Künstliche Intelligenz – Mythos oder Realität

Künstliche Intelligenz (KI) ist einer dieser Begriffe, die man in letzter Zeit immer häufiger hört. Aber was ist KI überhaupt? Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um ein Computerprogramm, das selbstständig entscheiden und handeln kann. Die dahinterliegende Technik funktioniert dabei nach folgendem Prinzip: zunächst wird eine riesige Menge Daten – zum Beispiel Bilder oder Texte – in dem Programm gespeichert. Auf diese greift die KI dann zurück, wenn sie eine Entscheidung treffen muss. Die aktuelle Situation wird mit den gespeicherten Informationen verglichen. Die KI berechnet, welches die richtige Reaktion ist und bewertet das Ergebnis. Mit jeder neuen positiv bewältigten Situation erhält sie weitere Informationen und verbessert so kontinuierlich ihre Reaktionen. Sie wird also intelligenter. Dieser Prozess, auch „deep learning“ oder „machine learning“ genannt, liegt den meisten Arten von KI zu Grunde.

Stellen Sie es sich anhand von Katzenbildern vor. Man zeige einer KI einfach Millionen von Tierbildern und immer dann, wenn eine Katze zu sehen ist, bestätigt man dies. So „lernt“ die KI irgendwann – aber sehr effizient – zu erkennen, ob auf einem Bild eine Katze zu sehen ist, oder eben keine Katze. Es gibt gewisse Grenzfälle wie Tiger, die alle Merkmale einer Katze aufweisen, aber keine Katze sind. Es könnte also manchmal auch sinnvoll sein, sich nicht immer auf das Urteil einer KI zu verlassen. Und falls Sie Kinder haben, erinnern Sie bitte einfach nur, wie viele Katzen benötigt wurden, bis Ihre Kinder Katzen von Hunden (oder Tigern) unterscheiden konnten – sicherlich keine Millionen.

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Rechts eine Katze, links keine Katze. So (ungefähr) lernt Künstliche Intelligenz.

Auch wenn diese Beispiele nun eher den Eindruck erwecken, dass KI mehr künstlich ist als intelligent, so umgibt sie uns doch heute schon überall. Denn KI hat eine einzigartige Stärke: sie erkennt Muster in Datenmengen, die für menschliche Intelligenz nicht zu bewältigen sind. So erkennen beispielswiese neue Smartphones den Benutzer am Gesicht – bei Apple heißt das FaceID. Wie das funktioniert? Beim erstmaligen Einrichten der Gesichtserkennung werden unzählige Bilder vom Gesicht gemacht. Dabei werden vor allem biometrische Merkmale, wie der Abstand der Augen und noch tausende weitere gespeichert. Beim Entsperren des Smartphone erfolgt jetzt ein Vergleich der aktuellen Kameraaufnahme mit den gespeicherten Informationen. Stimmen diese überein, erfolgt die Entsperrung des Geräts. Frühere Generationen von Gesichtserkennungssoftware hatten noch mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen: je nach Stimmungslage des Benutzers , Lichtverhältnissen bis hin zum Haarschnitt wurden Gesichter häufig nicht erkannt. Diese Kinderkrankheiten scheinen aber inzwischen gelöst: mein Smartphone erkennt mich in allen Lebenslagen: nach dem Aufwachen mit zersausten Haaren genauso wie mit oder ohne Brille. Selbst an Sommerwochenenden mit Sonnenbrille und Baseball-Cap kann ich es mit meinem Gesicht entsperren. Die Mustererkennung ist hier also schon äußerst ausgereift. Allerdings kenne ich in der Tat auch zwei eineiige Zwillinge, die sich so ähnlich sehen, dass sie gegenseitig ihre Handys mit FaceID entsperren können.

Facebook bedient sich übrigens ebenfalls Künstlicher Intelligenz. Auf welche Beiträgen wird auf „Gefällt mir“ geklickt? Wie lange verweilt man auf bestimmten Beiträgen? Und welche Links werden vom Benutzer angeklickt? All dies wird von der Facebook-KI analyisert und zur kontinuierlichen Optimierung der Timeline anhand der erkannten Muster benutzt. Auch Sprachassistenten wie Alexa oder Siri verwenden KI, um Sprache zu „entschlüsseln“ und ihren Benutzer von Mal zu Mal besser zu verstehen. Und selbst beim Autofahren unterstützen uns KI-basierte Assistenten – von der Anzeige der Geschwindigkeitsbegrenzung im Display (Verkehrsschilder werden hier als Muster am vorbeiziehenden Straßenrand erkannt und interpretiert) bis hin zum immer schneller werdenden Piepsen, wenn das Hindernis beim Einparken sich der Stoßstange nähert.

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KI hilft beim Einparken

Auch Ärzte setzen zunehmend KI ein. Bei der Diagnose von Krankheiten ist sie eine große Hilfe: anders als ein Arzt, der letztlich nur ein Mensch mit seinen begrenzten zeitlichen und kapazitativen Ressourcen ist, kann sie Krankheitssymptome, Röntgenbilder oder Krankenakten in Sekundenschnelle mit einer riesigen Menge an Informationen abgleichen und durch die Erkennung von Mustern bei ähnlich gelagerten Fällen feststellen, welche Krankheit der Patient mit welcher Wahrscheinlichkeit haben könnte. Sie ist das effizienteste Werkzeug bei der Befundung, das es jemals gab.

Auch in der Apotheke wird KI eine immer größere Rolle spielen. Insbesondere in diesen drei Bereichen wird sie schon bald zu einem wichtigen Werkzeug werden:

  1. Logistik. Da KI in der Lage ist, Muster zu erkennen, kann sie auch in der Arzneimitteldistribution eingesetzt werden. Sie kann Über- und Unterversorgung aufdecken und, durch Anreicherung aus weiteren Quellen wie Twitter oder Google, regionale Verläufe von Krankheiten und Epidemien vorhersagen. Vor allem auf nationaler Ebene können dadurch Versorgungsengpässe künftig durch bedarfsgerechte Belieferung präventiv vermieden werden.
  2. Personalisierte Medizin. Durch den Abgleich von potentiell Milliarden Patientendaten können erfolgreiche Therapien durch KI innerhalb von Sekunden erfasst und mit den Parametern eines jeden Patienten abgeglichen werden. Auch die Verbesserung oder Verschlechterung der Wirkung von Substanzen durch individuelle Anpassung ihrer Dosis und Wirkstoffmenge an das Genom des Patienten wird die KI in ihre Berechnungen mit einfließen lassen. Herauskommen wird für jeden Patienten das optimale Medikament – und zwar stets für seine aktuelle Situation, die sich nicht nur aus der Indikation, sondern auch dem Genom, dem Makrobiom und vermutlich auch seinem sozioökonomischen Umfeld zusammensetzt. Fertigarzneimittel? Sie werden uns bald so anachronistisch vorkommen, wie die Apothekenutensilien aus dem Museum. Und natürlich werden die eben beschriebenen, genetisch individuellen Arzneimittel aus dem 3D-Drucker kommen …
  3. Adhärenz. KI wird die für das nicht abgestimmte Absetzen von Arzneimitteln und somit den ungewollten Abbruch von Therapien typischen Verhaltensmuster immer besser kennenlernen. Sobald sie ein solches Verhalten sicher identifiziert, kann sie den Arzt oder Apotheker informieren. Vor allem Letzterer wird seine Rolle als Heilberufler durch eben diese Unterstützung von Computern besser ausüben können als jemals zuvor. Und mit Sicherheit wird es auch Tools oder Apps geben, die mit Hilfe von KI lernen, auf welche Anreize der Patient reagiert, und ihn dadurch zu therapietreuem Verhalten steuern.

machine-1776925_1920Halten wir als Fazit also fest, dass uns Künstliche Intelligenz schon heute an vielen Stellen umgibt – oft sind wir uns dessen gar nicht bewusst. Oder hätten Sie wirklich KI hinter der Einparkhilfe Ihres Autos vermutet? Künstliche Intelligenz ist kein Mythos mehr, sondern alltägliche Realität. Für den heilberuflichen Aspekt des Apothekers und seiner Mitarbeiter liegt darin ein enormes Potential. KI kann administrative und eintönige Aufgaben übernehmen und so wertvolle Zeit für die Kommunikation mit den Kunden sowie die sozialen Interaktionen innerhalb des Apothekenteams freischaufeln.