Nicht nur Apotheken wurden durch die Pandemie bis an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit getrieben, auch für Arztpraxen waren die letzten beiden Jahre ein harter Ritt. Für alle Heilberufe ist es dabei umso ärgerlicher, wenn die für reibungslose Betriebsabläufe notwendige Technik nicht funkioniert. Aber genau so etwas scheint derzeit in Arztpraxen bundesweit gehäuft zu passieren. Wie die Ärztezeitung am 16.01.2022 berichtete, führen nämlich elektrostatisch geladene elektronische Gesundheitskarten (eGK) zu Problemen bei den für den Anschluss an die Telematikinfrastruktur benötigten Kartenterminals. Die aktuell einzige Lösung: ein kompletter Neustart des Terminals. Und zwar bei jedem erneuten Stecken einer Karte. Für den Ablauf in Arztpraxen, in der nahezu jeder Patient seine Karte zum Auslesen der Versichertenstammdaten ins Terminal einführen muss, bedeutet das einen hohen Zeitaufwand – bis hin zur Gefährdung der Patientenversorgung.

Nun sind (zum Glück) nicht alle Kartenterminals betroffen, sondern nur Kartenterminals des Modells ORGA 6141 von Wordline Healthcare (ehemals Ingenico Healthcare). Auch lösen die Abstürze nicht alle Versichertenkarten aus, sondern nur eGKs der Generation 2.1. Dumm dabei: das sind genau die eGKs, welche die Funktion der NFC (near-field-communication) unterstützen, die also kontaktlos einsetzbar sind. Und das wiederum sind genau die Karten, die auch verwendet werden, um die E-Rezept-App der gematik im Vollumfang freizuschalten. Und von diesen Karten sind laut KBV zwischenzeitlich Millionen in Umlauf.
Ursache für diese Abstürze ist wohl ein Firmware-Update, dessen Probleme die gematik auch auf ihrem Fachportal veröffentlicht hat und beschreibt. Lösungsvorschläge liefert sie gleich mit:
– Wird die eGK vom Versicherten in einer Plastikhülle aufbewahrt? Durch die Hülle könnte sich die elektrostatische Aufladung bei der Entnahme der Karte zusätzlich erhöhen.
– Kann die eGK vor dem Steckvorgang außerhalb des Kartenterminals entladen werden? Dieses könnte z.B. durch eine ESD-Matte erreicht werden, auf der die Karte mit der Chip-Seite aufgelegt wird. Alternativ könnte ein zweites (mobiles oder nicht mehr genutztes) Kartenterminal genutzt werden, um die Karte zunächst dort zu stecken und zu entladen. Dieses zweite Kartenterminal muss unter Strom sein und nicht mit dem Primärsystem verbunden sein.
– Führt die Verwendung des Slot 1 (oberer Slot) oder des Slot 2 (seitlicher Slot) zu unterschiedlichen Ergebnissen? Aus dem Feld wird berichtet, dass ein Wechsel des Slots zu einer deutlichen Verbesserung beigetragen hat.
– Können Umgebungsbedingungen in der Praxis angepasst werden, um die elektrostatische Aufladung der Versicherten oder Mitarbeiter zu verringern?
Quelle: https://fachportal.gematik.de/ti-status#c4697

Mit der „Verbesserung der Umgebungsbedingungen,“ dem letzten Vorschlag aus der o.a. Liste, sind vermutlich vor allem Teppichböden gemeint. Immerhin erhöhen diese die statische Aufladung, wenn man mit Plastikschuhen darüber geht. Der Lösungsvorschlag für ein technisches Problem ist also, Teppichböden in Arztpraxen zu entfernen und durch … was, leitungshemmendes Laminat? … zu ersetzen. Kann man sich nicht ausdenken. Aber auch Patienten können mithelfen: indem Sie barfuß in die Apotheke kommen und keine Wollsachen anziehen. Zumindest Letzteres war ein ernstgemeinter Vorschlag eines KBV-Sprechers. Vielleicht sind ja FKK-Praxen ein Geschäftsmodell für die Zukunft.
Der zweite Vorschlag aus der Liste der gematik, nämlich die Entladung der Karte vor dem Steckvorgang, war vor der Pandemie übrigens der normale Weg. Damals, Sie erinnern sich vielleicht, haben Patienten ihre eGK dem Personal in der Praxis einfach übergeben. Im Winter flogen dabei häufig wortwörtlich die Funken. Danach war die Karte jedenfalls entladen. Mit den seit Corona üblichen Hygienemaßnahmen stecken nun die Patienten die Karte selbst und die Entladung findet am Terminal statt.

Und während die Apotheken weiterhin darauf warten, dass mehr und mehr E-Rezepte ausgestellt werden, um diese testen zu können, haben die Arztpraxen in Deutschland ein ganz anderes, ja grundsätzliches Problem. Beschleunigen wird das die Einführung des E-Rezeptes jedenfalls nicht …