Der nächste Sommer steht vor der Tür und es ist zu erwarten, dass auch dieses Jahr wieder der ein oder andere Hitzerekord aufgestellt werden wird. Gesunde Menschen kommen in aller Regel mit hohen Außentemperaturen gut klar. Anders ist es jedoch bei kranken Menschen, insbesondere bei Chronikern. Je nach eingenommenen Arzneimitteln besteht bei dieser Zielgruppe erhöhter Beratungsbedarf, da höhere Temperaturen ein verändertes Einnahmeschema oder gar angepasste Dosierungen bedingen können. Auch Hinweise zur temperaturgerechten Lagerung können die Therapietreue verbessern. Außerdem sollten Patienten, und hier vor allem ältere Menschen, dazu ermuntert werden, stets ausreichend zu trinken, da durch die Dehydration die Arzneikonzentration im Körper erhöht werden kann – bis hin zu einer gefährlichen Überdosierung. Als Beispiel sei Lithium genannt, oder auch Fentanyl-Pflaster, deren Wirkstoff im beschriebenen Fall verstärkt freigegeben wird.

Und wer könnte potentiell gefährdete Patienten besser aufklären als Apotheken? Arbeiten sie seit längerem mit Kundenkarten oder Kundenkonten, so besitzen Apotheken sogar eine umfassende Übersicht über sämtliche Arzneimittel, die ihre Patienten einnehmen. Dies ist nicht nur vorteilhaft im Rahmen der erweiterten Medikationsberatung von Patienten mit Polymedikation, die künftig mit 90 Euro vergütet wird. Nein, auch im Bereich Hitze- und Klimaberatung ist dieser Datenschatz sehr wertvoll. Denn schließlich kann man mit seiner Hilfe gezielt in der eigenen Kundendatenbank nach besonders gefährdeten Patientengruppen suchen oder aber im Handverkauf einen Hinweis bekommen, wenn besonderer Beratungsbedarf besteht. Bevor wir uns anschauen, wie man dies mit Hilfe der Warenwirtschaft umsetzen kann, vorab noch ein Blick auf Seite 41 des Buches „die nachhaltige Apotheke,“ auf welcher die nachfolgenden hitzekritischen Nebenwirkungen von Arzneimitteln aufgezählt werden.
– Erhöhte Körpertemperatur, z. B. durch Neuroleptika, Anticholinergika und Antidepressiva
Quelle: Esther Luhmann (Hrsg.), „Die nachhaltige Apotheke – Klimawandel, Umweltschutz und Gesundheit,“
– Verringertes Schwitzen (was zur Erhöhung der Körpertemperatur führt), z. B.durch Medikamente mit Anti-Muscarin-Effekten wie Alimenazin, Chlorpromazin, Amitriptylin, Hyoscin (Scopolamin), Oxybutynin, Procyclidin, Topiramat
– Verringertes Durstgefühl, z. B. durch ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten (Sartane), Neuroleptika, Carbamazepin, Parkinsonmittel
– Verringerte Herzleistung, z. B. durch Betablocker
– Dehydratation oder Elektrolytstörung, durch Abführmittel, Diuretika und ACE-Hemmer/ Angiotensin II-Rezeptor-Antagonisten (Sartane), NSAR, COX-2-Inhibitoren, bestimmte Antibiotika, spezielle Virostatika in HIV-Kombinationen
– Arzneimittel, deren Wirkung durch Dehydration beeinflusst werden: Lithium, Antiarrhythmika, Digoxin, Antiepileptika, bestimmte orale Antidiabetika (Biguanide und Sulfonamide), Statine und Fibrate
– Sedierung (reduzierte Wahrnehmung einer Hitzeerschöpfung), z. B. durch Benzodiazepine
und „Z-Arzneimittel”, sedierende Anti-Histaminika, Anti-Muscarin-Substanzen, Antiepileptika, Antidepressiva
– Hemmung der zentralen Thermoregulation, z. B. durch Neuroleptika und SSRI
– Hitzegefühl als Nebenwirkung, z. B. durch Goserelin, Bicalutamid, Cyproteron, Anastrozol, Tamoxifen, Atomoxetin, Dipyridamol, Duloxetin, Methadon, PEG-Interferon, Sertralin, Topiramat, Triptane, Venlafaxin
– Erniedrigter Blutdruck, z. B. Alkohol, Antihypertensiva, Vasodilatatoren (Nitrate, Calcium-
Antagonisten) und trizyklische Antidepressiva
2022, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart
Die Liste der Arzneimittel, die vor allem im Sommer erhöhten Beratungsbedarf erfordern, ist also lang. Natürlich ist es immer begrüßenswert, wenn Patienten bereits beim Arzt auf bestimmte hitzerelevante Verhaltensweisen hingewiesen werden. Spätestens in der Apotheke jedoch entscheidet es sich, ob Patienten mit allen Informationen ausgestattet sind, die sie benötigen, um ihre Gesundheit zu erhalten. Und bei der Fülle an Arzneimitteln mit hitzekritischen Nebenwirkungen, dürfte es schwer sein, sich diese alle dauerhaft im Gedächtnis zu behalten. Zum Glück gibt es genau hierfür die Warenwirtschaft, genauer gesagt zwei Tools, die es in allen gängigen Systemen geben sollte: den Listengenerator und die Zusatzverkaufsinformationen.

Mit dem Listenprogramm lässt sich die Datenbank der Warenwirtschaft ganz generell auf das Vorhandensein einer Kombination bestimmter Informationen durchsuchen. Für die Hitzeberatung würde man hier nach Kunden suchen, die mit ihren Stammdaten angelegt sind (damit man sie auch kontaktieren kann) und die im letzten Jahr Arzneimittel mit Wirkstoffen aus der obigen Liste bezogen haben. Diese Kunden können dann, beispielsweise über eine personalisierte Serienmail, angeschrieben und zum erweiterten Medikationsberatungsgespräch in die Apotheke eingeladen werden. Hierbei können dann auch die hitzebedingten Handlungsempfehlungen ausgesprochen und erörtert werden. Für demente (oder vergessliche) Patienten bietet sich zusätzlich an, ihnen eine App zu empfehlen, die sie regelmäßig daran erinnert, ausreichend zu trinken. Hiervon gibt es in den App- und Play-Stores viele, daher sei die Gerolsteiner Trink Check App hier nur exemplarisch erwähnt.
Zusätzlich empfehlenswert ist auch die Nutzung der Cross-Selling- oder Zusatzverkaufs-Tools, die es ebenfalls in den meisten Systemen gibt. Deren Funktionsweise ist dabei stets ähnlich: beim Vorliegen einer bestimmten Pharmazentralnummer im Verkaufsvorgang wird ein dazu passender Artikel als geeigneter Zusatzverkauf angeboten. Das passiert direkt in der Kassensoftware und ist häufig textbasiert. Diejenigen Artikel, die eine solche Zusatzempfehlung auslösen, können anhand ihrer Indikation oder ihres ATC-Codes auch gruppenweise zusammengefasst werden. Außerdem können diese Cross-Selling-Hinweise meist sogar selbst gepflegt werden. Also sollten die besonders hitzekritischen Arzneimittel aus der Liste ebenfalls eine Zusatzempfehlung bekommen. So könnte man bei allen ACE-Hemmern als Zusatzhinweis den folgenden Text einfügen: „Dieses Arzneimittel verringert das Durstgefühl. Bitte weisen Sie Kunden darauf hin, in den Sommermonaten noch mehr zu trinken als sonst.“ Erscheint dieser Text nun beim Abscannen eines ACE-Hemmers im Kassendialog, so weiß jeder(r) im Team, wie die Kunden optimal zu Hitzerisiken ihrer Medikation zu beraten sind. Ähnliche Texte lassen sich natürlich auch für die anderen Arzneimittel aus der obigen Liste hinterlegen.

Hitze- und Klimaberatung aus der Apotheke wird aufgrund des Klimawandels an Relevanz zunehmen. Umso wichtiger ist es, sich mit dem Werkzeug Warenwirtschaft auch hierauf vorzubereiten. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja auch irgendwann das erste „Klimaberatungs-Upgrade“ von einem der Anbieter. Bis dahin ist aber jeder gut beraten, sich die wichtigsten Beratungstexte selbst einzupflegen. Sie generieren zwar eventuell nicht unmittelbar einen Zusatzverkauf – aber nur Kunden, die den nächsten heißen Sommer gut überstehen, können auch als Kunden zurück in die Apotheke kommen.
[…] Eine abschließende Bitte habe ich an dieser Stelle noch: sollte im Auto ihrer Konkurrenten, das sie auf diese Weise in die Falle gelockt haben, ein Bote sitzen, versorgen Sie ihn bitte gelegentlich mit Wasser … […]
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[…] Computerstimme des kleinen Sprachassistenten, der seit einiger Zeit in meiner Apotheke steht. „Heute wird es wieder sehr heiß werden, Du solltest für Dich und das Team noch genügend Wasser kühl stellen. Die Klimaanlage habe ich […]
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