Eindrücke von der EuroShop 2023 – welche Trends sind auch für Apotheken relevant?

Ende Februar bis Anfang März 2023 fand mal wieder die EuroShop statt. Seit 1966 wird diese Messe alle drei Jahre auf dem Gelände der Messe Düsseldorf ausgetragen. Sie gilt weltweit als die führende Messe für Investitionsgüter des Einzelhandels. Am 01.03. habe ich, zum ersten Mal seit vielen Jahren, die EuroShop endlich auch mal wieder besucht. Ich wollte mich umsehen, welche Trends den Einzelhandel denn momentan so umtreiben und was davon eventuell auch für Apotheken relevant sein könnte. Um die Größe der EuroShop mal in einen Kontext zu setzen: während sich die letzte Expopharm in Düsseldorf im Jahr 2019 über zwei Hallen erstreckte, so waren bei der EuroShop alle 17 (in Worten: siebzehn) Messehallen mit Ausstellern besetzt. Und ich habe sie alle abgelaufen, selbst die drei Hallen mit Kühltechnik. Das war aber ein Planungsfehler meinerseits. Jedenfalls war es gut, dass ich mit dem Zug nach Düsseldorf gefahren bin – denn am Abend war mein Akku ganz schön leer.

Retail should be an experience, not just a transaction,“ so das Motto auf einem der imposanten Stände. (Einzel-)Handel sollte ein Erlebnis sein und nicht nur eine [reine] Transaktion. Ein guter Spruch, denn sind es nicht gerade die Handelsgeschäfte, die dem Kunden mehr bieten, als nur die Möglichkeit, Ware zu kaufen, diejenigen, die trotz Pandemie und Rezession weiterhin gut laufen? Und genau in diese Kerbe schlugen auch die für mich spannendsten Innovationen und Exponate auf der EuroShop 2023, die ich versuchen werde, im folgenden mal nach Themengebieten zu clustern:

1. Augmented und Virtual Reality (AR/ VR)

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Am beeindruckendsten in dieser Kategorie waren sicherlich die überlebensgroßen Hologramme, die mich auf zwei Ständen begrüßt haben. Aber wie passt so etwas in die Apotheke? Klar, niemand braucht ein drei Meter großes und hyperrealistisches Hologramm, das einem die richtige Anwendung von Suppositorien erklärt. Aber wie wäre es denn mit einem normalen, freundlichen Hologramm im weißen Kittel am Eingang von Apotheken. Eine freundliche virtuelle Mitarbeiterin vielleicht, die in Zeiten von Personalnot die Kunden begrüßt und erste Fragen stellt. Mit Technologien wie Large Language Models (ChatGPT) im Hintergrund könnten da schon erste Fragen geklärt werden. Natürlich müsste ein solches Gespräch dokumentiert und an das Fachpersonal übergeben werden. Aber wer wirklich nur seine Fußcreme aus der Kosmetik kaufen möchte, könnte das so auch tun, ohne das hochqualifizierte Personal im HV extra dafür in Anspruch zu nehmen.

Ein anderer Anwendungsfall ist vor allem für Apotheken in Lauflage interessant, Innenstädte beispielsweise, oder Einkaufszentren. Hier wurden AR-Anwendungen vorgestellt, die mittels einer Kamera im Schaufenster erkennen, wenn Kunden daran vorbei gehen. Ziel: die Kunden zum Stehenbleiben zu animieren. In einem Fall hat mich die Kamera registriert und in einen virtuellen Shop platziert, der im Schaufenster angezeigt wurde. In der Apotheke könnte man so neue MitarbeiterInnen ansprechen und sie virtuell ins Labor oder an den HV stellen. So können diese sich bildhaft vorstellen, wie es wäre, wenn sie selbst in der Apotheke arbeiten würden. Natürlich lässt sich auch einfach ein QR-Code auf dem AR-Schaufenster anzeigen, mit dem KundInnen auf den Shop oder die Plattform der Apotheke weitergeleitet werden. Dann wird am Ende aus dem Erlebnis doch noch eine Transaktion. Die Möglichkeiten sind vielfältig, doch nur wer auf diesen Zug schnell aufspringt, wird auch den gewünschten Effekt erzielen: nämlich die Aufmerksamkeit der Kunden zu erhaschen. In wenigen Jahren schon werden diese Technologien Mainstream sein und dann werden sie nicht mehr so herausstechen wie noch heute.

2. Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit war auf der EuroShop 2023 omnipräsent – und das ist gut so! An unzähligen Ständen wurden Displays und Werbematerialien ausgestellt, die ausschließlich aus recyceltem oder FSC-zertifiziertem Papier oder Pappe hergestellt waren. Optisch teilweise echte Hingucker und dabei überaus robust. Für die Freiwahl ist das schon heute absolut ein Thema für die Apotheke und ich kann nur dafür werben, keine Plastik-Displays mehr in Ihrer Apotheke aufzustellen. Die sind nicht mehr zeitgemäß!

Ein weiterer Nachhaltigkeitstrend waren Shop-Konzepte zum unverpackten Einkaufen. Dabei müssen die Kunden die Verpackungen selbst mitbringen. Das reduziert den Müll dramatisch, gerade in größeren Städten findet man zunehmend ganze Unverpackt-Geschäfte. Im Apothekenkontext muss ich da unweigerlich an meine Apothekenbesuche in Nordamerika denken. Einmal wurde mir dort ein Antibiotikum verschrieben und statt einer Fertigarzneimittelpackung mit 20, 30 oder 50 Tabletten, bekam ich ein Pillendöschen mit, wenn ich mich recht erinnere, 21 Tabletten drin – eine Woche lang morgens, mittags und abends je eine. Präzise austariert also auf meine Therapiedauer. Was jedoch in Deutschland bei Arzneimitteln ein dickeres Brett werden dürfte. Im Bereich der Körperpflege und Kosmetik ist das allerdings schon heute umsetzbar. Das Shampoo für unsere Familie fülle ich seit über einem Jahr schon beim Friseur selbst ab – nur einmal haben wir zu Beginn die beiden Spender gekauft. Gäbe es solche Refill-Stationen auch mit hochwertiger Apothekenkosmetik, wäre auch das ein starkes Signal mit Außenwirkung.

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Schließlich war da noch ein Startup namens GreenBill, Anbieter für papierlose Kassenbons. Wieso es so etwas noch nicht in Apotheken gibt, dafür aber bei meinem Bäcker im 4.000-Seelen-Dorf, entzieht sich (trotz meiner einschlägigen Berufserfahrung) meiner Kenntnis. Aber ich bin guter Dinge, dass sich das bald ändern wird!

3. Vorbestell-Stationen

Wenn es Ihnen wie mir geht, dann denken Sie bei großen Touchdisplays zum Vorbestellen von Ware vermutlich erst mal an eine sehr bekannte Fastfood-Marke. Klar. Erst gestern habe ich einen Ausflug mit meiner jüngsten Tochter unternommen, da sie schulfrei hatte. Und da ich ihr versprochen hatte, dass sie sich ein Mittagessen wünschen darf, kam ich aus der Nummer nicht mehr raus. Also fuhren wir auf dem Heimweg auf den Parkplatz besagter Burgerkette, betraten das Restaurant und gingen an die Displays. Noch während wir bestellten, kam jedoch eine Mitarbeiterin und erklärte mir freundlich, dass ich mich nicht anstellen und auf meine Bestellung zu warten brauche, sondern sie mir das Essen sehr gerne auch an meinen Platz bringen würden. Ich war baff – statt radikal an Personal zu sparen, wurde das Personal gezielt auf die Kunden angesetzt, um deren Erlebnis zu verbessern. Und das geht doch auch in Apotheken. Man denke nur an Kunden, die bei der Apotheke etwas für Click & Collect vorbestellt und bereits bezahlt haben. Wenn sichergestellt ist, dass diese Bestellung bereits pharmazeutisch endkontrolliert ist – warum kann sie dann nicht über ein Terminal innerhalb der Apotheke abgerufen und in den Räumen der Apotheke automatisiert ausgegeben werden? Wieso muss in Zeiten von, ich wiederhole mich, Personalknappheit hierfür jemand mit pharmazeutischer Ausbildung die Kunden bespaßen? Gerade wenn es ausnahmsweise, wie hier, doch nur um die Transaktion geht.

In Kombination mit Plattformen bieten sich hier weitere Möglichkeiten für Apotheken. Außerdem wäre es interessant, wenn Kunden sich in solche Terminals einloggen könnten und dann Zugriff auf weitere Services im Apothekenkontext hätten. Zum Beispiel: wann ist die nächste von der Apotheke angebotene Impfung fällig? Habe ich Anspruch auf pharmazeutische Dienstleistungen und kann ich dafür vielleicht sogar direkt einen Termin buchen? Terminal und Homepage der Apotheke sollten dabei natürlich identische Inhalte anbieten und ähnlich aussehen. Und so wird aus analog und digital auf einmal eins.

Fazit: egal ob im Buchhandel oder im Supermarkt – die Ware ist im Handel meist austauschbar. Reine Preisführerschaft ist ruinös, erinnern wir uns nur an Schlecker. Also gilt es, den Kunden den Einkauf so schmackhaft wie möglich zu machen. Einige Buchhandlungen bei mir in der Region versehen ausgewählte Bücher mit handgeschriebenen, persönlichen Empfehlungen ihrer Mitarbeitenden. Das ist nicht nur ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber mir als Kunden, sondern lenkt auch meine Kaufoption in eine bestimmte Richtung. Auch in der Apotheke sind die Produkte austauschbar und unterliegen, wie im Buchhandel, der Preisbindung. Die persönlichen Empfehlungen der MitarbeiterInnen jedoch sind das wertvollste, das es für die Kundinnen und Kunden gibt. Die drängendsten Fragen als Patient hat man doch immer dann, wenn es um die eigenen Kinder geht, oder die Eltern, sobald diese pflegebedürftig werden. Wenn man also emotional involviert ist. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Apotheken können da doch oft aus erster Hand und eigener Erfahrung mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und haben das Produkt dann im Idealfall gleich mitnahmebereit. Die Trends und Innovationen, die ich auf der EuroShop 2023 gesehen habe, unterstützen das, indem sie sich darum kümmern, dass der Kunde ein Geschäft überhaupt wahrnimmt, entweder weil es besonders grell blinkt oder weil die Nachhaltigkeit sichtbar kommuniziert wird. Und indem die Prozesse im Hintergrund so optimiert sind, dass wieder Zeit bleibt für persönliche Beratung. Diese Trends wünsche ich auch den Apotheken!