Vergangenes Wochenende habe ich die Interpharm in Stuttgart besucht und durfte dort auch einen Vortrag halten. Abonnenten der DAZ können eine Zusammenfassung davon übrigens online lesen … und evtl. werde ich ihn in Kürze auch auf dieser Seite nochmal veröffentlichen. Während ich heute rückblickend von der Veranstaltung äußerst angetan bin – immerhin gab es neben tollen Vorträgen auch hervorragende Möglichkeiten zur Vernetzung innerhalb der Branche auf der Ausstellung – so gibt es für mich doch einen etwas faden Beigeschmack (für den der Veranstalter aber nichts kann): ich bin nämlich mit dem Auto angereist. 150 Kilometer, überwiegend Autobahn, von der schönen Pfalz nach Stuttgart – glauben Sie mir, vergnügenssteuerpflichtig ist das garantiert nicht!Im Stau auf dem Nachhauseweg habe ich mich dann richtig geärgert. Ich wollte am Samstag Nachmittag nämlich noch mit meiner Familie bei uns in die Weinberge gehen und uns ein wenig mit meiner Drohne filmen, einem Weihnachtsgeschenk meiner Frau. Das macht natürlich nur bei Tageslicht Sinn und meine Verspätung drohte, diesen Zeitplan zu gefährden. Natürlich war ich sehr genervt von dem Stau und merkte erst allmählich, dass ich mich auch innerlich unruhig fühlte und ein wenig zitterte. Zwar bin ich kein Diabetiker, aber diese Unterzuckerungssymptome kenne ich bei mir. Meistens hilft mir ein wenig Schokolade oder Gummibärchen, damit sie schnell weg gehen. Nur im Stau und ohne Vorräte im Auto blieb mir nur eins: aussitzen und bei der nächsten Raststätte raus.
Aber wie ist das bei einem Diabetiker mit akuter Hypoglykämie? Kann der überhaupt noch weiter fahren? Klar, es ist unwahrscheinlich, dass Diabetiker ihr Haus ohne Notfallset verlassen. Und wenn doch? Oder einmal weiter gedacht: was, wenn jemand im Stau einen Herzinfarkt hat und schnellstens einen Defibrilator benötigt? Natürlich kennen Sie die Schilder „Rettungsgasse bilden,“ die man an Autobahnbrücken jetzt immer häufiger angebracht sieht. Die hängen dort nicht ohne Grund – und im Stau am Wochenende konnte ich feststellen, dass der gemeine Autofahrer in etwa so konsequent Raum für eine Rettungsgasse lässt, wie er sich an Tempolimits hält. Nämlich gar nicht.
Könnte es sein, dass meine beiden Gedankenstränge sich kombinieren lassen? Die Drohne habe ich bis jetzt immer als „Spielzeug“ betrachtet und ihren Einsatz im heilberuflichen Bereich als Spinnerei abgetan. Aber wenn man es dann am eigenen Leib merkt und sich sehnlichst eine „Haribo-Drohne“ über der Autobahn wünscht, bekommt man eine andere Sicht darauf. Also habe ich angefangen zu recherchieren und ein paar auch für die Apotheke interessante Dinge herausgefunden.
So werden in Singapur schon Drohnen getestet, die medizinische Ausrüstung (z.B. einen Defibrilator) zu Anrufern der dortigen Notfallnummer 955 bringen. Dort gilt die Faustregel, dass bei einem Myokardinfarkt innerhalb von 11 Minuten erste Hilfe geleistet werden muss, da sonst schwere Folgen nicht mehr auszuschließen sind. Im Stadtstaat Singapur gibt es häufig Staus. Die verfügbaren Flächen neben den Straßen sind häufig nicht ausreichend breit genug, als dass Helikopter dort landen könnten. Und auch wenn die Drohnen keinesfalls als Ersatz für einen Notarztwagen gedacht sind, so können sie den Patienten doch die dringend benötigte Zeit beschaffen. Da in Singapur so gut wie jeder Mensch ein Smartphone besitzt, mt dem sich Videoanrufe tätigen lassen, können Ersthelfer vor Ort vom Operator des Notrufs 955 instruiert werden, zum Beispiel darüber, wie sie beim Opfer Erstversorgungs- oder sogar Wiederbelebungsmaßnahmen vornehmen können, bis der Notarzt eintrifft.

Keine Raketenwissenschaft mehr: Videotelefonie auf dem Smartphone
In Ruanda wiederum ist das Startup Zipline aus dem Silicon Valley angetreten, um Patienten mit Arzneimitteln und Blutspenden per Drohne zu versorgen. Die dortigen Straßenverhältnisse sind offenbar so schlecht, dass eine Auslieferung mit dem Fahrzeug häufig gar nicht oder nur mit starker Verzögerung möglich ist. Zipline wurde 2014 gegründet und verfügt über Finanzmittel von Risikokapitalgebern, darunter so starke Player wie Sequoia Capital und Google Ventures, als auch private Anleger wie Paul Allen, einem der beiden Gründer von Microsoft. Das Engagement dieser Investoren spricht für das Potential und die Skalierbarkeit dieses Geschäftsmodells.
Aber nicht nur in für uns exotischen Weltgegenden wie Singapur oder Ruanda werden Drohnen zur Lieferung von Arzneimitteln eingesetzt. Und es sind auch nicht immer nur Startups, die sich damit beschäftigen: im US-Bundesstaat Massachusetts hat UPS vor etwas über 2 Jahren die Lieferung eines Asthmasprays vom Festland auf eine Insel getestet, die 3 Kilometer von der Küste entfernt im Atlantik liegt und nicht mit dem Auto erreichbar ist.Zeit, auch für die Apotheken in Deutschland, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Natürlich gibt es heute noch Beschränkungen, die einen Einsatz von Drohnen in der Breite verhindern, wie z.B. dass man Drohnen heute nicht außerhalb der Sichtweite fliegen darf, was ihren Bewegungsradius sehr einschränkt. Die „delivery by drone“ im Notdienst muss also noch ein wenig warten. Aber wenn man einen Blick auf die bisherige Evolution der Digitalisierung wirft, dann wiederholen sich folgende Muster:
- alles, was automatisiert werden kann, wird automatisiert
(autonom fliegende Drohnen gibt es schon, sie werden nur leider derzeit nahezu ausschließlich militärisch genutzt; ihr Automatisierungsgrad ist aber enorm hoch) - Kunden erwarten eine immer schnellere Lieferung ihrer Bestellung
(und der kürzeste Weg vom Lager zum Kunden ist der direkte – also der Luftweg) - Geschäftsmodelle mit dem höchsten Kundennutzen behaupten sich
- Geschäftsmodelle, die ein Kundenbedürfnis befriedigen oder eine Kundenunzufriedenheit beseitigen, behaupten sich
(denken Sie an meine „Haribo-Drohne“ im Stau!)
Früher habe ich über das Thema Arzneimittel-Drohnen tatsächlich gelacht. Aber die Beispiele aus Singapur, Ruanda und Massachusetts haben mir gezeigt, dass es hierfür mancherorts bererits einen tatsächlichen Bedarf und beste Einsatzmöglichkeiten gibt. Und der gedankliche Transfer von abgelegenen Dörfern im Hinterland Zentralafrikas hin zu Fahrzeugen, die auf einer deutschen Autobahn zur Bewegungslosigkeit verdammt sind, ist gar nicht mehr so weit. Von daher würde ich zwar momentan noch nicht unbedingt mein gesamtes Vermögen auf Medikamenten-Drohnen wetten. Aber ich würde anfangen, den Einsatz zu erhöhen.
[…] (lokal gemeinsamen, bei Foodora oder Lieferando abgeschauten?) Botendienst oder meinetwegen auch mit Drohnen geschieht, ist eine andere Diskussion, in die auch Themen wie z.B. die Patientensicherheit […]
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[…] Virgina im Osten der USA bereits seit letztem Jahr machen und liefern an hochansteckende Patienten per Drohne?Die größten Heilungschancen hat man immer dann, wenn die Krankheit frühzeitig und schnell […]
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