Ich lebe auf dem Dorf. Die Versorgung dort ist in aller Regel sehr gut. Wir haben zwei Allgemeinärzte, einen Zahnarzt und bis vor einigen Jahren sogar zwei Apotheken. Inzwischen ist aber nur noch eine davon übrig. Um die Apotheke soll es aber heute erst einmal nicht gehen. Vielmehr geht es darum, wie ich neulich einmal ein Rezept benötigt habe, dieses aber auf dem für mich bis dahin „normalen“ Weg schlicht und einfach nicht erhalten habe.

Aber der Reihe nach: seit ich 16 Jahre alt bin, also seit über 30 Jahren, bin ich Asthmatiker. Seit dem Studium, also seit über 20 Jahren, bin ich hervorragend auf Symbicort eingestellt. Morgens ein Hub und ich hab Luft für den ganzen Tag. Verordnet bekomme ich immer eine Packung mit 3 × 120 Hub. Das reicht mir also immer für ungefähr ein Jahr. Nun war es im Sommer wieder einmal soweit, dass ich nachbestellen musste. Und das geht bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln natürlich nur über ein Rezept.
Bislang reichte stets ein Anruf in der Praxis meiner Hausärztin, damit mir dort ein Folgerezept ausgestellt wurde. Nur leider komme ich seit dem Ausbruch der Pandemie telefonisch kaum noch durch. Entweder geht direkt der Anrufbeantworter dran oder die Leitung ist dauerbelegt. Irgendwann neigte sich mein Asthmaspray dann aber wirklich dem Ende zu und ich brauchte dringend Nachschub. Da kam mir eine Idee: warum nicht die Telemedizin-App ausprobieren, die mir meine private Krankenkasse bereits im April 2020 empfohlen hatte?

Gesagt, getan. An einem Montagmorgen Ende August loggte ich mich ein, wählte die Indikation „COPD“ aus und bat die App um einen Terminvorschlag. Um 14:00 Uhr des selben Tages könne ich telemedizinisch mit einem Arzt sprechen, wurde mir in Sekundenschnelle vollautomatisch mitgeteilt. Ich bestätigte den Termin und um Punkt 14:00 Uhr klingelte dann auch mein Handy. Eine zweiminütige Videokonferenz innerhalb der App mit einem freundlichen Mediziner endete damit, dass er mir sagte, ich könne mein Rezept in Kürze in der App finden und es dann aus der App heraus an eine Apotheke meiner Wahl schicken.
Tatsächlich bekam ich nach nur wenigen Minuten eine Push-Benachrichtigung, dass nicht nur das Rezept, sondern auch die privat zu begleichende Rechnung für die Konsultation in der App vorlägen. Wieder öffnete ich die App, überwies direkt die Rechnung und schaute mir das Rezept an. Mein Arzneimittel war ordnungsgemäß darauf verordnet und in einem weiteren Menüpunkt konnte ich aus ziemlich vielen Apotheken meine Stammapotheke schnell und komfortabel auswählen. Ihr wies ich auch mein Rezept zu, das ja ein E-Rezept im wahrsten Sinne des Wortes war. Zum Abschluss teilte mir eine automatisch generierte Mitteilung noch freundlich mit, dass ich wiederum eine Push-Nachricht bekommen würde, sobald meine Medikamente zum Abholen bereit seien.

Gute 30 Minuten später klingelte mein Telefon, gegen 14:45 Uhr, mit einer mir unbekannten Nummer. Aus Neugier nahm ich das Gespräch an. Am anderen Ende der Leitung informierte mich eine Mitarbeiterin des Telemedizinanbieters, dass in meiner Stamm-Apotheke niemand zu erreichen sei. Ob ich das Rezept denn nicht irgendwo anders einlösen möchte, fragte sie. Ich zögerte kurz. Machte meine Stamm-Apotheke etwa erst um 15:00 Uhr auf? Auf dem Land kann so etwas ja gelegentlich passieren. Nein, war ich mir sicher, sie ist über die Mittagszeit durchgehend geöffnet. Ich bat daher darum, es dort weiter zu probieren, weil auf jeden Fall jemand zu erreichen sein müsse. Zehn Minuten später kam dann auch eine Push-Nachricht, dass mein Arzneimittel zum Abholen in meiner Stamm-Apotheke bereitläge.
Der hier geschilderte Ablauf gleicht in etwa dem, wie er beim E-Rezept zu erwarten ist. Ein Patient bestellt, egal ob in der niedergelassenen Praxis oder telemedizinisch, sein Rezept. Dieses kann ihm dann elektronisch übermittelt werden und er kann es, ebenfalls elektronisch, an eine Apotheke seiner Wahl weiterleiten. Was in dem von mir geschilderten und tatsächlich so geschehenen Beispiel sicherlich irritierend ist, ist der Anruf des Telemedizinanbieters. Ich werde niemals wissen, ob in meiner Stamm-Apotheke wirklich niemand zu erreichen war, oder ob hier versucht wurde, meine Einwilligung dafür zu bekommen, das Rezept woanders hinzuschicken. Auch werde ich niemals erfahren, was mir angeboten worden wäre, hätte ich der Übermittlung an eine andere Apotheke zugestimmt.

Mir persönlich hat diese Erfahrung jedoch gezeigt, dass Apotheken gut beraten sind, das Thema E-Rezept auch heute schon intensiv gegenüber ihren Patienten zu kommunizieren. Noch ist die Telemedizin überwiegend eine Nische, in die sich noch nicht viele Patienten verirren. Aber nicht nur die Pandemie, sondern auch die (selbst in Deutschland) weiter voranschreitende Digitalisierung, noch dazu gepaart mit dem Ärztemangel, werden dafür sorgen, dass sie die Nische schnell verlassen wird. Dazu kommen immer mehr Apps, die äußerst bequem ärztliche Dienstleistungen samt Rezeptausstellung vermitteln. Für uns Patienten ist das praktisch, schnell und vor allem viel verbindlicher als der Anrufbeantworter vom Hausarzt. Telemedizin verspricht den Patienten jedoch vor allem eins: schnelle medizinische Unterstützung. Insbesondere bei akut auftretenden Beschwerden funktioniert das in letzter Konsequenz nur gemeimsam mit den Apotheken vor Ort. Anders ist es jedoch bei Chronikern wie mir. Wenn wir compliant sind, dann sind wir zu einundert Prozent planbar. Mein Apotheker bestellt mein Symbicort immer 11 Monate nach meinem letzten Besuch, anstatt es dauerhaft auf Lager zu haben. Das schont sein Warenlager und seine Liquidität.
Wie mein Beispiel zeigt, sind chronisch kranke Patienten wegen ihrer Planbarkeit für alle Arten von Apotheke interessant. Vor allem diese Planbarkeit ist es, weswegen das E-Rezept so oft als „Game-Changer“ bezeichnet wird. Eine Geste auf dem Smartphone entscheidet, wo es landet. Auf einen Tag mehr oder weniger Wartezeit kommt es für die Patienten meist nicht an. Je mehr sich also das E-Rezept in den kommenden Monaten und Jahren durchsetzen wird, umso mehr sollte jede Apotheke in Deutschland sicherstellen, dass sie auf dem dann wichtigsten Ort dieser Welt nachhaltig verankert ist: dem Handy ihrer Kunden.
[…] Ausnahmetatbestand geregelt. Ausserdem vermute ich mal, dass genau auf diesen Umstand vor allem die Telemedizin nur gewartet hat. Ob es hingegen sinnvoll ist, nach einer eher kurzen Testphase seit dem 01.07.2021 […]
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[…] hier an Ort und Stelle – natürlich diskret im Beratungszimmer – den Patienten einen Telekonsil mit dem Telemediziner seiner Wahl durchführen zu lassen? Abschließend bekommt er die Verordnung in Echtzeit als […]
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[…] nächste große Thema, an mindestens fünf unterschiedlichen Messeständen, war Telemedizin. Aber nicht auf dem Smartphone oder dem Computer, wie man es auch von hier kennt. Sondern an […]
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[…] werden. An Ärzte könnte bei Bedarf direkt vermittelt werden und diese dann nach Möglichkeit per Telemedizin behandeln und E-Rezepte an den Avatar der Patienten schicken. Digitale Gesundheitsanwendungen […]
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