Die klassische Datenquelle im Apothekenbereich ist mit Sicherheit das Rezept. Das bekannte, rosafarbene Muster-16-Rezept für Arzneiverordnungen enthält eine Vielzahl von vorgegebenen Feldern, in die jeweils ein Datum (Versichertennummer, Vor-und Nachname des Versicherten, usw.) eingetragen wird. Wenn man nun bedenkt, dass es allein im Jahr 2014 über 1 Milliarde Patientenkontakte in den damals noch über 20.000 öffentlichen Apotheken gab, also über 3,6 Millionen pro Tag, und davon 62,5% über eine ärztliche Verordnung, also ein Rezept, ausgelöst wurden, kann man sich in etwa das jährliche, allein über Rezepte anfallende, Datenvolumen vorstellen. (Quelle der Zahlen: Die Apotheke – Zahlen, Daten, Fakten 2015 der ABDA)

Kassenrezept, die wichtigsten Datenfelder farblich gekennzeichnet.
In der zweiten, typischen Datenquelle für Apotheken, der
Warenwirtschaft – und keine Apotheke in Deutschland kommt heute noch ohne aus – entspricht die Strukturierung der Daten dementsprechend denen der Rezepte. In den zu Grunde liegenden Datenbanken gibt es viele Tabellen, die wiederum Spalten mit eindeutigem – und damit grundsätzlich auswertbarem – Inhalt haben. So gibt es in der „Patiententabelle“ (die natürlich nicht so heißt, aber wir nennen sie jetzt der Einfachheit halber so) Felder, die sich mit Versichertennummer, Vor- und Nachname des Versicherten, usw. befüllen lassen. Damit wären die Daten der Rezepte (62,5% des Absatzvolumens in Apotheken, zumindest im Jahr 2014, s.o.) und der sonstigen 37,5% der Abverkäufe, also OTC- (nicht verschreibungs- aber apothekenpflichtige Arzneimittel, die „über den HV-Tisch“, also over the counter verkauft werden) und Verkäufe der Freiwahlartikel grundsätzlich miteinander vergleichbar.

Weitere wichtige Datenquelle: die Warenwirtschaft
In Deutschland gibt es dazu noch etwas, um das uns viele ausländische Firmen, vor allem im Marketing- und Marktforschungsbereich, beneiden:
Pharmazentralnummern, kurz PZNs. Mit diesen, inzwischen 8-stelligen, ein-eindeutigen Artikelnummern über ein Pharmazentralsortiment, das knapp eine halbe Million Produkte umfasst (von denen im Schnitt pro Apotheke 20.000 an Lager liegen), können sämtliche apothekenüblichen Artikel ausgewertet, verglichen und gemessen werden. Für die pharmazeutische Industrie und ihre Marketingbudgets ist das ein enormer Asset, bekommt man hierdurch sehr gut Transparenz über die Effizienz von Absatzmaßnahmen (u.v.m.). In anderen Ländern gibt es diesen Luxus nicht: Frankreich beispielsweise verwendet 3 verschiedene Datenbanken für seine Rezeptabrechnungs- und Apotheken-Systeme. Eine Vergleichbarkeit der Daten untereinander ist damit schon aufgrund der uneinheitlichen Basis schwierig.

Einheitliche Daten sind eine wichtige Grundlage, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen
Die Rezeptdaten benötigt dabei übrigens jede Apotheke, allein schon für die
Abrechnung mit den Krankenkassen. Ihre Erhebung und Speicherung (da Rezepte auch den Charakter einer Rechnung – an die Krankenkasse – haben, beträgt ihre vorgeschriebene Speicherdauer 10 Jahre laut Gesetz) ist daher ein immanenter Bestandteil des Geschäftsmodells „Apotheke“. Anders verhält es sich dagegen mit den Abverkaufsdaten von nicht auf Rezept abgegebenen Produkten. Von diesen wird zwar über die Kassenterminals der eigentliche Abverkauf erfasst, bis vor Kurzem aber noch ohne jeglichen Personenbezug.
Zu Beginn der 90-er Jahre des letzten Jahrhunderts fingen dann die ersten Apotheken mit der Einführung von Kundenkarten an. Kunden bekamen meist einen Rabatt irgendwo zwischen 3% und 5% auf freiverkäufliche Artikel (rezeptpflichtige Produkte unterliegen für Apotheken mit Sitz in Deutschland einer Preisbindung), wenn sie bei jedem Verkaufsvorgang ihre Kundenkarte zuckten. Dadurch waren Apotheken in der Lage, bei ihren Abverkäufen sowohl die vom Arzt verordneten Arzneimittel als auch alle Produkte, die nicht verordnet waren wie OTC, Kosmetik etc. den jeweiligen Kunden zuzuordnen.

Kundenkarten leisteten einen enormen Beitrag zum Anlegen von Kundenprofilen
Natürlich hatte dies zweierlei Nutzen: einerseits ist es für den Apotheker als Heilberufler unerlässlich, die
komplette Sicht auf den Patienten zu haben. Das heißt, dass Wechselwirkungen zwischen verordneten Arzneimitteln und sonstigen Produkten des Ergänzungssortiments nun ermittelt werden konnten, sofern der Patient sämtliche Gesundheitsprodukte in ein und derselben Apotheke bezog. In Wirklichkeit gehen Patienten natürlich meist in mehrere Apotheken, je nachdem, wie nahe die jeweilige Apotheke beim zuvor besuchten Arzt ist. Dennoch gab und gibt es sicherlich Apotheken, zum Beispiel die sog. „Standortversorger“ (eine Apotheke in Orten oder Kleinstädten ohne direkte Wettbewerbsapotheken im näheren Umkreis), bei denen dieser Aspekt zutrifft und die allein dadurch einen – datenbasierten – Beitrag zur
Arzneimittelsicherheit in Deutschland geleistet haben und nach wie vor leisten.
Der zweite Nutzen betrifft das Marketing, und zwar ganz konkret die richtige Auswahl der jeweils optimalen Zielgruppe: über die Auswertung der Käufe von Kunden – was ebenfalls seit Anfang der 90-er Jahre in den Apothekensystemen möglich ist – war es nun dank der Kundenkarten möglich, Kunden mit bestimmten Vorlieben zu filtern und diese gezielt anzusprechen. Ein Geschäftsmodell, das andere Firmen in anderen Branchen bereits perfektioniert hatten, hielt dadurch Einzug in die Apothekenwelt.

Die richtigen Auswertungen bringen Ordnung ins Daten-Chaos – auch in der Apotheke!
Bis hierhin beruht die Datenfreigabe immer noch auf einer bewussten Entscheidung des Patienten, seine persönlichen Daten gegenüber der Vertrauensperson Apotheker offen zu legen – entweder durch Aushändigung des ärztlichen Rezepts, oder durch Erwerb einer Kundenkarte.
Und genau hier hat die Digitalisierung die erste grundlegende und spürbare Änderung im Verhalten der Patienten bewirkt, indem sie ihn die Entscheidung zur Freigabe seiner persönlichen Daten mit einem simplen Anreizsystem ganz einfach gemacht hat … doch darüber nächste Woche mehr!
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