbreite muss groß genug sein, um eine störungsfreie Übertragung von Bild und Ton zu ermöglichen. Je nach Region in Deutschland kann genau dies der Knackpunkt sein, an dem die Telepharmazie scheitert. Wenn die Verbindung während des Gesprächs stockt oder gar abbricht, ist das Frustpotential auf beiden Seiten sehr hoch. Eine solche Belastung des Verhältnisses zwischen Pharmazeuten und Kunden sollte unbedingt vermieden werden.
  • Bild und Ton. Selbst wenn alle rechtlichen und technischen Hindernisse beseitigt werden können, so eignet sich nicht jeder Raum für die Telepharmazie. Eine gute Akustik ist wichtig, damit der Patient das Gesagte auch gut versteht. Zu kleine Räume mit viel Hall sind daher ungeeignet. Auch der Bildhintergrund sollte aufgeräumt und möglichst einfarbig sein, da es sonst für den Kunden am anderen Ende zu viele Ablenkungen gibt.
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Während Corona liegt der Nutzen von Telepharmazie für die Apothekeninhaber darin, den Kunden ein Angebot zu schaffen, damit sie pharmazeutische Dienste in Anspruch nehmen können, ohne sich einem Infektionsrisiko auszusetzen oder gar bei bestehender Covid-19-Erkrankung zu Hause bleiben zu können. Telepharmazie ist in der Lage, die Kundenfrequenz in der Offizin zu reduzieren und gleichzeitig die Kunden, zum Beispiel über den Botendienst, weiter bedienen zu können. Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, wieso Apotheken schon jetzt verstärkt auf Telepharmazie setzen sollten und am besten dafür auch noch kräftig die Werbetrommel rühren sollten. Das E-Rezept steht nämlich vor der Tür. Mit jedem digitalen Anwendungsfall, den die Kunden schon heute mit ihrer Stammapotheke vor Ort gedanklich verbinden, wird eine Konditionierung geschaffen, die dann hoffentlich auch bei künftigen Anwendungsfällen greift. Konkret: wenn ich als Patient heute eine Frage zu meinem OTC-Präparat per Telepharmazie an meinen Apotheker stellen kann, dann werde ich das auch morgen bei Fragen zu meinem E-Rezept tun. Genau wie die Pilotprojekte zum E-Rezept und die Werbung hierfür kann auch die Telepharmazie schon jetzt für Gewohnheit beim Patienten sorgen. Und es ist durchaus vorstellbar, dass auch bei den derzeit entstehenden Gesundheitsplattformen die Telepharmazie künftig mehr als nur eine kleine Rolle spielen wird.

Umso besser also, wenn sich in Apotheken hiermit intensiv auseinandergesetzt haben und geübt sind, sobald der erste Kunde ihren telepharmazeutischen Beratungsraum betritt.