Was kann die Apotheke von Pokémon GO lernen?

Im Sommer 2016 haben wir unseren Urlaub in der Toskana verbracht. Kurz zuvor war das Spiel Pokémon GO erschienen, in welchem man virtuelle Fantasiewesen mit Hilfe des eigenen Smartphones fangen kann. Das Spiel hat so ziemlich alle Rekorde gebrochen, die es jemals gab und gehört bis heute zu den am meisten heruntergeladenen Spielen für iOS und Android. Im Sommer 2016 war das vor allem eins: nervig. Ich erinnere mich, dass in Florenz damals mehr Menschen auf Ihr Handy geschaut haben, als auf die schöne Kathedrale Santa Maria di Fiore. Immerhin haben wir damals fürs Mittagessen ein Restaurant gefunden, in dem wir unsere Ruhe von den Pokémon-Jägern hatten:

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Hier gab es Mittagessen – ziemlich entspannt

Inzwischen hat der Hype um das Spiel nachgelassen. Jedoch ist unser Sohn in diesem Jahr 12 Jahre alt geworden und sein Freundeskreis hat das Spiel für sich entdeckt. Also haben wir unseren anfänglichen Widerstand aufgegeben und ihm erlaubt, sich das Spiel herunterzuladen (als Eltern hat man hier übrigens tolle Kontrolle über die Aktivitäten auf dem Account des minderjährigen Kindes – das ist toll gelöst!) Und was soll ich sagen: meine Meinung hat sich in den letzten Wochen ziemlich geändert. Auf einmal geht der junge Mann freiwillig bei uns im Ort an der frischen Luft spazieren und legt inzwischen häufig mehr Schritte am Tag zurück als wir Erwachsenen. Ich bin mir sicher, dass dieser schöne Nebeneffekt von den Entwicklern von Pokémon GO nicht beabsichtigt war – aber tatsächlich wirkt sich vermutlich gerade das positiv auf die Fitness und die Sportlichkeit nicht nur unseres Kindes, sondern vermutlich aller Spieler weltweit aus.

 

Worauf basiert nun der Erfolg von diesem für mich nach wie vor komischen Spiel – und wie hängt das mit der Zukunft der Apotheken zusammen? Spätestens jetzt sollten wir also über „Augmented Reality“ (kurz: AR) sprechen, der Technologie, die hinter Pokémon Go steckt: ein Gerät (in diesem Fall das Smartphone) überträgt mit der Kamera die Ansicht einer physischen, realen Umgebung. Diese wird durch computergenerierte Elemente wie Ton, Videos oder Grafiken ergänzt. Durch GPS und weitere vom Smartphone generierte Daten wird die Realität mit den digitalen Inhalten vermischt. Gemeinsam werden sie zur „erweiterten Realität“ – AR. Und das wird in naher Zukunft sicherlich schon nicht mehr nur auf ein Handy beschränkt sein: von Brillengläsern über Headsets oder Kopfhörer bis hin zur digitalen Kontaktlinse wird man sie an vielen Stellen sinnvoll integrieren können.

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Wahrscheinlich haben Sie schon von „virtueller Realität“ (kurz: VR) gehört, einer nahen Verwandten von AR. Allerdings erzeigt VR eine 3D-Welt, die den Benutzer vollständig von der Realität abkoppelt. AR unterscheidet sich hiervon in zweierlei Hinsicht: zum einen verliert man den Kontakt zur Realität zu keiner Zeit; und zum anderen werden Informationen nahezu in Echtzeit sichtbar. Haben Sie ein Auto mit Head-Up-Display? Das ist nichts weiter als angewandte AR. Und diese Besonderheiten machen AR zu einer treibenden Kraft für die Zukunft der Gesundheitsversorgung allgemein mit äußerst interessanten Anwendungsfällen auch für die Apotheke. Ein Beispiel hierfür sehen Sie im o.a. Bild: die Einsatzmöglichkeit bei Ärzten reicht von einer Vereinfachung der Anatomiekurse für Medizinstudenten bis hin zur Navigation von Chirurgen während komplizierter Operationen.

Wie kann die Apotheke an dieser Technologie partizipieren? Bevor Sie jetzt in hektischer Betriebsamkeit die ersten Pokémons in Ihrer Offizin platzieren, überlegen Sie bitte kurz, ob eine Herde Pubertiere, die voll konzentriert auf ihr Smartphone schauen, wirklich die Zielgruppe ist, die Sie anlocken wollen. Gut, wir brauchen also andere Ideen. Wie schaut es denn mit Einnahmehinweisen und Wirkmechanismen aus? Vermutlich wird diese nicht jeder Apothekenmitarbeiter so gut erklären können wie Christine Gitter in ihrem kurzweiligen und absolut lesenswerten Buch „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Apothekerin.“ Und selbst wenn Ihr Team die gleiche Eloquenz an den Tag legt: versteht das auch wirklich jeder Kunde gleichermaßen? Ich bin gespannt, wann die erste App erscheint, die mir an meinem eigenen Körper zeigt, an welcher Stelle meine Medikamente ansetzen und wie sie wirken. Ich behaupte, dass die Compliance messbar zunehmen wird, sobald mehr Patienten die Prozesse verstehen, die sich in ihrem Körper nach der Einnahme von Arzneimitteln abspielen. Ganz zu schweigen von den vielen Pharmaziestudenten, die dadurch Pharmakologie viel spielerischer lernen könnten …

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Vor den Mahlzeiten? Danach? Und was passiert dann genau im Körper?

Natürlich sollten alle Apotheken auch in allen Navigationssystemen schnell auffindbar sein. Das Auto wird zur ultimativen Schnittstelle zum Kunden werden.  Seien Sie hier also präsent, damit Sie von Ihren Kunden schnell und komfortabel (natürlich mit Head-Up-Display und somit AR) gefunden werden. Und auch für die interne Logistik wären Apps wünschenswert. Zum Beispiel für den seltenen Fall, dass der Kommissionierapparat ausfällt. Eine AR-Anwendung kann Sie dann trotzdem schnell zum gesuchten Arzneimittel führen. So wie mein Sohn auch bei uns im Ort Pokémons in Gassen findet, von denen er davor noch nicht einmal wusste, dass es sie überhaupt gibt.

Welche Anwendungsmöglichkeiten für AR in der Apotheke fallen Ihnen noch ein? Was kann man für Ihre Kunden oder für Ihr Team mit Hilfe dieser Technologie verbessern? Lassen Sie Ihrer Phantasie freien Lauf!

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Bild (c) Apostore GmbH

Zum Abschluss noch ein Beispiel für eine Gesundheitsapp, bei der die Entwickler ihrer Phantasie sehr freien Lauf gelassen haben: Zombies, Run! Hierbei handelt es sich um eine Lauf-App der etwas anderen Art. Denn zusätzlich zu den Standard-Features (Schritte zählen, Musik während des Laufens hören, usw.) wird man beim Laufen plötzlich von Zombies verfolgt. Man sieht diese auf dem Display hinter sich (im Selfie-Modus) und ihr Stöhnen überlagert die Musik. Also sollte man einen Zahn zulegen. Ideal für Leute (wie mich), denen beim Laufen schnell langweilig wird. Man erhöht nämlich nicht nur seine Ausdauer und Geschwindigkeit – sondern die Zeit vergeht auch deutlich schneller.