Können Apotheken bald die E-Rezept-App für ihre Kunden freischalten?

Eigentlich soll das E-Rezept ja den Arbeitsalltag in Arztpraxen und Apotheken erleichtern. Tatsächlich wäre die medienbruchfreie, automatisierte Übertragung der Verordnungsdaten vom Arzt über den Fachdienst der gematik bis hinein in die Apotheke vor Ort auch gut geeignet, den administrativen Aufwand bei den beiden genannten Heilberufen zu reduzieren. Vorausgesetzt natürlich, die Patienten nutzen die E-Rezept-App der gematik für ihre elektronischen Verordnungen. Das tun aber die wenigsten, weswegen aktuell noch die meisten E-Rezepte als Token zum Abruf des E-Rezeptes auf Papier ausgedruckt werden. In der Arztpraxis bleibt der Aufwand dadurch identisch, lediglich die Apotheke kann sich durch das Scannen des Codes das Eintippen der Verordnung sparen. Klar ist aber, dass der Ausdruck zum Abruf des E-Rezeptes nur eine Übergangslösung sein kann. Die komplett digitale E-Rezept-Strecke muss das eigentliche Ziel sein, damit die Vorteile elektronischer Verordnungen für alle Beteiligten auch wirklich erlebbar werden.

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Dabei hat es einen relativ einfachen Grund, weswegen so wenige Versicherte bislang die E-Rezept-App der gematik nutzen. Dafür muss nämlich ein Verfahren in der App selbst freigeschalten werden. Und das ist sehr kompliziert. Im Gesetz sind dafür mehrere Wege festgelegt. Gemäß § 336 Absatz 5 des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V) gehört dazu eine von der Krankenkasse sicher zugestellte PIN oder eine persönliche Übergabe der elektronischen Gesundheitskarte samt PIN in einer Geschäftsstelle der Krankenkasse. Auch eine nachträgliche, sichere Identifikation des Versicherten und seiner bereits ausgegebenen elektronischen Gesundheitskarte mit einer digitalen Identität ist möglich. Anders ausgedrückt: Versicherte müssen das E-Rezept schon wirklich wollen, um diesen Aufwand auf sich zu nehmen. Kein Wunder also, dass die Zahl der Nutzer, welche ihre E-Rezepte komplett digital verwalten, deutlich langsamer steigt als die der ausgestellten und abgerechneten E-Rezepte.

Seit Juni 2022 war kurzzeitig eine erleichterte Freischaltung auch über das sog. VideoIdent-Verfahren möglich. Dieses wurde aber knapp zwei Monate später von der gematik als unzulässig erklärt, nachdem der Chaos-Computer-Club dort erhebliche Sicherheitslücken entdeckt hatte. Das ist insofern äußerst unglücklich, da im Bankwesen bereits vor der Covid-19-Pandemie VideoIdent ein äußerst gängiges Verfahren war, um sich ohne Besuch in der Filiale persönlich zu identifizieren, zu vergleichen in etwa mit der Telepharmazie für Apotheken.

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Im kürzlich veröffentlichen Referentenentwurf zum Gesetz zur Pflegepersonalbemessung im Krankenhaus sowie zur Anpassung weiterer Regelungen im Krankenhauswesen und
in der Digitalisierung (kurz: Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, noch kürzer: KHPflEG) findet sich auf Seite 15 folgender Passus:

In Absatz 1 [von § 336 SGB V] wird folgender Satz 2 eingefügt:
„Für den Zugriff auf Daten nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 4, 6 und 7 kann das geeignete technische Verfahren nach Satz 1 auch in einer Apotheke durchgeführt werden.“

Quelle: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/K/KHPflEG_RefE.pdf

Bemerkenswert dabei ist, dass den Apotheken damit nicht nur die Authentifizierung zum E-Rezept anvertraut werden soll, die befindet sich nämlich in § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Hinter den anderen Nummern, die im obigen Zitat erwähnt werden, verbergen sich daneben noch die elektronische Patientenakte (Nummer 1), konkrete Hinweise zu Organspendeausweisen (Nummer 2) und Vorsorge- bzw. Patientenvollmachten (Nummer 3), der elektronische Medikationsplan (Nummer 4) und die elektronische Patientenkurzakte (Nummer 7). Nun mag ein erster nachvollziehbarer apothekerlicher Reflex sein, sich über diese erneute Mehrbelastung zu beschweren. Schon wieder kommen Kunden, ohne dass sie was kaufen. Aber eigentlich kann man die Sache doch auch anders betrachten, oder?

Denn je mehr digitale Kontaktpunkte es zwischen Kunden und Apotheke gibt, umso intensiver kann die Kommunikation zwischen beiden gestaltet werden. Und warum sollte man den Patienten nach dem Authentifizieren für die gematik-App nicht auch noch kurz zeigen, wie die eigene Apotheke künftig zur Rezeptübermittlung ausgewählt werden kann? Dass Apotheken digital topfit sind, wissen die Kunden doch allerspätestens seit den Impf- und Genesenenzertifikaten aus der Apotheke. Nirgends hat, zumindest in meiner Erfahrung, deren Ausstellung vor allem bei komplizierteren Sachverhalten, so reibungslos und unbürokratisch funktioniert, wie in meiner Apotheke vor Ort. Also lässt sich diese Kompetenz auch bei den anderen Anwendungen, wie der elektronischen Patientenakte oder dem Medikationsplan in Richtung der Kunden kommunizieren. Jeder Anlass, die Apotheke zu besuchen, wird die Rolle der Apotheke als Gesundheits-Kompetenzzentrum für die Zukunft stärken.

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Es schaut also so aus, als müssten die Apotheken dem E-Rezept in Deutschland zu seinem Erfolg verhelfen, indem sie die medienbruchfreie Nutzung der E-Rezept-App mit ermöglichen. Immerhin werden über drei Millionen Patienten pro Tag in deutschen Apotheken versorgt. Darin steckt tatsächlich enormes Potential, um die E-Rezept-App jetzt endlich in großen Zahlen freizuschalten. Und geschieht das, werden die Patienten sie auch nutzen wollen. So wie heute bereits viele Patienten ihre Fachärzte nur noch über Portale mit Online-Terminbuchung aussuchen, so wird das Ausstellen von E-Rezepten schon in Kurzer Zeit ein weiteres Kriterium für den Besuch in einer Arztpraxis werden. Spätestens dann, wenn die Mehrzahl der gesetzlich Versicherten ihre Gesundheitsdaten in einer elektronischen Patientenakte selbst verwalten können, stellt selbst der Wechsel des Hausarztes kein allzu großes Hindernis mehr dar.