Die Digitalisierung hat auf das gesamte Gesundheitswesen eine katalytische Wirkung: noch nie war den Menschen Expertenwissen so schnell und einfach zugänglich wie heute. Gesundheitsplattformen, bei denen man sich unter Leidensgenossen austauschen kann, bieten inzwischen oftmals ebenso gute Informationen wie die medizinisch fundierteren Informationsplattformen der großen Pharmaunternehmen oder anderer Gesundheitsorganisationen. Gleichzeitig, vor allem getrieben durch Wearables und Smartphones, die ohne Unterlass Informationen erheben und aufzeichnen, sind die Patienten über ihre eigenen Gesundheitsdaten und relevanten Parameter besser informiert als jemals zuvor. Zumindest scheint es jedenfalls so.

Patienten haben heute eine Vielzahl an Informationsquellen
Denn hier wird bei näherem Hinschauen schon der erste Konflikt sichtbar: die im Internet frei zugänglichen Informationen sind zwar in aller Regel nicht falsch. Oftmals bekommen im Internet diejenigen mit den extremsten Ansichten aber auch die meiste Aufmerksamkeit und stehen in den Suchmaschinen ganz oben. Durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Quellen für jedes beliebige Problem, wird Wissen quasi demokratisiert und häufig bleibt nur ein kleiner gemeinsamer Nenner übrig von dem, was aufgrund einer individuellen Anamnese therapeutisch geboten wäre. Und auf den Seiten der Pharmahersteller steht natürlich ebenfalls nichts Falsches. Aber hier werden die Informationen natürlich immer möglichst positiv dargestellt, die Marketingabteilung lässt grüßen … und Nebenwirkungen? Gibt’s doch keine!

Welcher Informationsquelle man hier wohl trauen sollte?
Folglich kommen die Patienten mit im Vergleich zu früheren Zeiten veränderten Erwartungshaltungen in die Arztpraxis oder Apotheke. Früher haben sich die Patienten (nahezu) blind auf die Empfehlung der Vertrauensperson Arzt oder Apotheker verlassen – und in meiner Erinnerung taten sie das gerne. Heute suggerieren Foren im Internet, dass die Apotheker sich entweder selbst bereichern mit jedem Verkauf (warum gibt es sonst im Ausland Rabatt auf Rezepte bei ausländischen Apotheken?) oder, für diejenigen, die verstanden haben, dass das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 ein EU-rechtlich unschöner Fall der sog. „Inländerdiskriminierung“ sein könnte, bloße Erfüllungsgehilfen der Pharmaindustrie sind. Aber die Apotheken-Umschau mit Fernsehprogramm nehme ich gerne, für mich und meine Nachbarin auch noch, bitteschön, ist ja gratis.

„Hier steht aber …“
Von daher wird es wichtig sein, die eigene Kommunikation und auch die der Mitarbeiter hierauf anzupassen. Das „warum“ einer Empfehlung wird immer wichtiger werden – denn Ihr Gegenüber weiß im Zweifel schon „warum nicht.“ Den aus diffusen Quellen genährten Bedenken Ihrer Patienten und Kunden sollten Sie ernsthaft und mit Empathie begegnen, denn genau das wird eine Maschine niemals bieten können: Einfühlungsvermögen. Noch besser ist es natürlich, Sie bewegen sich selbst in Patientenforen und formen so die Erwartungshaltung auch Ihrer Kunden mit. „Sie haben ja sicher gelesen, dass bei Ihren Symptomen unterstützend am besten dieses Mittelchen hier aus der Sichtwahl hilft“ – ein sicherer Treffer, wenn diese Information schon im Vorfeld die Runde gemacht hat.
Einen anderen Nachteil bringt der gefühlte Informationsvorsprung der Patienten mit sich: sie vergleichen. Preise von hochpreisigen rezeptfreien Arzneimitteln wie Orthomol oder Wobenzym können im Internet ganz einfach verglichen werden. Die Ware ist immer die Gleiche – und wenn ich rechtzeitig bestelle, ist es völlig egal, ob ich bei meinem Apotheker vor Ort kaufe und die Ware direkt mitnehme, oder auf ein Päckchen von der Versandapotheke warte. Zeit bzw. sofortige Verfügbarkeit spielt für vorausplanende Kunden keine Rolle.

Achtung, Schnäppchenjäger! Was sind Ihre Argumente für dieses Kundensegment?
Die Informationsgewinnung findet im Internet statt, sowohl im Hinblick auf die Hintergrundrecherche zu Krankheiten, Therapie und Arzneimitteln, als auch auf den Preisvergleich. Darauf konzentriert der Patient seine Aufmerksamkeit in dem Zeitpunkt, in welchem er sich informiert, unabhängig davon, ob er auf einem Mobilgerät, Laptop oder stationären Computer surft. Kurz gesagt: Ihr Patient ist schon im Internet – es ist Ihre Aufgabe, ihn dort abzuholen. Welchen zusätzlichen Nutzen können Sie ihm anbieten, um ihn dauerhaft dazu zu bringen, weiterhin Ihr Patient und vor allem Ihr Kunde zu bleiben? Wie können Sie optimal die analoge Welt Ihrer Offizin-Apotheke mit den scheinbar grenzenlosen Weiten der digitalen Welt verknüpfen?
Wenn man anschaut, welche digitalen Anwendungen sich in den letzten 15 Jahren durchgesetzt haben, so waren es stets diejenigen, die einen jeweiligen Bedarf des Verbrauchers optimal befriedigen konnten. In der digitalen Welt entscheidet also jeder einzelne Nutzer über Erfolg oder Misserfolg eines Produktes. Theoretisch ist das also Demokratie in ihrer Reinform – jede Stimme zählt. Die Erhaltung und Förderung der Gesundheit wiederum ist ein menschliches Grundbedürfnis, das allerdings einen Haken hat: solange die Gesundheit eines Menschen nicht beeinträchtigt ist, hat dieser Mensch oft keinen Anlass, etwas für seine Gesundheit zu tun. Im Gegenteil: viele Menschen unternehmen bewusst Handlungen, die der Gesundheit Schaden zufügen, wie Rauchen, Drogenkonsum oder manche Extremsportarten.

Wie können wir ihn davon abhalten, diese Mahlzeit jetzt zu sich zu nehmen?
Die Lösung: man muss es den Menschen leicht machen, ihre eigene Gesundheit mit den neuen Werkzeugen, die die Digitalisierung bietet, zu fördern. Wenn man Experten, Ärzten oder Apothekern beispielsweise Zugang zu bestimmten Informationen, wie dem Medikationsplan, geben würde, könnten diese Experten in Echtzeit und mit einem sehr hohen Automatisierungsgrad mit dem Patienten in Kommunikation und Interaktion treten. Sie könnten ihm Hilfestellung geben, was er anhand der vorhandenen Informationen besser machen kann. Ihn zum Beispiel an die regelmäßige Einnahme seiner Dauermedikation erinnern – und wenn ein Arzneimittel zu Ende geht, das Folgerezept automatisiert beim behandelnden Arzt nachbestellen … und in die Apotheke oder direkt per Bote zum Patienten schicken lassen. Schließlich lägen die Informationen dann ja alle vor.

Ein Ansatzpunkt für patientenzentrierte Kommunikation: der Medikationsplan; Bild (c) NOVENTI.digital GmbH
Wüsste man, wann man die ungeteilte Aufmerksamkeit des Patienten hat, könnte man ihm in just diesem Moment die Informationen zukommen lassen, die seiner Gesundheit dienen. Man könnte Angehörige informieren, wenn die Therapie eigenmächtig abgebrochen wird und über alle bekannten Folgen dieser Non-Compliance informieren. Schließlich sind sie neben dem Patienten die hauptsächlich Leidtragenden, wenn die Therapie eigenmächtig abgebrochen wird. All das lässt sich bestens kombinieren, sowohl mit den unternehmerischen Interessen von Ärzten, Apothekern und sonstigen Leistungserbringern, aus denen diese ihren Lebensunterhalt bestreiten, als auch mit dem ethischen Anspruch, möglichst viel zur Förderung und Erhaltung der Gesundheit „seiner“ Patienten zu tun. Und alles, was man dazu braucht, haben wir schon: die Gesundheitsdaten der Patienten.
Es gibt nur ein Problem: man darf sie nicht ohne Weiteres einfach so verwerten …
Was wäre, wenn der Apotheker in seiner Funktion als Gesundheitsexperte einen Wegweiser durch die Informationsangebote im Internet bieten würde? Oder gar Apps empfehlen würde?
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In 2 Wochen schreibe ich etwas dazu – aber genau da geht es (auch) hin! 🙂
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Da bin ich sehr gespannt. Ich mache nämlich eine Gesundheitsapp und biete Apothekern eine Partnerschaft an. 😉
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Wenn man denn könnte wie man wollte… Das mit der Information der Angehörigen ist ja aufgrund der Schweigepflicht nicht möglich. Wir haben ja schon einige Hürden zu umgehen um den behandelnden Arzt darüber zu informieren wenn etwas schief läuft 😦
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Ich weiß – „große“ Digitalfirmen spielen daher Updates mit (gefühlt) 500 Seiten AGBs ein … wo dann irgendwo auch der Datenschutz besprochen wird. Ganz so einfach können wir es uns in der Gesundheitsbranche natürlich nicht machen, aber evtl. helfen einem so Gadgets wie ein Smartphone dabei, die für die Information von Angehörigen und/oder Arzt benötigten Einwilligungen der Patienten leichter zu bekommen.
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[…] neuesten Blogbeitrag des Edikt von Cupertino wird er ausführlich besprochen, der netzaffine Homo webicus. Es ist eine Herausforderung […]
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[…] Im letzten Kapitel habe ich versucht darzulegen, dass in der digitalen Welt alle Macht vom Endverbraucher (bzw. Kunden oder Patienten) ausgeht. Hätten wir Menschen es nicht so toll gefunden, private Fotos mit alten Bekannten zu teilen, wäre Facebook heute nicht eines der mächtigsten Unternehmen der Welt. Das von mir geschilderte Beispiel mit der Kopf-OP zeigt, dass es bereits heute einen Bedarf an vernetzten, digitalen Gesundheitsdienstleistungen gibt. Über die automatisierte Erhebung von Daten kann die Patientenversorgung verbessert, können unnötige und hochriskante Eingriffe vermieden und Menschenleben gerettet werden. […]
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[…] Hilfestellung geben. Es wurde schon mehrfach betont, dass im digitalen Business alle Macht vom Kunden ausgeht. Alles, was ihm Nutzen stiftet und Vorteile bietet, hat die größten Chancen, sich […]
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[…] Welche Devices benutze ich im Alltag? Wovon rate ich ab? Warum ist es wichtig, durch die Kundenbrille zu schauen? Wie habe ich es als Manager, Keynote-Speaker auch noch zum Blogger gebracht? Das und […]
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[…] Megatrends damit gemeint sind und wie sich diese vor allem auf die Kommunikation mit dem Patienten auswirken werden. Dabei schlägt mir vor allem eins entgegen: blanke […]
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[…] digitalen Geschäftsmodellen steht stets der Kunde im Mittelpunkt – um ihn dreht sich alles, denn er entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Geschäftsidee. […]
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[…] über Gesundheit schon zu einem großen Teil im Internet stattfindet, dass des Weiteren die Patienten nach Austausch und emotionaler Unterstützung suchen und immer intelligentere Software bei der […]
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[…] der Empfehlung einer solchen App zeigen Sie Ihren Patienten, dass Sie digitale Kompetenz besitzen. Immerhin benutzt bereits heute ein Drittel der über […]
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[…] Patienten informieren sich immer mehr im Internet. Wie Apotheker sich hier nutzstiftend mit einbringen können, haben wir bereits erörtert. Auch die Therapieunterstützung durch smarte Helfer wird in der Kundenbindung immer wichtiger werden. Wenn Sie diese beiden Ebenen der Kundenbindung digital gut bespielen, geht es letztlich nur noch darum, wie Sie am besten auch den Kauf mit Ihrem Kunden bzw. Patienten digital anbahnen und abwickeln können. […]
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[…] gut oder besser abschneiden als die inhabergeführten Apotheken. Müsste man sie im Rahmen einer patientenorientierten Versorgung nicht ebenso voll berücksichtigen und in die Gremien mit aufnehmen? Könnten sie evtl. sogar von […]
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[…] Und ist es nicht gerade an Flughäfen sehr hilfreich, wenn man in all der Hektik vom Smartphone bequem ans gewünschte Ziel geführt […]
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[…] wie das Genom, Vorerkrankungen und Unverträglichkeiten könnten bei der Zusammensetzung der Arznei individuell berücksichtigt […]
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[…] Ihnen vorliegenden Indizien abwägen, ob ein Angebot seriös – und sinvoll! – für den Patienten ist. Da hilft vor allem der gesunde […]
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[…] wie KI und Chatbots in Zukunft einen immer größeren Einfluss auf den Kundenservice – und positive Kundenerfahrungen – ausüben […]
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[…] nicht-apothekenspezifischer digitaler Gesundheits-Tools und vertiefen wir ein wenig die Suche nach Kundenbedürfnissen. Laut Statista ist die am vierthäufigsten (!) heruntergeladene Gesundheits-App eine Anwendung zum […]
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[…] der Programme Gesundheitsdaten an, die anschließend analysiert werden können, um daraus wiederum für jeden Patienten individuelle Empfehlungen abzuleiten. Bereits heute gibt es Digitale Therapeutika für die […]
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[…] in der die Anamnese, Behandlungsdaten, Medikamente, Allergien und weitere Gesundheitsdaten von Patienten sektoren- und fallübergreifend sowie für das jeweilige Gesundheitssystem einheitlich gespeichert […]
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[…] Apotheke zu bewegen, sind gefragt. Apotheken benötigen eine neue (digitale?) Strategie! Und wer in deren Mittelpunkt zu stehen hat, ist klar. Denn: „der Kunde ist König“ … das haben wir inzwischen ja alle […]
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