Kapitel 17: die Fusion von analog und digital

Vor Kurzem habe ich mich mit einem Freund über Kryptowährungen unterhalten, ein Thema, auf das ich hier ansonsten aber nicht weiter eingehen werde. Jedenfalls erzählte er mir im Laufe des Gesprächs, dass er einen bestimmten Euro-Betrag in einem Depot aus (virtuellen) Bitcoins und anderen Kryptowährungen angelegt hat. Um an dieses Depot zu gelangen brauche er nur einen beliebigen PC und sein Wallet, eine Art digitaler Geldbeutel, in welchem der private Schlüssel für seinen persönlichen Zugang zum Depot gespeichert ist. Dieses Wallet, erzählte er mir, trage er auf einem USB-Stick immer bei sich.

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Der Bitcoin ist die wohl bekannteste Kryptowährung

Für mich eine Offenbarung: selbst, wenn wir mit rein virtuellem Geld spekulieren und handeln, brauchen wir immer noch Hardware –  und wenn es nur ein USB-Stick ist – die den analogen Geldbeutel nachbildet. Und auch die Kryptowährung als solche, so zumindest mein Empfinden, schöpft ihren Wert noch nicht aus sich selbst heraus. Es bedarf immer noch einer Umrechnung in die uns bekannten Währungen, damit wir eine Referenz haben. Irgendwie scheinen in diesem Bereich des Cybergelds zwei Welten, die analoge und die digitale, nebeneinander zu existieren. Also habe ich nach weiteren Beispielen für dieses Phänomen von „analog/ digitalen Hybriden“ gesucht, losgelöst vom Cybergeld. Dabei bin ich auf ein paar bemerkenswerte Projekte und Unternehmen gestoßen.

Aber der Reihe nach: im letzten Kapitel habe ich versucht, die Gesetze der Evolution auf die technologische Entwicklung („kleiner, besser, schneller“, Mikroprozessoren sind immer kleiner, vom Großrechner über Smartphones bis hin zu Wearables, usw.) anzuwenden. Wenn wir dieses Wissen jetzt also konsequent zu Ende denken, dann stellen wir fest, was Entertainer Frank Astor mit einem Augenzwinkern so formuliert:

„Die digitale Transformation ist eine Lawine und hat das Tal noch lange nicht erreicht.“

Frank Astor & Michi Marchner, „Future Now – Zukunft ist jetzt!“, Pro BUSINESS, Berlin, 2017, S. 20

Denn inzwischen sind sich nicht nur Experten einig, dass auch Smartphones und Wearables nur Übergangstechnologien sein werden. Schließlich benötigt man für die Bedienung eines Smartphones immer mindestens eine Hand, die einem dann für andere Tätigkeiten fehlt. Die reinen Informationen hingegen, die einem Mobilgeräte zur Verfügung stellen, können hingegen durchaus wertvoll sein. Stellen Sie sich nur einen Chirurgen bei einer Operation vor, der parallel die Vitalwerte des Patienten überwachen muss. Keine Chance, hierbei ein Smartphone zu benutzen. Also benutzt man auch heute noch Monitore, die aber außerhalb des Blickfelds des Arztes liegen. Selbst, wenn der Arzt seinen Kopf nur ganz leicht bewegen muss, kann er niemals auf die zu operierende Stelle und den Monitor gleichzeitig schauen … es sei denn, er benutzt eine Datenbrille, die ihm alle relevanten Informationen direkt in sein Blickfeld einspielt.

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Hände frei und alles im Blick dank sog. „Smart Glasses“

Ein weiteres Beispiel sind Navigationsgeräte. Im Auto gibt es inzwischen Head-Up-Displays, bei denen die Navigationshinweise durch Reflexionseffekte in der Windschutzscheibe ins Blickfeld des Fahrers eingespielt werden. Dadurch ist der Blick immer auf der Straße und man ist weniger durch Blicke in den Innenraum des Fahrzeugs abgelenkt.

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Tachometer und Navigationshinweise im Head-Up-Display

Aber was machen die Fußgänger? Natürlich kann man sich heute optimal vom Smartphone in jeder fremden Stadt zur nächsten Sehenswürdigkeit lotsen lassen. Während man dann also als Smombie durch die Straßen streift (und dabei bestens verwertbare Daten für Apple, Google und Co. generiert), bekommt man vom eigentlichen Leben an diesem Ort gar nichts mit. Hier setzen die SuperShoes an, deren Idee so einfach wie genial ist: mit Vibrations-Signalen am linken oder rechten Schuh wird der Weg zum Ziel einfach und intuitiv beschrieben. So weit, so praktisch

Weiter gesponnen: denken wir doch mal an Blinde, die mit dieser Technologie mehr Sicherheit im Alltag bekommen können. Denn natürlich können die Vibrationen nicht nur den Weg anzeigen, sondern auch vor Hindernissen warnen, wenn deren Sensoren mit einer Datenbrille gekoppelt sind. Und dafür gibt es sogar einen konkreten Anwendungsbereich in der Apotheke: fragen Sie am besten Ihre Kollegen, die schon einmal einen (der, zugegeben, äußerst seltenen vorkommenden) Stromausfall im Kommissionierautomat hatten und dann ein chaotisch gelagertes Arzneimittel suchen mussten. Der Stromausfall kümmert den Schuh nicht, er wird beim Gehen aufgeladen. Und den Lagerort des gesuchten Arzneimittels finden wir in der Cloud

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In Zukunft bei Stromausfall in der Apotheke vermeidbar?

Also prognostiziere ich schon jetzt, dass wir Grenzen verschieben werden, um die Hände wieder frei zu bekommen ohne dabei auf den Input unserer digitalen Begleiter verzichten zu müssen. Sensoren werden direkt in den Körper implantiert werden – nicht nur, um damit im angesagtesten Club in Barcelona bezahlen zu können. Und wir werden digitale Produkte fest und dauerhaft in unseren eigenen Körper integrieren.

Am 15. Februar 2016 veröffentlichten Forscher der Wake Forest University in North Carolina einen Artikel im renommierten „Nature Biotechnology“ Journal, in dem sie ausführten, dass sie einen 3D-Drucker geschaffen haben, der Organe, Gewebe und Knochen produzieren kann, die theoretisch auch Menschen implantiert werden können. Die unbegrenzten – und aus ethischer Sicht problemlos vertretbaren – Möglichkeiten dieser Technologie kämen einem Quantensprung gleich, sollte dieser Durchbruch tatsächlich dauerhaft gelingen. Das Drucken von Arzneimitteln aus dem 3D-Drucker mit persönlicher, auf das eigene Genom optimierter Zusammensetzung wirkt im Vergleich dazu fast schon langweilig … obwohl auch darin ein unschätzbares Potential liegt.

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3D-Drucker im Einsatz

Die Heidelberger Precisis AG forscht an subkutanen Elektroden, die außerhalb des Kopfknochens angebracht wird. Diese innovative Technik soll nach Abschluss der klinischen Prüfung diejenigen Epilepsie-Patienten therapierunterstützend begleiten, bei denen Medikamente nicht mehr oder nur noch unzureichend helfen. Unsichtbar und kaum merkbar für den Nutzer werden hier durch eine patentierte Stimulation die kranken Areale im Gehirn stabilisiert. In dem Moment, in welchem sich der epileptische Anfall seinen Weg bahnt, wird er durch einen elektrischen Impuls direkt wieder unterdrückt und der Anfall dadurch verhindert.

Die digitale Welt wird zunehmend mit der analogen Welt verschmelzen. Arzneimittel und Organe werden digital hergestellt werden und dann – organisch und analog – ein Teil von uns werden. Diagnosegeräte werden zum Bestandteil unseres Körpers. Wie immer muss nur der Nutzen groß genug sein, damit Patienten diese neuen Technologien einsetzen. Und je schlechter die Prognose für den Patienten mit den herkömmlichen Methoden ist, umso niedriger wird die Hemmschwelle sein, sich auf Experimente einzulassen.

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Analog und digital, Hand in Hand

Was bedeutet nun also diese bis hierhin beschriebene Entwicklung für die Apotheke von morgen? Werden die Apotheker auch in Zukunft noch Salben rühren, Notdienste leisten und Fertigarzneimittel über den HV-Tisch verkaufen? Oder werden auch diese Tätigkeiten von irgendwelchen „Nachfolgetechnologien“ abgelöst werden?

Natürlich kann ich nicht in die Zukunft sehen. Jede Prognose von heute kann morgen schon von unvorhergesehenen Ereignissen komplett überworfen werden. Um also das Bild von der Apotheke der Zukunft weiter zu schärfen, werfen wir als nächstes einen Blick auf den größten Treiber der Digitalisierung: den demografischen Wandel.