„Alexa, ich habe Kopfschmerzen!“

Haben Sie auch einen Echo Dot von Amazon zu Hause? Den wohl bekanntesten der sog. Intelligenten Persönlichen Assistenten (IPA), mit denen man ganz normal sprechen kann. Ein solcher Sprachassistent kann nicht nur „auf Zuruf“ die Beleuchtung im Haus steuern, wenn Sie über ein sog. „Smart Home“ verfügen, er kann auch Ihre Lieblingsmusik abspielen, Ihnen die Zeit berechnen, die Sie zur Arbeit benötigen werden und, natürlich, auch Konsumgüter nachbestellen. Damit er das tut, müssen Sie es ihm einfach nur in normaler Sprache sagen. Sprachassistenten sind angewandte Beispiele für Künstliche Intelligenz: wenn Sie sagen „spiele mein Lieblingslied,“ kennt er dieses, ohne dass Sie einen bestimmten Titel oder Interpreten nennen müssen. Und wenn Sie sagen „wie lange brauch ich ins Büro,“ weiß der Sprachassistent auch, welchen Ort sie meinen, ohne dass Sie ihm die genaue Adresse – wie beispielsweise dem Navigationssystem im Auto – nennen müssen. Schon praktisch, oder?

 

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Die Oberseite eines Echo Dot von Amazon

Dass einen diese Geräte ausspionieren, ist allgemein bekannt – Menschen, die sich so etwas anschaffen, nehmen das billigend in Kauf. Sie treffen eine bewusste Entscheidung, weil für sie der praktische Nutzen die Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes überwiegt. 

Weitere bekannte Sprachassistenten sind Siri von Apple, Cortana von Microsoft oder der Google Assistant, der mit den prägnanten „OK, Google“-Werbespots vor einiger Zeit häufig im Fernsehen beworben wurde.

Was die Nutzung betrifft, so sind die digitalen Sprachassistenten längst im Mainstream angekommen. Im Jahr 2017 benutzten schon 37% der Deutschen diese Technologie, mit weiterhin steigendem Trend. Haupteinsatzgebiete sind das Schreiben von Nachrichten, Suchmaschinenfunktionen und das Abspielen von Musik.

Und auch der immer weiter Verbreitung findende Anwendungsfall des Nachbestellens von Konsumgütern ist für Verbraucher äußerst bequem: „Siri, bitte bestell Kaffee nach„, „Alexa, wir brauchen wieder Weichspüler“ oder „OK, Google, lass Milch nach Hause liefern.“ Der Sprachassistent hört mit und wir können unsere Bestellung in dem Moment platzieren, in welchem wir uns der bevorstehenden Knappheit von Verbrauchsprodukten gewahr werden. Hierin liegt der Hauptnutzen, denn man kann im relevanten Moment die Bestellung auslösen und muss keine Einkaufslisten (egal ob digital oder analog) pflegen oder riskieren, im Supermarkt die Hälfte zu vergessen. Zusatznutzen im Falle von Alexa: hier erfolgt die Lieferung dann natürlich von Amazon, wo man als sog. „Prime-Kunde“ bereits am nächsten Tag beliefert wird.

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An die Haustür geliefert: Päckchen von Amazon

Spannend bei den Sprachassistenten ist dabei, dass sich die erwähnten Firmen mit diesen Gadgets selbst kannibalisieren. Google lebte bis jetzt davon, dass in einer Ergebnisliste nach einer Suchabfrage auf einen oder mehrere dieser Treffer geklickt wurde. Jeder Klick auf ein beworbenes Ziel in der Trefferliste bedeutet für Google Einnahmen. Bei „OK Google, lass Milch nach Hause liefern“ gibt es keine Trefferliste mehr. Die Lieferung erfolgt unmittelbar. Beim allerersten Anwendungsfall wird vielleicht noch der Wunschlieferant abgefragt – danach steht dieser fest.

 

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Wie werden Sie morgen noch gefunden werden?

Auch Amazon und Apple sind etablierte Online-Marktplätze, die von der Vermittlung von Aufträgen an eine Vielzahl von Lieferanten bis jetzt immer gut leben konnten. Aber beim Sprachassistenten wird sich kein Anwender zwanzig Einträge vorlesen lassen, um dann eine Auswahl zu treffen. Es wird schneller gehen. Die Trefferliste wird kleiner werden. Wer bisher nicht unter den ersten 3 Einträgen gelistet war, wird gar nicht mehr gefunden werden. Und darin liegt das enorme Disruptionspotential der Intelligenten Persönlichen Assistenten. Betroffen davon sind nicht nur die Vermittler (Google, Apple, Amazon), sondern auch die Hersteller der Produkte: die Milch von welcher Marke wird bestellt? Welcher Kaffee oder welcher Weichspüler, um bei den Beispielen von oben zu bleiben. Und, um mal einen Blick auf den OTC-Markt zu werfen: welches Analgetikum? Welches Ibuprofen oder Paracetamol? Das Günstigste? Das Bekannteste? Das, deren Hersteller den höchsten WKZ an den Vermittler zahlt?

 

Heute finde ich meine Stammapotheke schnell in Google und kann ein paar Bewertungen anschauen, die andere Kunden dort hinterlassen haben. Auf der Homepage sehe ich den Inhaber und seine Mitarbeiter. Ich kann auch eine Mail dort hin schicken oder mein Rezept über die Apotheken-App abfotografieren und zur Vorbestellung hin schicken, wenn ich das möchte. Aber eines kann ich heute nicht: mit der Aussage „Alexa, ich habe Kopfschmerzen!“ eine Bestellung dort auslösen.

Die Gewöhnung der Konsumenten an Sprachassistenten findet derzeit statt. Es ist ein Segment, das stark wächst: Alexa und Co. waren Weihnachten 2017 unter mehr Weihnachtsbäumen zu finden als jemals zuvor. Momentan sind die Apotheken in diese neue Prozesskette mit ihrem Warenkreislauf noch nicht wirklich integriert. Selbst die großen OTC-Hersteller suchen noch nach Ihrem Platz in diesem System.

despair-513530_1920Das von mir skizzierte Szenario ist jedoch real. Es klingt bedrohlich. Noch stehen die Figuren aber auf diesem digitalen Schachfeld auf der Anfangsposition. Die Zeit zum Mitgestalten ist noch nicht abgelaufen – weder für Apotheken noch für Hersteller. Aber der Zwang zum Handeln ist dringend. Denn ich als Patient bleibe natürlich meiner Apotheke treu – und einen Echo Dot besitze ich auch nicht. Aber die nachfolgende Generation wird hier eine andere Erwartungshaltung haben. Auf „Alexa, ich habe Kopfschmerzen!“ hat die unverzügliche Lieferung zu erfolgen – egal von wem!