Im letzten Beitrag ging es um den steten Wandel, dem (nicht nur) die Apotheken ausgesetzt sind. Manchmal wird dieser Wandel als eine Art Evolution bezeichnet, die eher langsam und iterativ geschieht. Dann wieder ist die Rede von der digitalen Revolution, die innerhalb kürzester Zeit alles auf den Kopf stellt. Ich bin der Meinung, dass die Digitalisierung sowohl eine Evolution als auch eine Revolution ist – es kommt eigentlich nur auf den Zeitraum an, den man betrachtet. Von Jahr zu Jahr entwickeln sich die Dinge langsam, es gibt neue Versionen von Betriebssystemen, Smartphones oder Wearables und all dies folgt einem nachvollziehbaren, evolutionären Rhythmus. Betrachtet man hingegen die Entwicklung von Dekade zu Dekade, dann wird aus der Evolution plötzlich doch die Revolution. Die Betriebssysteme auf Laptops, Smartphones und Tablets sahen vor 10 Jahren nämlich komplett anders aus als heute. Die Vielfalt und Qualität der Smartphones ist mit denen aus dem Jahr 2010 – da gab es gerade mal das iPhone 3 – kaum mehr vergleichbar. Und was Wearables sind, wussten damals nur Tech-Insider. Der disruptive Faktor liegt also in den Zeiträumen, die wir unseren Betrachtungen zu Grunde legen.

Nur ist es ja meistens so, dass man keine Apotheke gründet, um nach 10 Jahren wieder auszusteigen. Das Engagement ist sehr langfristig und die Planung der meisten Apothekeninhaber sieht vor, irgendwann aus der Apotheke in den Ruhestand zu gehen. Also braucht es Mechanismen, um innerhalb dieser Lebensarbeitszeit dem eingangs beschriebenen Wandel auch angemessen zu begegnen. Das ist übrigens vor allem eine Frage der inneren Einstellung und nicht so sehr des Alters. Sie spiegelt sich vor allem in den unterschiedlichen Erwartungen, die Mitarbeiter unterschiedlicher Altersstufen an ihren Arbeitsplatz haben. Und darin liegt eine der größten Herausforderungen für Apothekeninhaber. Oder haben Sie schon mal von Apotheken gehört, die sich vor lauter Bewerbungen nicht mehr retten können?
Dass es trotz all der Widrigkeiten unserer Zeit auch in Zeiten von Corona und E-Rezept Apotheken gibt, in denen sowohl Chef(in) als auch das Team mit Begeisterung und Spaß zum Arbeiten kommen, ist jedoch kein Hexenwerk. Ich kenne zwar nicht das Geheimnis jeder einzelnen Apotheke, aber ich glaube, einige der entscheidenden Faktoren ausgemacht zu haben, die alle erfolgreichen Apothekeninhaberinnen und -inhaber, die ihre Apotheke im digitalen Zeitalter erfolgreich und modern führen, gemeinsam haben:
- Authentizität. Seien Sie vor allem Sie selbst. Wenn Sie sich verstellen, bekommen Sie auch nur die Mitarbeiter, die zu Ihrem verstellten Ich passen. Dass das auf Dauer vor allem Sie selbst nicht zufrieden stellt, liegt auf der Hand. Und auch die Mitarbeiter werden feststellen, dass Ihr Handeln nicht zu Ihrer Gestik und vor allem nicht zu Ihrer Mimik passt. Seien Sie also so, wie Sie sind. Sie müssen nicht im Kapuzenpulli in die Apotheke kommen, um eine coole Chefin oder ein cooler Chef zu sein. Authentische Menschen sind auch in Anzug und Krawatte cool. Ob Sie mit den Mitarbeitern per „Du“ oder per „Sie“ sind, das entscheiden ebenfalls alleine Sie. Und alle werden es problemlos akzeptieren. Oder, falls Sie Anzüge und Krawatten noch nicht einmal besitzen und allenfalls noch den Pharmazierat siezen – wunderbar! Hauptsache, Sie treten ehrlich auf. Mitarbeiter und Kunden spüren das und vergelten es in aller Regel mit einem hohen Gut: ihrer Loyalität.
- Offenheit. Veränderung passiert. Jede Generation schreibt die gesellschaftlichen Regeln neu. Und jede Generation bringt diese Regeln mit all ihren Eigenheiten in die Arbeitswelt mit ein. Sich dagegen aufzulehnen ist allenfalls ein Beschleuniger für Ihren Burn-Out. Nehmen Sie es stattdessen gelassen und freuen Sie sich auf die neuen Perspektiven, die dadurch in Ihrer Apotheke Einzug halten. Kultivieren Sie Vielfalt statt Monokulturen. Es gibt schon heute Apotheken, in denen PKAs und PTAs arbeiten, die mehrere Zehntausend Follower auf Instagram oder TikTok haben. Wichtig ist nicht, ob Sie als Chefin oder Chef das gut finden – aber wissen sollten Sie es. Denken Sie nur daran, wie schnell Sie über so eine Mitarbeiterin oder so einen Mitarbeiter Informationen in die Breite streuen können oder auch mal schnell eine Umfrage lancieren können. Frühere Generationen haben davon doch nur träumen können!
- Technikverständnis. Als Apotheker müssen Sie natürlich nicht im Detail wissen, wie Code geschrieben wird, Festplatten verlötet werden oder die Plattformökonomie im Detail funktioniert. Aber Sie sollten auf keinen Fall inneren Widerstand gegen Neues entwickeln. Denn ständig erscheinen neue Tools, die Ihnen die Arbeit erleichtern könn(t)en. Wichtig ist es dabei vor allem, die Spreu vom Weizen zu trennen. Sich also nur mit denjenigen Werkzeugen überhaupt zu beschäftigen, die zu Ihrer Apotheke und Ihren Vorstellungen passen. Das setzt ein gewisses Grundverständnis voraus. Gut ist auch, wenn man verstanden hat, dass Digitalisierung um der Digitalisierung Willen niemals der richtige Weg ist. Sollten Sie auf zu viel Technik schlicht und einfach keine Lust haben, was vollkommen in Ordnung ist, dann stellen Sie zumindest sicher, dass es im Team jemanden gibt, der darüber dennoch den Überblick behält und Ihnen gute Handlungsempfehlungen macht. Das ist übrigens nach meiner Erfahrung eine Zusatzaufgabe, die gerne auch mal ohne Murren übernommen wird.
- Vertrauen. Anders als in den Apotheken, wo Telepharmazie noch eine Nische ist, hat sich Präsenzarbeit in vielen Jobs während Corona komplett erübrigt. Das setzt enormes Vertrauen in die Fähigkeiten und die Motivation der Mitarbeiter seitens der Vorgesetzten voraus. Viele tun sich damit immer noch schwer. Aber auch in der Apotheke sollten Sie davon ausgehen, dass Ihre Mitarbeiter grundsätzlich motiviert sind (falls nicht – siehe Punkt 1). Kontrolle jedenfalls sorgt in keinem Job dieser Welt für zusätzliche Motivation. Viele Unternehmen steuern stattdessen mit Zielen. Wäre das nicht auch etwas für die Apotheke? Anstelle von Kontrolle hat sich offenes und regelmäßiges Feedback ebenfalls sehr bewährt. Die Mitarbeiter wissen so, wo sie gerade stehen und Sie als Inhaber merken frühzeitig, wenn etwas in die falsche Richtung läuft. Insbesondere während der heißen Corona-Phase im Frühjahr, als die meisten Apotheken ihre Teams getrennt hatten, waren regelmäßige Teambesprechungen per Videokonferenz enorm wichtig für den Zusammenhalt der kompletten Belegschaft. In den meisten Apotheken wurde dadurch das gegenseitige Vertrauen sogar noch gestärkt.
- Ihr Spiel – Ihre Regeln. Authentizität, Offenheit, Technikaffinität und Vertrauen sind wichtige Faktoren. Letztlich ist und bleibt Ihre Apotheke aber vor allem – Ihre Apotheke. Also sollten Sie sich notieren, was Ihre Unternehmenskultur eigentlich ausmacht. Dies zunächst vor allem, damit Sie sich selbst ein klares Bild über die Essenz Ihres Unternehmens machen können. Zur Kultur gehören Details, wie der Schreibstil von Apotheken-E-Mails nach außen (braucht es immer die Anrede? Sind Abkürzungen ok? usw.), Fragen zur Kleidung oder zum Maß an Respekt, das Sie als angemessen Ihnen gegenüber empfingen. Im zweiten Schritt sollten Sie in derartig grundlegende Themen auch die Mitarbeiter einbeziehen. Das bringt Sicherheit, auch in Bezug auf das eigene Verhalten jedes einzelnen und reduziert die Wahrscheinlichkeit von Fehltritten, die Sie am Ende nerven und nur Zeit kosten.

Mit diesen Tipps sollten Sie gut aufgestellt für Mitarbeiter aus allen Generationen. Natürlich bekommen Sie alleine dadurch nicht automatisch schneller neue Mitarbeiter. Aber zumindest stecken Sie einen möglichst klar sichtbaren Rahmen, damit diejenigen, die schon da sind, noch besser verstehen, auf was Sie sich einlassen. Weniger interessant für neue Teammitglieder jeglicher Altersstufe wird Ihre Apotheke dadurch übrigens auch nicht. Und wer weiß, vielleicht flattert Ihnen ja so auch bald schon die nächste Bewerbung per Facebook-Messenger rein:
„Hi, hast Du n Slot frei fürn Vorstellungsgespräch. Nicht vor 10 Uhr bitte. LG“
… ob und wie Sie auf so etwas antworten, haben Sie hoffentlich beim Lesen dieses Beitrags schon für sich entschieden.