Aufräumen mit Marie Kondō (in der Apotheke)

Bestimmt kennen Sie Marie Kondō, die japanische Ordnungs- oder Organisierungs-Beraterin, deren Serie „Aufräumen mit Marie Kondo“ Anfang 2019 auf Netflix lief und durch die sie endgültig einem internationalen Publikum bekannt wurde. Zuvor hatte sie schon mehrere Bücher veröffentlicht, von denen vier auch auf Deutsch erschienen sind und trat, vor allem in ihrer Heimat Japan, auf Vorträgen und im Fernsehen auf. Ihre Art des Aufräumens und Entrümpelns ist, in Anlehnung an ihren Namen, als „KonMari-Methode“ bekannt und funktioniert so: zuerst sammelt man alle Gegenstände einer beliebigen Kategorie, beispielsweise alle Kochbücher in der Küche. Im Idealfall kann man diese an einer Stelle stapeln und sich dann durch den Stapel durcharbeiten. Gegenstand für Gegenstand nimmt man nun die Dinge in die Hand – und behält nur diejengen, die „Freude bereiten“ (auf englisch „to spark joy“ oder „ときめく“ tokimeku auf japanisch , wo die Bedeutung in etwa bei „flattern, pochen, klopfen“ liegen dürfte). Alle anderen Habseligkeiten des Stapels werden weggeworfen.

2015 WebSummit Day 2 - Society Stage

Marie Kondō auf dem Web-Summit in Dublin im Jahr 2015 (c) Diarmuid Greene / SPORTSFILE / Web Summit – https://www.flickr.com/photos/websummit/22765900312/, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=75912897

Die steigende Beliebtheit von Marie Kondō auch bei uns kann als deutliches Zeichen dafür gesehen werden, dass sie ein menschliches Bedürfnis anspricht, das ganz tief in uns verwurzelt liegt und das nun wieder an die Oberfläche drängt. In der ostasiatischen Shintō-Religion, von der KonMari stark beeinflusst ist, gibt es die Behauptung, dass unsere Umwelt, also unsere äußere Erscheinung, das reflektiert, was in unserem Inneren geschieht. Also zeigen diese simplen Bemühungen um häusliche Ordnung auch unseren intrinsischen Wunsch nach Einfachheit, Transparenz und Ordnung. Digitalisierung ist hierbei sicherlich ein Katalysator. Denn je schneller sich ein Wandel vollzieht, so wie eben die Digitalisierung in alle Gesellschaftsbereiche hineindringt, um so größer ist das Verlangen nach Ordnung und Vertrautheit. Wenn Marie Kondō uns in ihrer Reality-TV-Show also auffordert, unsere Kleidung, Bücher, Papiere und persönliche Gegenstände aus den Schubladen zu nehmen und nur diejenigen, die uns „Freude bereiten“ zu behalten, fordert sie uns auf, unsere Umgebung mit neuen Augen zu betrachten und mehr Aufmerksamkeit auf die Dinge zu richten, mit denen wir uns im Alltag umgeben.

Ist die Digitalisierung also ein Teil des Problems unserer Gegenwart? Und was hat eine zierliche Frau aus Japan mit Ihrer Apotheke zu tun?

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Schnappschuss aus dem Zimmer meiner Töchter … bevor KonMari angewandt wurde

Stellen wir uns doch einfach mal vor, Marie Kondō käme tatsächlich in Ihre Apotheke. Heute. Jetzt. Was würde sie beim Betreten der Offizin sehen? Wenn tatsächlich die äußere Erscheinung den inneren Zustand spiegelt – was würde sie sehen, wenn sie ihren Blick über Ihre Frei- und Sichtwahl schweifen ließe? Würde ihr die Ordnung im Warenlager „Freude bereiten“ oder bekäme sie eher Herzflattern wegen zu vieler Ladenhüter und Staubfänger? Und wie wäre das, wenn sie nach dem Aufräumen noch einen Termin zur Kosmetikbehandlung oder zum Anmessen von Kompressionsstrümpfen bräuchte – ginge die Terminvergabe eher schnell und unkompliziert oder würde es lange dauern und unkoordiniert ablaufen?

Am meisten zu tun hätte sie vermutlich in der Freiwahl. Dort, wo die Ware im direkten Zugriff der Kunden steht, ist eine hohe sog. „Präsentationsdichte“ sehr wichtig. Denn die letzte Packung nimmt man ja nicht, das gehört sich schließlich nicht. Aber wie wäre es denn, wenn man mit sog. „Heatmaps“ die Laufwege der Kunden und ihre Aufenthaltsdauer an einzelnen Regalen oder Aufstellern messen könnte? Wenn Sensoren sogar aufzeichneten, an welche Stelle die Kunden wie lange hinschauen – also was einerseits ihre Aufmerksamkeit weckt und was andererseits in der Fülle des Angebots untergeht? Natürlich kann man das aus Gründen des Datenschutzes nicht einfach so in jeder Apotheke einführen – in der Innovations-Akademie deutscher Apotheken (IDA) der Bayer Vital GmbH in Köln steht eine „Apotheke der Zukunft,“ in der u.a. genau diese Technologien ausprobiert und erforscht werden. Durch diese Heatmaps bekommt sofort Hinweise darauf, wo sich ein Entrümpeln am meisten lohnt. Auch einen Automaten mit Sensoren, die in der Lage sind, den Hauttyp zu bestimmen gibt es in Köln. Er bietet nach dem Test auch gleich noch die für den individuellen Hauttyp geeignete Kosmetik an. In der IDA kann man all das ausprobieren. Und natürlich fällt einem in dieser Apotheke der Zukunft eines sofort auf: alles ist so aufgeräumt. Das wirkt keineswegs steril, sondern eher entspannend, weil die Augen nicht permanent auf der Suche sind: sie finden, ohne suchen zu müssen.

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Virtuelle Kosmetik-Freiwahl;  Bild (C) BD Rowa

Gut sortiert ist in den meisten Apotheken, die ich kenne, die Sichtwahl. Natürlich wird hier schon häufig mit Software für Category-Management gearbeitet, die Produkte nach Indikationsgebieten zusammenfasst und sortiert. Dabei werden auch saisonale Besonderheiten berücksichtigt. Wenn dann das Category-Management auch noch in die Warenwirtschaft integriert ist, hat man kaum noch administrativen Aufwand. Aber weckt das Anfassen der Packungen bei Ihnen wirklich Freude? Oder würden Sie sich davon trennen, wenn Sie könnten? Immerhin wird in der Sichtwahl ja jede Menge Kapital gebunden. Und wenn man kurz vor Ende der Heuschnupfenzeit versehentlich noch zu viele Antiallergika bestellt, wird dieses Kapital im schlimmsten Fall sogar vernichtet. Zum Glück gibt es für diesen Fall die digitale Sichtwahl. Monitore, welche die Arzneimittel realistisch darstellen sind immer aufgeräumt und allzeit korrekt sortiert. Der Aufwand fürs Umräumen ist immer nur einen Klick weit entfernt. Und auch das Entrümpeln funktioniert hier per Drag and Drop. Marie Kondō würde das bestimmt sehr gefallen …

Und das müsste sie auch, denn danach geht es weiter ins Warenlager. Stehen da noch Schubladen? Wie viel Freude bereitet das Ziehen der Schubladen Ihren Mitarbeitern, was denken Sie? Intelligente Menschen mit einer fundierten Ausbildung verbringen ihren Arbeitstag damit, vom Kunden wegzugehen (!) und im Geiste das Alphabet aufzusagen, um die richtige Schublade zu ziehen. Kann man natürlich so machen. Sieht vermutlich, oberflächlich betrachtet, auch ordentlich aus. Aber ein Kommissionierautomat würde Unordnung gar nicht erst aufkommen lassen – selbst wenn er die Packungen nicht alphabetisch, sondern chaotisch einsortiert. Im Automaten steht die Ware immer am richtigen Platz, weil die Software den optimalen Platz für sie berechnet. Und sowohl Sie als auch Ihre Mitarbeiter können sich voll und ganz Ihren Kunden widmen. Denn nur durch diese Kommunikation mit Ihren Kunden bleiben Sie auch in Zukunft wirklich unverzichtbar.

Copyright: Olaf Malzahn

Digitale Sichtwahl mit Ausgabeschacht eines Kommissionierautomaten; Bild (C) BD Rowa

Wie schaut es mit dem Termin für das Anmessen von Kompressionsstrümpfen aus? Hätte Marie Kondō das über ein Webportal oder gar einen Chatbot vereinbaren können? Ohne Wartezeit – und ohne dass dadurch wertvolle Ressourcen auf beiden Seiten für absolut simple administrative Aufgaben gebunden werden? Den meisten Menschen bereitet Papierkram, wozu letztlich auch das Nachschlagen im Kalender nach dem nächsten freien Termin und das Eintragen dieses Termins gehören, keine Freude. Zwar ist bei einer einfachen Aufgaben, die ohne das Verschwenden allzu vieler Gedanken erreicht werden kann, der Erfolg garantiert –  aber Freude kommt dabei nun wirklich nicht auf. Was können wir also tun, um sämtlichen Verwaltungsaufwand in Ihrer Apotheke zu verringern? Lassen wir doch einfach Künstliche Intelligenz (KI) diese anspruchslosen Aufgaben übernehmen. Repetetive, monotone Aufgaben ohne den geringsten Anspruch an Kreativität könnten und sollten künftig durch KI erledigt werden. Ein anderes Beispiel ist Ihr E-Mail-Postfach als ApothekeninhaberIn. Warum konfigurieren Sie nicht Ihr E-Mail-Programm so, dass die Mails automatisch für sie nach Priorität sortiert werden und Sie abends, statt sich durch hunderte von Spam-Mails zu klicken, nur die wirklich für Sie relevanten Nachrichten durchlesen. Und hierbei reden wir noch nicht mal von KI – das lässt sich in jedem Mailprogramm mit normalen Anwenderkenntnissen einrichten.

Zum Abschluss müssen wir natürlich nochmal an die Kasse gehen. Wenn Sie oder Ihr Team vor lauter Displays nicht mehr zu sehen sind, wird es nochmal Zeit für KonMari: entrümpeln Sie. Denn die Ware auf dem Display gibt es auch im Internet zu sehen – Ihr sympathisches Team, das Ihre Kunden ganz analog anlächelt und berät, hingegen nicht. Und wenn Sie auf Cross-Selling-Impulse, welche durch Displays nachweislich ausgelöst werden, dennoch nicht ganz verzichten wollen, so hat heute jeder Warenwirtschaftsanbieter kleine Monitore oder Zahlteller. Auf diesen kann man, ganz statisch, immer denselben Artikel bewerben, so wie im Aufsteller-Display eben. Oder man kann individuell auf den Kunden zugeschnittene Angebote anzeigen lassen, zum Beispiel aufgrund der Artikel aus seinem aktuellen Kaufvorgang oder seiner bisherigen Einkaufshistorie. Das hat nicht nur einen positiven kommerziellen Effekt, sondern es wirkt auch sehr aufgeräumt.

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Kunden, die so ein Post-It hinterlassen, kommen garantiert wieder!

Und so helfen uns sowohl die zierliche Marie Kondō als auch die Digitalisierung dabei, unsere Apotheke vor Ort zu entrümpeln, zu positionieren und dabei dem Kunden ein echtes Einkaufserlebnis zu bieten. Darunter verstehe ich, dass möglichst viele seiner Sinne angesprochen werden und er positive Emotionen mit dem Apothekenbesuch verbindet. Und wie uns digitale Tools beim Aufräumen unterstützen, das haben Marie Kondō und ich Ihnen mit dem virtuellen Rundgang durch Ihre Apotheke in den letzten 8 Absätzen hoffentlich plakativ darstellen können.

Auf dass Ihre Apotheke bei Ihnen, Ihrem Team und Ihren Kunden allzeit Freude erwecken möge!