Dr. Alexander Schachinger ist Gründer und Geschäftsführer der EPatient RSD GmbH aus Berlin. Sein Unternehmen analysiert seit 2009 den digitalen Gesundheitsmarkt und entwickelt digitale Patientenstrategien und Versorgungslösungen. Wenn man mit ihm spricht, bekommt man den Eindruck, dass er die weit mehr als 100.000 Gesundheits-Apps, die es alleine in Deutschland gibt, allesamt kennt und die meisten davon auch persönlich getestet hat. Wer weiß, vielleicht stimmt das sogar. Auf jeden Fall ist er Deutschlands führender Experte für eHealth und digitale Gesundheitsanwendungen. In einem Gespräch, das ich im Oktober 2016 im Rahmen eines Projekts mit ihm geführt habe, gab er sich überzeugt davon, dass in den nächsten 5 Jahren kein Angriff auf das etablierte Geschäftsmodell der Apotheken absehbar sein wird. Bleibt die Frage: und dann?
- Noch nicht unmittelbar bedroht – aber wie viel Zeit bleibt noch?
Wenn Sie Inhaber einer Apotheke sind und nicht vorhaben, diese innerhalb der nächsten 5 Jahre zu verkaufen, sollten Sie sich daher unbedingt mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen. Und wenn Sie Ihre Apotheke innerhalb der nächsten 5 Jahre verkaufen wollen, sollten Sie sich ebenfalls mit der Digitalisierung befassen; wer weiß, wie viel Ihre Apotheke andernfalls noch wert ist.
Dass die Effekte der Digitalisierung in Zukunft weniger werden oder gar verschwinden, ist unwahrscheinlich; zu viele andere Wirtschaftszweige bedienen sich schon der Vorteile, die sie gebracht hat. Die meisten sind sogar inzwischen von ihr abhängig, man denke nur an das Schlagwort „Industrie 4.0“, womit die komplette Vernetzung der Wertschöpfungskette in der herstellenden/ produzierenden Industrie durch digitale Technologien gemeint ist. Eher kurz- als mittelfristig wird auch die Gesundheitsbranche von ihr erfasst werden. Und irgendwann, davon bin ich überzeugt, wird auch die Apotheke der Zukunft, wie ich sie im letzten Kapitel skizziert habe, einfach nur „die Apotheke“ (=der Gegenwart) sein … Abweichungen von meiner Vision in gewissen Nuancen sind natürlich möglich.
Also hilft wohl alles nichts: Sie müssen sich selbst und höchstpersönlich mit diesem Thema auseinandersetzen. Falls es noch nicht geschehen ist, muss schleunigst ein strategischer Prozess in Gang gesetzt werden. Das Ziel dabei: die Definition Ihrer digitalen Agenda für Ihre Apotheke. Im Vordergrund sollte dabei die Überlegung stehen, welches Ziel Sie am Ende Ihrer digitalen Transformation erreicht haben wollen. Anders gefragt: wie soll Ihre Apotheke 2.0 ausschauen?

Wie soll Ihre Apotheke 2.0 ausschauen?
Für diesen Prozess möchte ich heute und mit künftigen Beiträgen Hilfestellung geben. Es wurde schon mehrfach betont, dass im digitalen Business alle Macht vom Kunden ausgeht. Alles, was ihm Nutzen stiftet und Vorteile bietet, hat die größten Chancen, sich langfristig durchzusetzen. In der Apotheke liegt der Patientennutzen für gewöhnlich in der Förderung von schneller Linderung und der nachhaltigen und langfristigen Bewahrung der Gesundheit. Und schließlich beeinflusst die Digitalisierung vor allem die Art und Weise, wie wir kommunizieren und Informationen untereinander austauschen. Also konzentrieren wir uns darauf, wie Sie Ihre Apotheke schon heute dazu bringen können, möglichst effizient (also dort vollautomatisch, wo es sinnvoll und möglich ist), jedem Ihrer Patienten einfach, intuitiv und individuell das Optimum anzubieten.
Unbedingt berücksichtigen dabei sollten wir Ihre persönlichen Stärken. Warum? Das erklärt sich am einfachsten anhand von Beispielen: wenn Sie eher introvertiert sind und sich lieber im Labor mit der Anfertigung von Rezepturen beschäftigen, sollten Sie nicht unbedingt die „Influencer“-Karriere auf YouTube mit Videos zu Kosmetik-Tipps anpeilen – selbst wenn es in Zukunft bei entsprechend vielen „Followern“ auf diesem Kanal dafür interessante Werbekostenzuschüsse von der Industrie geben wird … und ob das überhaupt wünschenswert oder gar positiv zu bewerten ist, will ich hier gar nicht ausdiskutieren. Fakt ist: solche Einnahmequellen gibt es und Menschen, deren Qualifikation fraglich ist, nutzen sie.
Sind Sie hingegen eine absolute „Rampensau“, warum dann nicht Live-Videos auf Facebook (Achtung! Niemals Kunden oder Mitarbeiter ohne deren vorherige Einwilligung filmen oder fotografieren und auf sozialen Netzwerken veröffentlichen!) mit Gesundheitstipps stellen? Wenn Sie Schwierigkeiten haben, sich kurz zu fassen, ist Twitter mit seiner Begrenzung auf 280 Zeichen garantiert nicht das richtige Forum für Sie. Wenn Sie aber begeisterter Hobbyfotograf sind, warum stellen Sie dann nicht Ihre Bilder auf einem öffentlich zugänglichen Instagram-Account aus? Sie werden dadurch als Mensch für Ihre Kunden „greifbarer“ und gerade Fotos lassen sich immer gut mit Inhalten verknüpfen: machen Sie ruhig gelegentlich Nahaufnahmen von Heilpflanzen und erzählen Sie etwas dazu. Damit informieren Sie und zeigen fachliche Kompetenz.

Social Media: bitte setzen Sie sich damit auseinander!
Als Einstiegsübung googeln Sie bitte mal Ihre Apotheke. Und, gefunden? Natürlich, und zwar im Bruchteil einer Sekunde, inklusive Fotos, eines Links auf Ihre Webseite und dem Routenplaner von Google Maps. Aber schauen Sie genau! Steht unter der Telefonnummer folgender Satz: „Sind Sie der Inhaber dieses Unternehmens?“ – denn wenn dieser Satz da steht, haben Sie Ihre Apotheke noch nicht bei Google My Business registriert und sämtliche angezeigten Informationen zu Ihrer Apotheke sind frei im Internet auffindbar und vor allem nicht gezielt, sondern zufällig gesammelt worden.
Ohne Werbung für Google machen zu wollen: die Eintragung bei Google My Business macht absolut Sinn. Ich habe bereits ausgeführt, dass Google die Bedürfnisse aller Internetnutzer genauestens kennt. (Ja, „aller“ meine ich so, wie es da steht.) Und das, was Sie in Ihrer Apotheke anbieten, kann viele dieser Bedürfnisse stillen: Gesundheit steht auf vielen Wunschlisten ganz weit oben. Bringen Sie also Angebot und Nachfrage mit ein paar Klicks zusammen. Stellen Sie ansprechende Bilder zur Verfügung (Fotos mit sympathischen Menschen sind übrigens immer besser als das obligatorische Panorama der Offizin … mal ehrlich: für den Patienten gleicht eine Offizin der anderen, auch wenn wir beide wissen, dass natürlich Ihre die Schönste ist) und präsentieren Sie sich und Ihre Mitarbeiter. Das sorgt für Wiedererkennung und Vertrautheit. Laut Google Trends, das die Häufigkeit von Suchbegriffen in einem bestimmten regionalen Gebiet und in einem bestimmten Zeitraum analysiert, nimmt die Häufigkeit von Suchbegriffen wie „Apotheke“, „Apotheke in meiner Nähe“ oder „Apotheke Notdienst“ in den letzten Jahren konstant zu. Die Patienten suchen Sie … was alleine für sich schon eine gute Nachricht ist. Also sorgen Sie dafür, dass Sie gefunden werden!
Behalten Sie auch die Bewertungen Ihrer Apotheke auf Google und Bewertungsportalen wie „Jameda“ u.ä. im Auge, auf denen Ihre Kunden Bewertungen abgegeben haben. Kommentieren Sie diese im Bedarfsfall zügig und empathisch und keinesfalls „von oben herab“. Und natürlich können Sie auch Ihre besten Kunden um eine gute, aber ehrliche Bewertung bitten. Die schlechten Bewertungen kommen nämlich umsonst – Trolle zögern meist nicht lange.
Eignen sich eigentlich soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, Instagram oder Snapchat, um potentielle Neukunden anzusprechen? Ich persönlich glaube, dass sie das heute noch nicht tun. Natürlich können Ihre bestehenden Kontakte Ihre Apotheke weiter empfehlen. Dadurch bekommen Sie neue „Freunde“ oder „Follower“ – aber inwieweit diese dann auch zu kaufenden Kunden werden, ist höchst fraglich. Aber sicherlich macht es Sie stolz, wenn der chilenische Cousin eines Ihrer Kunden Ihre Facebook-Seite geliked hat … der Hauch der großen, weiten Welt!
Was Sie aber in der Tat über diese Kanäle hervorragend tun können, ist Ihr Image zu pflegen und mit bestehenden Kunden sowie sonstigen Marktbegleitern (wie mir, zum Beispiel) in Kontakt zu treten und zu kommunizieren. Ich habe vor, einen neuen Bereich hier einzurichten, in welchem ich auf öffentlichen Profile von Apothekern auf Facebook, Twitter, YouTube uvm. verlinken werde. Schauen Sie, wie Ihre Kollegen dort vor allem sich selbst, aber auch die vielen guten Seiten des Apothekerberufs präsentieren. Vernetzen Sie sich untereinander und mit mir und weiteren Marktbegleitern. Selbst wenn es untereinander keine Kundenbeziehung oder gar Wettbewerb gibt, kann man nur voneinander lernen. Den Übergang in die digitale Welt meistert man gemeinsam ohnehin besser als alleine.
Die Fortsetzung dieses längeren Beitrags folgt nächste Woche …
[…] hatte ja im vorletzten Kapitel angekündigt, über „digitale Erfolgsgeschichten“ von Apothekern berichten zu wollen. […]
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[…] kann der Patient Ihre Apotheke als Stammapotheke hinterlegen? Ansonsten riskieren Sie, dass er Ihren Service rein zu Informationszwecken nutzt und […]
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[…] letzten Absatz habe ich von der Positionierung der Apotheke geschrieben. Deren Wichtigkeit darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Wenn es nämlich nur um […]
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[…] und mehr Apotheken auch mit Gesundheits-Apps auseinander, um diese ihren Kunden im Bedarfsfall auch empfehlen zu können. Das ist nicht nur sinnvoll, sondern auch richtig, um die digitale Zukunft mitgestalten […]
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