5G – was bedeutet der neue Mobilfunkstandard für Apotheken?

In einer kürzlich veröffentlichten Studie bezeichnet der deutsche Ableger der internationalen Wirtschaftsprüfungsorganisation PricewaterhouseCoopers (PwC) die fünfte Generation des Mobilfunkausbaus (5G) als den „Standard, der Standards im Gesundheitswesen setzen wird.“ PwC ist eine der vier umsatzstärksten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt, gehört zu den sogenannten Big Four und ist für seine scharfen Analysen von Trends und den meist zutreffenden Aussagen über deren Auswirkungen auf bestimmte Branchen bekannt. 5G hingegen wurde in den deutschen Massenmedien vor allem durch die Diskussionen um Spionagerisiken beim chinesischen 5G-Anbieter Huawei und über Gesundheitsrisiken durch eventuelle elektromagnetische Strahlung der Sendemasten bekannt. Da Huawei in Deutschland jedoch nicht zur Auktion der Mobilfunklizenzen zugelassen wurde und es bei keiner der über 200 durchgeführten Studien auch nur Hinweise auf eine gesundheitsschädliche Wirkung innerhalb der zugelassenen Grenzwerte gab, geht der Ausbau des 5G Netzes in Deutschland stetig voran. Zeit also, einen Blick darauf zu werfen, was denn nun 5G tatsächlich fürs Gesundheitswesen im Allgemeinen und die Apotheken im Besonderen bedeutet.

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Das Fazit von PwC in der Studie jedenfalls ist eindeutig: als „gute Nachrichten“ für die Gesundheitsbranche wird 5G da bezeichnet. Worauf diese positive Einschätzung basiert, erschließt sich schnell, wenn man einen Blick auf die Eigenschaften von 5G wirft und diese mit der Vorgängertechnologie im Mobilfunk – 4G oder LTE – vergleicht.

EigenschaftBeschreibungWLAN4G5G
LatenzVerzögerung zwischen Versand und Empfang der Daten. Eine Latenz von null entspricht einer Erfahrung in Echzeit20 ms30 – 50 ms1 – 10 ms
Verlässlichkeit/ VerfügbarkeitDatentransport bis zum Ziel ohne Verluste99,99 %99,99 %99,99 %
DurchsatzleistungObergrenze, eher theoretischer Art, von Daten, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums von einem Ort zu einem anderen transpoertiert werden können9,6 GBit/ s300 MBit/ s bis 1 GBit/ s10 GBit/ s
Geschwindigkeitpro Nutzer bzw. Gerät1 GBit/ s20 – 50 MBit/ s1 GBit/ s
AnschlussdichteVernetzte Geräte pro Quadratkilometer1 Million1.000über 1 Million
Energieverbrauchmittelhochmittel
Quelle: „5G im Gesundheitswesen. Der Standard, der Standards setzt?“ (c) März 2021, PwC

Wenig überraschend ist die Verbesserung der Eigenschaften gegenüber der Vorgänger. Immerhin steht die Abkürzung „LTE“ für „Long Term Evolution,“ also die langfristige technologische Entwicklung. Dass diese den Gesetzen der biologischen Evolution mit ihren Selektionsmechanismen häufig ähnelt, wurde in diesem Blog schon gelegentlich beschrieben. Überraschend ist hingegen, dass sogar im Vergleich zum hier aufgeführten, neuesten WLAN-Standard Wi-Fi6 die 5G-Mobilfunktechnologie in den Punkten Latenz und Anschlussdichte bessere Eigenschaften aufweist. Das wird sich direkt vor allem auf die Telemedizin auswirken. Die bereits jetzt absehbaren und teilweise auch schon realisierten Anwendungsfälle zeigen eindrucksvoll, dass das persönliche Zusammentreffen von Arzt und Patient in einem physischen Raum immer häufiger zugunsten einer Fernbehandlung entfallen kann. Eben weil 5G die Übermittlung aller relevanten Informationen so gut wie in Echtzeit und ohne Qualitätsverlust sicherstellt.

Das mit Sicherheit abgefahrenste Beispiel ist die Operation eines Neurochirurgen in China im Jahr 2019, der über eine 5G-Verbindung einen Operationsroboter in rund 3.000 Kilometern Entfernung steuerte, um einen Parkinson-Patienten am Hirn zu operieren. Im OP-Saal stand natürlich ärztliches Personal bereits, falls schnell hätte eingegriffen werden müssen. Der Spezialist musste aber eben nicht die lange Anreise auf sich nehmen und konnte von seinem Standort aus operieren – ohne Qualitätsverlust.

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Etwas greifbarer ist das Angebot des deutschen Unternehmens MedKitDoc. Diese erweitern das bekannte Telemedizinangebot, bei welchem man mit seinem Endgerät – Laptop, Tablet oder Smartphone – mit einem Arzt per Videotelefonie sprechen kann, um diagnostische Geräte. Das „MedKit“ enthält ein digitales Stethoskop, ein EKG, ein Blutdruckmessgerät, ein integriertes Pulsoximeter sowie ein Infrarot-Thermometer. Die aktuelle Version von MedKitDoc ist sogar als Medizinprodukt innerhalb der EU zugelassen. Die Einführung von 5G wird Geschäftsmodelle, die Medizingeräte mit Beratungsangeboten clever kombinieren, nur beflügeln können. Selbst vor Corona war bei vielen Patienten die Lust auf überfüllte Wartezimmer nicht besonders ausgeprägt – wie wird es danach sein, wenn es etwas Vergleichbares auch zu Hause vom Sofa aus geben kann?

Im Bereich der Sonografie gibt es Apps, die den Ultraschall schon heute hörbar und als Audiodatei zum Arzt übertragen können. Es gibt aber auch mit dem Handy koppelbare Geräte, mit denen der Patient sogar selbst sein Ultraschallbild erzeugen kann. Der Arzt unterstützt – dank 5G telemedizinisch in Echtzeit – dabei lediglich bei der Ausrichtung und Bewegung des Geräts und kann sich ansonsten ganz auf seine Kernkompetenz der Diagnosestellung konzentrieren. Diese Entwicklung wird dazu führen, dass Krankenhäuser und Praxen weniger überlaufen sind, wenn insbesondere Routinekontrollen von zu Hause aus durchgeführt werden können. Stattdessen werden die Kliniken so in die Lage versetzt, zukünftig vor allem für echte Notfälle stets ausreichend Kapazitäten vorzuhalten.

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Und auch bei solchen Notfällen wird 5G eine immer wichtigere Rolle spielen. Viele Smartwatches und Wearables sind heute schon als Medizinprodukte zugelassen und erheben kontinuierlich EKG-Daten. Je schneller diese dem Notarzt bei Bedarf dem Notarzt zur Verfügung stellen, umso höher stehen die Überlebenschancen des Patienten. Der Schlüssel hierzu sind die geringe Latenz von 5G sowie die enorm hohe Anzahl an Geräten, die pro Quadratkilometer ans Netz angeschlossen werden können.

5G klingt aus Patientensicht also durchaus vielversprechend, nicht wahr? Natürlich wird es dieses schnelle Netz nicht über Nacht in Deutschland geben. Es wird davon ausgegangen, dass zunächst die Ballungsräume in Deutschland sowie entlang von Bahnstreckend die Ausstattung mit 5G abgeschlossen sein wird. Für das Jahr 2025 geht die Deutsche Telekom dann aber sehr wohl davon aus, mindestens 99% der Bevölkerung und 90% der Fläche von Deutschland mit 5G zu versorgen. Spätestens dann werden auch die Apotheken vor Ort die indirekten Auswirkungen der „5G-Revolution“ zu spüren bekommen. Diese zeichnen sich jetzt schon deutlich ab:

  1. Das Warenlager wird noch volatiler
    Heute wird die Zusammensetzung des Warenlagers der meisten Apotheken davon bestimmt, was die umliegenden Ärzte verordnen. Die Warenwirtschaften optimieren dementsprechend die Bestände, um die im System hinterlegte Lieferfähigkeit sicherzustellen. 5G wird die Telemedizin beflügeln, die Anreise zu hochspezialisierten Fachärzten kann u.U. sogar ganz entfallen, wenn benötigte Diagnostikgeräte beim Patienten vorhanden sind. Und dank des E-Rezeptes kann jeder Patient die E-Verordnung von weit entfernten Spezialisten auch bei seiner Stammapotheke einlösen – selbst wenn deren Warenlager darauf noch nicht optimiert ist. Somit verlieren die umliegenden Ärzte ein wenig an Relevanz für die Zusammenstellung des Warenlagers und „exotische“ Arzneimitteln werden häufiger verlangt werden. Ein Umstand übrigens, an den Versandapotheken schon lange gewohnt sind.
  2. Medizinprodukte werden häufiger nachgefragt
    Egal, ob Ultraschall oder MedKitDoc – der Vorteil solcher Diagnostik auf die Ferne liegt auf der Hand. Welche schwangere Frau setzt sich schon gerne ins Auto für die regelmäßigen sonographischen Untersuchungen beim Gynakologen? Auch meine Frau hatte damals während ihrer Schwangerschaften bei jeder Unebenheit auf dem Weg zur Frauenärztin ein ungutes Gefühl. Den Ultraschall per Smartphone hätte man uns damals nicht zweimal anbieten müssen! Und was wäre besser, als die dafür notwendigen Geräte einfach in der Apotheke des Vertrauens kaufen zu können und bei Bedarf noch ein paar Fragen zur Bedienung stellen zu können?
  3. Krankenhausapotheken werden mit Robotern zusammenarbeiten
    In Krankenhäusern wird es geschlossene 5G-Netze, sog. „Slices,“ geben. Innerhalb dieser kann die komplette Infrastruktur geschützt und sicher miteinander vernetzt werden. Erste Feldversuche laufen bereits, das morgendliche Austeilen der Medikamente (und der Mahlzeiten, übrigens!) von Robotern übernehmen zu lassen. Immerhin binden diese Aufgaben dringend anderweitig benötigte Arbeitskraft und Kompetenz von Pflegekräften. Im 5G-Slice eines Krankenhaus hingegen wird künftig Liefer-Robotern wie JEEVES des Münchner Unternehmens Robotise ein fester Pfad und feste Lieferzeiten zugeordnet werden, während derer sie dann ihre Touren durch die Abteilungen ganz autonom unternehmen.
  4. Kunden und Patienten werden ihre Customer Journey ins Gesundheitswesen immer öfter online beginnen
    Wenn Ihre Kunden also online sind, weil sie dort mit dem Arzt ihres Vertrauens sprechen, sollten Sie mit Ihrer Apotheke dort ebenfalls einfach auffindbar sein. Auch die aktuell drei wichtigsten Trends für die Apotheke, über die ich vor Kurzem hier geschrieben habe, zahlen genau darauf ein. Es sind noch ziemlich genau dreieinhalb Jahre bis ins Jahr 2025. Wer noch nicht mit dem Üben angefangen hat, sollte das schnell tun. Wie schnell diese Zeit vergehen kann, sehen Sie am besten, wenn Sie Ihre Bilder vom Jahreswechsel 2017 auf 2018 ansehen. Das ist genau dreieinhalb Jahre her. Und wenn es Ihnen geht wie mir, dann kommt Ihnen das vermutlich beim Betrachten der Bilder auch so vor, als wäre es erst gestern gewesen …
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Bis vor Kurzem noch dachte ich, dass die Auwirkungen von 5G auf die Apotheken eher überschaubar sein würden. Nach dem Lesen der PwC-Studie und weiterer Quellen bleibt mir jedoch nur dieses Fazit: warum sollten ausgerechnet Apotheken diesmal verschont bleiben? Aber wie immer steckt auch in diesem Umbruch eine Chance – die nur ergreifen kann, wer sich mit dem Thema 5G auseinandersetzt und dann die richtigen strategischen Maßnahmen für seinen Standort ergreift.