Kapitel 13: der digitale Fingerabdruck

Was vielen Internet-Nutzern, vor allem in sozialen Netzwerken, nicht bewusst ist: jede Information, die preisgegeben wird, verbleibt für immer im Internet und ist dort auffindbar. Dabei heißt „auffindbar“ nicht, dass jeder Mensch mit einem Computerzugang alles finden kann – aber interessierte Kreise können das sehr wohl. Und spätestens damit dürfte klar sein, dass das aktuelle deutsche Datenschutzrecht sich mit dem öffentlich zugänglichen, von nationalen Grenzen weitgehenden befreiten Internet nur bedingt verträgt. Denn wie sollen persönliche Daten geschützt werden, die deren Inhaber völlig gedankenlos preisgibt – ja, von denen er höchstwahrscheinlich noch gar nicht einmal weiß, wie nachhaltig er sie veröffentlicht.

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Schnell noch ein Selfie hochladen – und damit allerhand über sich verraten.

Denn oft weiß man gar nicht, was man da genau von sich frei gibt. Wenn ich in einer fremden Stadt bin und auf Facebook einen Eintrag mit Ortsangabe (sog. „Geotagging“) verfasse – verrate ich dann nicht potentiellen Einbrechern an meinem Wohnort, dass ich momentan nicht zu Hause bin? Wann haben Sie zuletzt die Privatsphäre-Einstellungen in den sozialen Netzwerken überprüft, in denen Sie unterwegs sind? Allein aus diesem Grund kann man jedem, der sich im Internet bewegt, nur empfehlen, jede Information, die er über sich selbst preisgibt, immer so zu gestalten, dass man sie auch bedenkenlos ans schwarze Brett hängen würde.

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Was man mit einem Post nicht alles mitteilt, ohne es zu wissen …

Oder die Relevanz bzw. der gesellschaftliche Zusammenhang von veröffentlichten Daten ändert sich. Es mag paranoid klingen, aber wenn heutige Studenten sich auf Partys fotografieren und die Bilder dann auf sozialen Netzwerken teilen, so gehen sie damit durchaus ein Risiko für ihr späteres (Berufs-)Leben ein. Zum Beispiel weil, etliche Jahre später, der zukünftige Arbeitgeber – oder die Kranken- bzw. Lebensversicherung –  hieraus ein Risiko ableitet oder von einem längst vergangenen, ehemaligen Lebensstil auf grundsätzliche schlechte Lebensgewohnheiten schließt, die der Betroffene gar nicht oder nicht mehr hat. Natürlich kann man jetzt einwenden, dass sich das Nachtleben mit all seinen „Nebenwirkungen“ nicht verändert hat, seitdem es junge Leute gibt. Das mag durchaus sein – aber die analogen Fotos „unserer“ Studentenzeit, sofern sie überhaupt noch existieren, vergilben zurzeit irgendwo in irgendwelchen Pappkartons auf irgendeinem Speicher … und sind nicht in hochauflösender Qualität bis in alle Ewigkeit auf einem Server gespeichert, von dem wir noch nicht einmal wissen, wo er steht.

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Es ist vielleicht manchmal sogar besser, wenn keine Gesichter auf den Fotos in sozialen Netzwerken zu sehen sind …

Wenn Sie ein Profil auf Facebook oder Twitter haben, können Sie diesem Link zu Apply Magic Sauce folgen. Dahinter versteckt sich ein Algorithmus der University of Cambridge, der ein Persönlichkeitsprofil von Ihnen anhand Ihrer Likes auf Facebook oder Twitter erstellen kann. Von der politischen über die religiöse bis hin zur sexuellen Orientierung – lassen Sie sich vom Ergebnis überraschen. Die University of Cambridge behauptet, dass sie schon mit 10 Likes (!) die Studienteilnehmer besser einschätzen kann, als deren Arbeitskollegen das können. Ab 70 Likes kennt einen der Algorithmus besser als Freunde, ab 150 Likes besser als Familienmitglieder und ab 300 Likes besser als der Ehepartner. Wenn Sie also das nächste Mal auf Facebook einen Beitrag liken, machen Sie sich bitte klar, dass Sie damit auch stets eine Information über sich selbst preis geben. Ich bin mir sicher, dass das den Wenigsten auch nur ansatzweise bewusst ist.

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Die „Apply Magic Sauce“ Homepage der University of Cambridge

Die zuvor beschriebene Unbefangenheit im Umgang mit den eigenen Daten ist ein weiterer wichtiger Grund dafür, dass das weltweite Datenvolumen immer schneller anwächst – die anderen Gründe liegen v.a. in den immer kleiner werdenden Geräte (über die wir in Teil 1 gesprochen haben) und der zunehmenden Vernetzung von Geräten (Teil 2).

Die Menge an weltweit verfügbaren Daten wächst sogar exponentiell. Man kann davon ausgehen, dass sich die Menge der Daten zwischen 2010 und 2020 um den Faktor 50 (!) vervielfachen wird. Ebenso beeindruckend ist eine andere Zahl: 90% aller Daten wurden erst in den letzten beiden Jahren geschaffen. Das heißt, seit Anbeginn der Menschheit, bis zum Jahr 2015, haben wir lediglich 10 % aller Daten erschaffen – den Rest erst seitdem. Die Vermehrung von Daten erfolgt dabei in atemberaubender Geschwindigkeit, die Zeitung „DIE ZEIT“ spricht von einer Verdoppelung alle 2 Jahre. Der Hauptgrund hierfür liegt vor allem darin, dass es heute viel mehr Möglichkeiten gibt, Informationen zu veröffentlichen. Gedanken, die früher im Tagebuch oder im Notizblock notiert wurden und die keine Menschenseele je zu Gesicht bekommen hat, landen heute auf Twitter oder Facebook und werden innerhalb von 10 Minuten von tausenden Menschen rund um die Welt gesehen, geliked und kommentiert … wodurch dann wiederum weitere auswertbare Daten hinzukommen: wer hat’s gesehen, wem hat’s gefallen und wer hat sogar noch etwas dazu geschrieben. All das sind bestens vermarktbare Informationen.

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Wir generieren Daten in atemberaubender Geschwindigkeit rund um die Welt

Wir generieren aber nicht nur in immer schnellerer Geschwindigkeit immer mehr Daten. Die Daten, die wir generieren werden dabei, nachdem es für Einträge in sozialen Netzwerken keine Struktur- und nur ganz wenige Inhaltsvorgaben gibt, immer unstrukturierter und variabler. Herkömmliche Such- und Auswertungsmethoden, wie z.B. die Suche nach Schlagworten, können schon heute bei nur noch gut 5% der Daten angewendet werden. Der Rest ist für herkömmliche, tabellarisch strukturierte Programme – wie z.B. Excel – nicht mehr zu bewältigen. Eine vergleichsweise neue Technologie, inzwischen aber ein echter Megatrend, schafft hier Abhilfe: Big Data.