Die Dampfmaschine, das Auto oder der Computer: all diese Geräte oder Technologien waren einmal neu und die Menschen bestaunten sie, ein jedes zu seiner Zeit, ehrfurchtsvoll. Aber dann irgendwann einmal kam die Gewöhnung und inzwischen hält beim Anblick einer Dampfmaschine, eines Autos oder gar eines Computers keiner mehr inne. Wie wird unsere Gesellschaft aussehen, wenn wir die Auswirkungen der Digitalisierung als normal empfinden? Und wie sieht dann die Apothekenlandschaft in Deutschland aus?

Was hält die Zukunft für uns bereit?
Die nach 1980 geborenen Jahrgänge sind mit Personal Computern aufgewachsen und haben das Internet vor ihrem 20. Geburtstag kennen gelernt. Smartphones kamen noch vor dem 30. Geburtstag hinzu, also in einer Lebensphase, in der man Innovationen in aller Regel noch sehr aufgeschlossen gegenüber steht und diese auch problemlos in den eigenen Lebensalltag integriert. Der Großteil von ihnen hat sicherlich auch ein oder mehrere Social-Media-Accounts und ist mit der Erhebung und Vermarktung der darin anfallenden Daten zumindest stillschweigend einverstanden. Digital, so wie ich es in diesem Blog schon mehrfach beschrieben habe, ist für die Menschen zwischen 30 und 40 also vor allem eins: normal. Alles, was wir heute noch als futuristisch empfinden, wir für sie und vor allem für ihre Kinder ganz normaler Alltag sein.
Spielen wir doch einmal gedanklich durch, wie ein typischer Start in den Tag im Jahr 2050 aussehen könnte. Mein Sohn kam 2007 auf die Welt, wird dann also in etwa mein heutiges Alter haben. Wie wird er leben? Arbeiten? Sich um seine Gesundheit kümmern? Wie wird er sich selbst in dieser postdigitalen Welt definieren? Wobei „postdigital“ dabei nicht heißt, dass die Errungenschaften der Digitalisierung passé sein werden – im Gegenteil: sie werden ein selbstverständlicher Teil des Alltags sein und keine Besonderheit mehr, die nur ein paar Freaks und Geeks zu verstehen im Stande sind. Auch unsere Zeit, oftmals als postindustrielle Ära bezeichnet, baut ja gerade auf den Errungenschaften der Industrialisierung auf. Sie hat diese keineswegs obsolet gemacht oder verdrängt – sondern die Innovationen der industriellen Revolution sind das Fundament unseres „Zeitalters der Dienstleistungen.“

Unser heutiger Lebensstandard wäre ohne die Dampfmaschine nicht denkbar
Es ist also der 26. November 2050 und der Wecker klingelt. Kleinste Sensoren in der Bettwäsche, den Wänden und in der Toilette werden aktiv. Sie untersuchen Herzschlag und Schweiß, Körperhaltung und Mimik sowie die Ausscheidungen daraufhin, ob Abweichungen von der Norm feststellbar sind. Und zwar der für jeden Menschen aufgrund seines Genoms und Makrobioms individuell berechneten Norm. Notwendige Eingriffe, beispielsweise durch Dosisanpassungen in den Arzneimitteln, werden direkt ins Frühstück „eingespeist“ – z.B. durch weiter entwickelte 3D-Drucker. Diese können komplette Mahlzeiten zubereiten, soweit sie die dafür notwendigen Rohstoffen vorrätig haben – so wie heute eine Kaffeemaschine auch Cappuccino zubereiten kann, wenn man eine Milchtüte mit einem Schlauch an sie anschließt. Arzneimittelwirkstoffe können sich dabei, je nach Galenik, entweder in den Nahrungsmitteln selbst befinden, oder separat dispensiert werden. Fragen zur Gesundheit stellt man einer Software, die ohne Hardware läuft und die in die Wände integriert ist. Die Wände sind natürlich keine Wände mehr, sondern große Flachbildschirme, die auch als Heizung oder Fernseher fungieren können -jederzeitiger Tapetenwechsel auf Knopfdruck inklusive. Diese „Gesundheits-Software“ nimmt bei Fragen zur Gesundheit eine Gewichtung vor, bedient sich dabei Künstlicher Intelligenz und Big-Data-Algorithmen und schaltet lediglich im äußersten Notfall einen Menschen zur Konsultation per Video hinzu. Das kann, je nach Fragestellung, ein Arzt, ein Apotheker, aber auch ein Physiotherapeut oder ein Psychiater sein. Überfüllte Wartezimmer und Notaufnahmen sollte es dann jedenfalls nicht mehr geben.

Fernseher, Tapete und Berater: die „Smart Wall“ im Jahr 2050
Es gibt mehrere Auffälligkeiten in dieser postdigitalen Skizze vom Start in den Tag. So sind zum einen die Arzneimittel bzw. deren Wirkstoffe bereits beim Patienten. Ein Besuch in der Apotheke scheint nur noch für die Akutversorgung nötig zu sein. Außerdem hat sich der Tätigkeitsfokus aller Leistungserbringer deutlich mehr in Richtung der Beratung im Bereich der eigenen Kompetenz verschoben. Wenn wir also davon ausgehen, dass sich das Apothekengesetz nicht dramatisch ändert, gibt es eindeutige Implikationen aus meiner Skizze. Diese beschreibe ich im nächsten Beitrag separat, quasi als Aktualisierung des bereits veröffentlichten Kapitels zum Apothekenberuf im digitalen Zeitalter.
Was aber, wenn die hier zu Grunde liegenden Annahmen komplett falsch sind? Hierzu werde ich dann im übernächsten Beitrag einige Impulse setzen: vielleicht sind wir nämlich die ganze Zeit schon auf dem Holzweg, was die Digitalisierung betrifft – nur merkt es noch niemand …
[…] Im letzten Beitrag habe ich skizziert, wie Sensoren laufend unsere Gesundheit messen und nahrungsergänzende, arzneilich wirksame Stoffe automatisch in unser Essen und Trinken einspeisen, beispielsweise durch 3D-Druck. Beratungsgespräche finden dabei meist per Videoübertragung aus den eigenen 4 Wänden heraus statt. […]
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[…] den Weg in die Zukunft. Eine Zukunft, in der die Errungenschaften der Digitalisierung genauso normal und selbstverständlich sein werden, wie für uns das Fernsehen, das Auto oder die Stromversorgung […]
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[…] den Begriff in seinem Welterfolg „Snow Crash“ als Bezeichnung für einen zukünftigen Nachfolger des Internets. In diesem bewegen sich die Nutzer nicht mit Hilfe eines Browsers, sondern bedienen sich […]
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