Es gibt angeblich einen chinesischen Fluch, der lautet:
„Mögest Du in interessanten Zeiten leben!“
Ob wir es wollen oder nicht – wir leben in äußerst interessanten Zeiten. Die Covid-19 Pandemie überschattet alles bisher Dagewesene. Auch wenn das Gesundheitssystem in Deutschland auf den ersten Blick die erste Viruswelle gut überstanden hat, so wird man doch zu gegebener Zeit prüfen müssen, inwieweit sich der Lockdown mittelbar auf die Zunahme von häuslicher Gewalt und Suiziden ausgewirkt haben wird. Daneben fehlt Kindern und Studenten ein ganzes Quartal professioneller Wissensvermittlung. Ganze Branchen stehen vor der Insolvenz. Die Welt nach Corona wird eine andere sein als davor; nicht nur in der Apotheke. Und dennoch sind wir wohl alle froh, in Deutschland zu leben und nicht, beispielsweise, in Norditalien oder den USA. Wie gesagt, es sind interessante Zeiten.

Selbsterklärendes Bild für die interessante Zeit zu Beginn des Jahres 2020
Mir persönlich ist jedoch aufgefallen, dass auch ich bei den ganzen Maßnahmen, die wegen der raschen Verbreitung des Coronavirus getroffen wurde, von Anfang an ein komisches, aber nicht näher definierbares Bauchgefühl hatte. Denn im Januar und Februar hieß es noch, dass regelmäßiges Händewaschen und Desinfizieren ausreichend sei, um sich angemessen vor einer Infektion zu schützen. Auch das Coronavirus sei ein alter Bekannter und vermutlich liege die Ausbreitung in Wuhan nur am Städtebau in China, wo ja so viele Menschen auf so engem Raum zusammen leben. Auch die Symptome von Covid-19 wurden als grippeähnlich beschrieben – aber Sorgen machen brauche man sich nicht wirklich. Die „richtige“ Influenza sei letztlich viel gefährlicher und vor allem tödlicher. Letzteres sagte übrigens nicht irgendwer, sondern ein Apotheker, dem ich nach wie vor blind vertraue: Jan Reuter in diesem Video vom 28.01.2020.
Gute 6 Wochen später, Mitte März, kam dann der Lockdown. Das öffentliche Leben steht seitdem weitgehend still, Veranstaltungen wurden abgesagt, Geschäfte und Restaurants geschlossen und erst allmählich, 8 Wochen später, erwacht das Land im Schneckentempo und mit Mund-Nasen-Schutz-Masken aus diesem verordneten Dornröschenschlaf. Das passt irgendwie nicht zu den Aussagen „Händewaschen reicht,“ „Corona ist ein alter Bekannter“ und „die Krankheit ist nicht so schlimm.“

Trotzdem nicht zu unterschätzen: das regelmäßige Händewaschen
Entweder sind die Auswirkungen und die Letalität von Covid-19 doch heftiger und die Verbreitung von Mensch zu Mensch geht schneller, als anfänglich angenommen wurde; sogar der Verdacht dass das Virus sogar beim Sprechen übertragen wird, scheint sich zu erhärten. Das wäre übrigens ganz normal, denn Wissenschaft ist niemals statisch, sondern entwickelt sich. Theorien von gestern können sich heute schon als falsch herausstellen. Von daher ist es doch eigentlich ganz normal, dass der Wissenstand zu Corona im Januar ein anderer war als jetzt. Oder gibt es etwa andere Gründe für mein komisches Bauchgefühl, das ich weiter oben beschrieben habe?
Genau diesen Gedanken scheinen viele Menschen zu hegen, die an den Demonstrationen gegen die Corona-Beschränkungen teilgenommen haben. Am Muttertag haben sich beispielsweise in München gut 3.000 Menschen zum Protest gegen die Maßnahmen der Regierung zusammen gefunden. Eigentlich sind solche Demonstrationen vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Grundgesetz) gedeckt. In einer parlamentarischen Demokratie wie der unseren, wo alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, sind Meinungskundgebungen als Teil der Willensbildung sogar willkommen. Und nachdem die Corona-Maßnahmen zu starken Einschränkungen der persönlichen Freiheit gesorgt haben, mangelt es sicher niemandem an Verständnis für diejenigen, die sich über Social Distancing, Hamsterkäufe und Homeschooling aufregen und ihrem Begehren nach zügigen Lockerungen Ausdruck verschaffen wollen.
Aber die Anti-Corona-Demos bergen zwei Probleme. Das eine ist das Nichteinhalten von Hygieneverordnungen und Abstandsregeln. Sollten die Infektionszahlen wieder steigen, so ist mit weiteren Restriktionen zu rechnen. Weder daran noch an der Übertragung des Virus an andere, im schlimmsten Fall sogar zu sog. Risikogruppen gehörenden Menschen möchte man Schuld tragen. Viel größer ist aber das Problem, dass sich unter den Demonstranten viele Rechtsextreme befanden und große Teile der Demonstranten auch gegen eine vermeintliche Impfpflicht, „Zwangschippung“ oder „digitale 5G-Überwachung“ protestierten. Andere vermuten, dass Bill Gates eine neue Weltordnung schaffen will oder dass Corona eine im Labor gezüchtete Biowaffe sei, die absichtlich freigesetzt wurde, damit nun Big Pharma an deren Bekämpfung groß verdienen kann.
Das Internet, allen voran YouTube, hilft dabei, dass solches Gedankengut schnell und weit verbreitet wird. Insbesondere seitdem die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ihren Banner unter jedes Video heftet, das auch nur im Entferntesten mit Corona zu tun hat, erwecken selbst die offensichtlichsten Verschwörungsmythen einen Hauch des Offiziellen. Und während manche Videos noch einfach als „Fake News“ zu entlarven sind, so gibt es viele Videos, die deutlich schwerer einschätzbar sind. Die kritische, aber plausible Thesen zum Verlauf der Pandemie und den darauf fußenden Maßnahmen aufstellen. Und die hunderttausende, gar Millionen von Aufrufen haben. Wie soll man sich da nur zurecht finden? Wie trennt man Fake News von wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen?

Welche Inhalte auf YouTube sind vertrauenswürdig?
Für dieses Problem gibt es keine einfache und vor allem keine digitale Lösung. An erster Stelle sind wir hier auf unseren gesunden Menschenverstand angewiesen. Glücklich diejenigen, die einen solchen besitzen. Wer sich nicht sicher ist, ob er genügend davon hat, dem sei Ockhams Rasiermesser ans Herz gelegt. Nach diesem scholastischen Prinzip, das auf einen mittelalterischen Philosophen und Theologen zurück geht, ist von mehreren möglichen Erklärungen für einen Sachverhalt die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen. Je weniger komplex eine Erklärung ist, also je weniger Variablen und Vermutungen sie enthält, umso einfacher ist sie.
Üben wir das mal am Beispiel Bill Gates. Ist die einfachste Erklärung wirklich die, dass ein nerdiger Philanthrop sich die Menschheit untertan machen will? Er und seine Frau Melinda unterhalten gemeinsam die Stiftung „Bill & Melinda Gates Foundation,“ über die beide aus ihrem Privatvermögen mehr als 45 Milliarden US-Dollar, vornehmlich zur Bekämpfung von Kinderlähmung, Malaria und extremer Armut, gespendet haben. Klar, Gates war bei der Expansion von Microsoft ein Grenzgänger, hat versucht, die monopolartige Stellung von Microsoft auszunutzen und war dabei nicht immer zimperlich zu Konkurrenten. Aber wäre nicht eine viel einfachere und weniger komplexere Erklärung, dass dieser Mensch, der in der Garage seiner Eltern mit dem Zusammenschrauben von Computern begonnen hat, etwas von dem unverschämten Glück, das er hatte, zurückgeben möchte an die Unterprivilegierten dieser Welt?

Oder waren es am Ende doch die Freimaurer?
In der Philosophie gibt es weitere Variationen des Rasiermessers, um spekulative Erklärungen mit einem Ausschlussprinzip zu behandeln. Eine davon möchte ich Ihnen nicht vorenthalten und lade Sie herzlich ein, auch diese auf unsere aktuelle Corona-Lage anzuwenden:
„Schreibe niemals der Bösartigkeit zu, was ausreichend durch Dummheit erklärt werden kann.“ (Hanlons Rasiermesser)
Es gibt viele Theorien und Vermutungen zu Corona. Einige davon sind einfach als Märchen zu entlarven. Andere hingegen sind durchaus plausibel und regen zum Nachdenken an. Bis auf die ganz offensichtlichen Fake News möchte ich daher auch kein Urteil über einige der Publikationen fällen, welche die aktuelle Situation kritisch aber seriös hinterfragen. Aber Hand aufs Herz: wer von uns hätte in den letzten Wochen gerne mit Angela Merkel tauschen wollen? Wer hätte leichten Herzens die Entscheidungen getroffen, die sie treffen musste. Unabhängig davon, ob wir uns genau wie sie oder anders entschieden hätten – die Regeln unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens werden derzeit von einem unsichtbaren Regisseur neu geschrieben. Unsere Bundeskanzlerin ist dabei lediglich die Hauptdarstellerin, die versucht, ihre Rolle bestmöglich zu interpretieren.
Statt also nach Schuldigen zu suchen, die uns all das eingebrockt haben, sollten wir mit Elan und Esprit die Digitalisierung des Bildungs- und Gesundheitswesens vorantreiben. Denn so wie die Covid-19 Pandemie irgendwann begonnen hat, so wird sie eines Tages enden – soviel ist sicher. Dennoch ist es nur eine Frage der Zeit bis zum Ausbruch der nächsten Pandemie. Und darauf können wir besser vorbereitet sein.
[…] in die zuletzt so deutlich eingeschränkten Freiheitsrechte, was auch zur Entspannung an der Verschwörungs-Theorien-Frontsorgen […]
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[…] letzten Vierteljahr war vor allem die Corona-Pandemie das bestimmende Thema schlechthin. Aber die Apothekenwelt hat sich weiter gedreht und der […]
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[…] Recherchiert man ein wenig im Internet, so stößt man schnell, u.a. auf SPIEGEL Online, auf einen Faktencheck zu diesem Kettenbrief aus dem Mai. Er entstand also, bevor der (zugegeben, etwas sperrige) Name der deutschen Corona-Warn-App überhaupt bekannt war. Stopcovid hieß damals die vergleichbare App in Frankreich, daher wurde dieser Name, quasi als Gattungsbegriff, verwendet. Beispiele wie dieses sind auf sozialen Netzwerken kein Einzelfall – welch Ironie, dass sich gerade auf Facebook die Nutzer über den Mißbrauch ihrer persönlichen Daten sorgen. Aber mal ganz abgesehen davon, dass ich mich sehr über diesen Post geärgert habe, weil er nur so wimmelt von unwahren Behauptungen, eins zeigt er uns doch recht eindrucksvoll: der Bedarf an Gesundheitsinformationen in der Bevölkerung ist höher denn je. Wird dieser Bedarf nicht durch Angehörige von Heilberufen gedeckt, dann entsteht ein Vakuum – ein idealer Nährboden für Verschwörungstheorien. […]
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[…] entfernt, dass dieser flächendeckend eingesetzt werden kann. Auch wird es Menschen geben, die sich aus diversen Gründen nicht impfen lassen werden. Hier kommen die neuartigen Schnelltests ins Spiel, vorausgesetzt, sie […]
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[…] Gesundheits-Journalisten die Arbeit erschweren wird – das in einer Zeit, in der faktenbasierte und sachliche Aufklärung zu Gesundheitsthemen aufgrund von Covid-19 wichtiger ist denn […]
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[…] Gefühl, dass sich ja nun doch noch alles zum Guten wenden würde. Dann kam der Herbst und das Erstarken nicht nur gewisser Querdenker zeigt uns dramatisch, wie fragil das soziale Geflecht in unserer Gesellschaft letztlich ist. Woran […]
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[…] Recherche, sonden auf Informationen, die eher in sozialen Medien kursieren und häufig auch als Fake News bezeichnet werden dürfen. Apotheker stehen meist in engem Kontakt mit den Pflegeeinrichtungen und […]
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[…] hindert. Deswegen ist es wichtig, dass in der aktuell von Fake News, politischem Streit und Verschwörungstheorien geprägten Zeit auch einfach zugänglche und faktenbasierte Aufklärung […]
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[…] es immer wieder ethische Fragen geben, von denen ich nicht weiß, ob unsere Gesellschaft schon die geistige Reife hat, auf sie auch eine angemessene Antwort zu finden. Könnte zum Beispiel eine bestimmte […]
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[…] wenn Verschwörungstheorien zwischenzeitlich Hochkonjunktur hatten, zeigt die Pandemie doch vor allem, wie anpassungsfähig wir Menschen sind. Während […]
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[…] Symptome nicht auch für viele Menschen hilfreich sein kann. Denn das ist sie. Aber spätestens die Corona-Pandemie und die Impfkampagne haben uns auf eindrucksvolle Weise vor Augen geführt, dass viele unserer […]
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[…] für jedes bestimmte Alter als auch die Gesamtlebenserwartung bei Geburt darstellt. Auch die häufig angezweifelte Übersterblichkeit während der COVID-19-Pandemie konnte übrigens mit dieser Methode für […]
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[…] wird es auch bei Arzneimitteln, die überwiegend am Computer getestet wurden, am Anfang viel Skepsis und Misstrauen geben. Aufklärung hierüber wird helfen, nicht nur die Akzeptanz bei Patienten zu steigern, […]
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[…] um so mehr, ihre Mitarbeiter wertzuschätzen. Denn unser Arbeitsmarkt ist aktuelle in Zeiten von Corona und dem E-Rezept ohnehin schon stark von Unsicherheit geprägt. Wenn also in einen […]
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[…] es unzählige, vermeintlich seriös wirkende Berichte auf den sozialen Netzwerken, die sowohl die Pandemie insgesamt als auch die Sicherheit der Impfstoffe in Frage stellen. Offensichtlich sind also die Regierungen und Gesundheitsbehörden alleine nicht mehr in der Lage, […]
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[…] die Verschwörungstheorien und die renitenten Impfskeptiker zeigen, sollte man bei allem, was dem Schoss sozialer Netzwerke […]
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[…] und Fake News durchzulesen. Ganz schlimm wurde es zu Beginn der Covid-19-Pandemie, als Verschwörungstheorien noch ohne Warnhinweis zu lesen waren. Erst mit dem Deaktivieren des Accounts von Donald Trump im Januar 2021 nach dessen […]
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[…] Auswüchse konnten wir in den Vergangenheit spüren. Die Spaltung der Gesellschaft während Corona und der Impfkampagne gehört dazu, oder im internationalen Kontext der Sturm auf das Kapitol am 06. […]
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