In Deutschland darf jeder Mensch darüber bestimmen, ob und in welchem Maße seine personenbezogenen Daten gegenüber Dritten preisgegeben und verwendet werden dürfen. Das ganze basiert auf einer einfach nachvollziehbaren Auslegung von Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetztes – „die Würde des Menschen ist unantastbar“ – in Kombination mit Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetztes, dem Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dieses sog. „Allgemeine Persönlichkeitsrecht“ steht somit ganz oben in der Wertehierarchie des deutschen Rechtssystems und entsprechend streng wird auf seinen Schutz und seine Einhaltung geachtet.

Datenschutz ist in den Art. 1 und 2 der Verfassung (Grundgesetz) verankert
Der ebenfalls hierunter fallende Schutz von Informationen in Bezug auf das Verhalten des Einzelnen ist das sog. „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“. Das ist nachvollziehbar, da in den Jahren, die der Veröffentlichung des Grundgesetzes im Jahr 1949 vorausgingen, die Gestapo in Deutschland Geheimakten über die Bürger anlegten. Niemand konnte in diesem totalitären System wissen, welche Informationen über das eigene Verhalten der Staat besaß und somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass Teile der Bevölkerung aus purem Zweckopportunismus (gewürzt mit einer ordentlichen Prise Überlebenswillen) ihr Verhalten nach außen hin angepasst haben, ohne dass sie innerlich die Werte des Regimes geteilt haben. Schließlich konnte niemand wissen, ob man von seinem Gesprächspartner nicht im Anschluss an das Gespräch als subversives Element diffamiert wurde mit all seinen schrecklichen Konsequenzen.
Andere Länder ohne diesen dunklen Fleck in ihrer Geschichte haben in aller Regel auch deutlich lockerere Datenschutzregeln als wir in Deutschland. Damit möchte ich übrigens in keinster Weise das Verhalten der unzähligen Mitläufer in der Nazi-Diktatur entschuldigen und ihre Mitschuld mildern. Allerdings sind die eben geschilderten Argumente, die u.a. das Bundesverfassungsgericht für den starken Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung anführen, nach meiner persönlichen Auffassung logisch und in sich schlüssig. In Systemen, in denen Menschen für die Äußerung ihrer Meinung Sanktionen drohen, behalten die meisten von ihnen ihre Meinung nun mal lieber mal für sich.

Wer sich überwacht fühlt, neigt dazu, seine Meinung für sich zu behalten
Um dies plausibel zu machen, ziehen wir doch einfach Analogien zur Gesundheit. Oder möchten Sie, wenn Sie Angestellter sind, dass Ihr Arbeitgeber alles über Sie weiß? Wie oft Sie krank sind, ob Sie gerade Liebeskummer haben, wie tief Sie verschuldet sind? Sicher, irgendwann kommt evtl. das eine oder andere ans Tageslicht, weil es Auswirkungen auf die Arbeit hat und man dann drüber reden muss. Aber bis dahin ist das Meiste die Privatangelegenheit der Betroffenen.
Oder wenn Sie selbständig tätig sind: möchten Sie dann, dass Ihre Kunden oder gar Ihre private Krankenversicherung alles über Sie weiß? Jeden Fehltritt, den Sie sich jemals geleistet haben? Risikofaktoren, die zu höheren Beiträgen führen könnten? Zu wenig Bewegung, zu fetthaltiges Essen, zu viel Stress, zu viel Alkohol, Experimente mit Drogen in der Jugend? Oder gar genetische Prädispositionen, die den Ausbruch bestimmter Krankheiten wahrscheinlicher und Ihre Zuverlässigkeit als Dienstleister oder gar die Absicherung für die Versicherung weniger rentabel machen?

Sind wir uns einig, dass nicht jeder Fehltritt dokumentiert sein sollte?
Ich denke, die genannten Beispiele machen klar, warum der Datenschutz in Deutschland, zum einen historisch bedingt, zum anderen wegen der massiven Auswirkung von zu frei zugänglichen Daten, so engmaschig und streng geregelt ist. So ist die Gesetzlage und es gibt genügend vernünftige Gründe, den Datenschutz in Deutschland auch genau so und nicht anders zu regeln.
Und doch gibt es Firmen, die in den letzten paar Jahren über jeden einzelnen von uns mehr Daten gesammelt haben, als das die Stasi – um auf ein anderes unrühmliches Beispiel staatlicher, deutscher Datensammelwut zu kommen – in ihren Blütezeiten geschafft hat. Im Jahr 2011 hat Max Schrem, damals ein Jurastudent aus Wien, von Facebook die Herausgabe aller über ihn gespeicherten Daten verlangt. Facebook hat versucht, den Studenten abzuwimmeln und erst nachdem er mit Klage vor dem irischen Datenschutzbeauftragten drohte – der europäische Sitz von Facebook ist aus steuerlichen Gründen in Irland – gab Facebook die Daten heraus.

Wie viel wissen Facebook und Co. wirklich über uns?
Schrem erhielt von Facebook eine CD-ROM mit einer PDF-Datei, die über 1.200 Seiten unverschlüsselter Daten über ihn enthielt. Sein komplettes Nutzerverhalten im Browser, jede besuchte Seite, Statusmeldungen, Verläufe von Chats – alles war darin enthalten. Selbst Daten, von denen er glaubte, sie gelöscht zu haben. Und, um das ins Verhältnis zu rücken: 1.200 Seiten gab es bei der Stasi allenfalls in den Protokollen hochrangiger westlicher Politiker. Bei Privatpersonen war so ein Ausmaß nicht ansatzweise vorstellbar.
Und Facebook ist nicht das einzige Unternehmen, das – anscheinend nicht ganz zu Unrecht – einen Ruf als „Datenkrake“ hat. Google, Amazon und viele weitere Firmen, nicht nur aus dem Silicon Valley, sammeln Daten wo auch immer sie können. Was machen sie damit und vor allem: woher kommen eigentlich all diese Daten?
Ich möchte dir mal ein Komliment aussprechen, toll geschrieben und total interessant und super informativ! Macht richtig Spaß es zu lesen. Danke dafür!
Liebe Grüße
Sibille
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Vielen Dank für dieses Kompliment, das freut mich sehr. Wenn es Dir beim Lesen Spaß macht, dann ist das Ziel erreicht. Liebe Grüße, Flo
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[…] zu werden und festigt die Bindung an das jeweilige soziale Netzwerk. Dass hierdurch die im Kapitel 10 beschriebenen Datenschutzbestimmungen ad absurdum geführt werden, nehmen die Mitteilenden meist […]
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[…] für mich noch nicht eindeutig beantwortet habe: wo im deutschen Rechts- und Wertesystem stehen Datenschutz (das Recht auf informationelle Selbstbestimmung) und das Recht auf körperliche […]
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[…] abfotografieren und zu Ihnen in die Apotheke schicken können; aber nicht unbedingt per WhatsApp (Datenschutz!). Dann brauchen Sie die Artikel noch nicht einmal an Lager haben, sondern bestellen sie zur […]
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[…] haben all diese Informationen bereits. Über Warenwirtschaft und Abrechnung wissen wir zumindest grundsätzlich, wer was wann kauft. Das ist auch die theoretische Grundlage für Produktempfehlungen à la Amazon […]
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[…] Forschung von höchstem Wert wäre. Nur nutzen darf man ihn, selbst in anonymisierter Form, nicht ohne Einwilligung der Patienten. Stattdessen bezahlen die Apotheken viele Ausgaben immer noch mit Geld – das am Ende […]
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[…] ist der Patient jederzeit Herr über seine Daten? Werden die Daten sicher verwahrt, vorzugsweise in einer europäischen […]
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[…] aller darin enthaltenen Daten, aus denen sich weitere Einnahmen, beispielsweise durch den Verkauf in anonymisierter und aggregierter Form an Marktforschungsunternehmen generieren […]
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[…] eine bewusste Entscheidung, weil für sie der praktische Nutzen die Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes […]
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[…] Dienstleistungen und Tools. Hier gibt es niemanden mehr, der noch den Überblick hat – und die EU-Datenschutzrichtlinie wird die digitale Welt auch nicht einfacher machen. Ich selbst habe das Gefühl, dass […]
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[…] schalte sie stets jedem Arzt und auch jedem Apotheker den kompletten Zugriff auf ihr Dossier frei. Datenschutzbedenken habe sie zwar grundsätzlich schon, aber das ganze werde ja von Santé Canada (bzw. Health Canada […]
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[…] einmal ist da natürlich der Datenschutz. Wer digitale Geschäftsmodelle betreibt, ist richtiger Weise gesetzlich dazu verpflichtet, […]
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[…] eRezept mit all seinen sensiblen und definitiv schützenswerten Daten liegt nicht innerhalb der LifeTime App. Somit hat deren Betreiber, der ja weder Krankenkasse noch […]
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[…] und was andererseits in der Fülle des Angebots untergeht? Natürlich kann man das aus Gründen des Datenschutzes nicht einfach so in jeder Apotheke einführen – in der Innovations-Akademie deutscher Apotheken […]
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[…] Voraussetzungen für meine weiteren Ausführungen sind, gehe ich auf kryptologische und datenschutzrechtliche Details nicht weiter ein. Sie als ApothekerIn oder als PTA hingegen sind ohnehin gesetzlich zur sog. […]
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[…] Sobald man es Apotheken ermöglicht, Daten zu erheben und ihnen somit auch die Verantwortung für diese Daten überträgt, sollte das auch angemessen vergütet werden. So könnte es, um nur ein Beispiel zu […]
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[…] Schutz personenbezogener Daten […]
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[…] jemals bezogen hat. Anders als in den stationären Apotheken gibt es hier auch kein Problem mit Datenschutz – wenn der Kunde der Speicherung seiner personenbezogenen Daten nicht zustimmt, kann er […]
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[…] einfache Basis. Aber damit ein solches System funktioniert, müssen Daten zentral gesammelt werden. Bewegungsprofile und ähnliches können hierdurch erstellt werden und massive Eingriffe in die Privatsphäre zur […]
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[…] wenn ihn der Kunde nicht haben will, ist das in der Apotheke nicht ganz so einfach. Der gute, alte Datenschutz mal wieder. Aber versuchen wir doch mal, diesem lästigen Stück Papier etwas Gutes abzugewinnen. […]
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[…] ist. So wird sichergestellt, dass nur die installierte App und nicht der Beacon die Benutzer möglicherweise gegen ihren Willen verfolgen kann, wenn sie passiv um die Sender herumgehen ohne zuvor willentlich die dazu gehörige […]
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[…] und Medizinprodukte (BfArM) auf Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datensicherheit und Datenschutz geprüft und, nach positivem Abschluss dieser Prüfung, ein Jahr lang von der GKV […]
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[…] nicht grundsätzlich im Widerspruch zueinander stehen müssen. Von der offenen Debatte über den Datenschutz bis hin zum einsehbaren Quellcode: genau so geht das! Klar, 70 Millionen Euro für ein […]
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[…] Tagebücher an hochfrequentierten Orten, wie zum Beispiel Apotheken, Ämtern oder Supermärkten. Datenschutzkonform geht das mit der Beacon-Technologie, die bereits heute in über 4.000 Apotheken verfügbar ist. Und […]
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[…] von der Apotheke empfohlene Apps, den Bundesmedikationsplan (BMP) unterstützen können, den Datenschutz berücksichtigen, einfach und intuitiv zu bedienen sein und eine Stammapothekenfunkion […]
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[…] Anders als bei der Schweigepflicht, in der es um den Inhalt des Gesprächs geht, schützt der Datenschutz alle Arten von personenbezogenen Daten. Dazu gehören u.a. der Name des Kunden, der sich […]
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[…] Voraussetzungen hierfür, insbesondere für die Erzeugung und den Versand des Reports, sind aufgrund der sensiblen Inhalte von Gesundheitsdaten äußerst hoch und nicht jedes Land mit einem E-Rezept-System verfügt über alle drei […]
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[…] OCR (Optical Character Recognition – optische Zeichenerkennung) lassen sich Stammdaten, die Einwilligung des Kunden natürlich stets vorausgesetzt, schon heute einfach vom Muster-16-Rezept abscannen. Künftig wird das irgendwann mit dem E-Rezept […]
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[…] von den Kunden bevorzugt angeschaut werden und welche übersehen werden. So lange dabei keine personenbezogenen Daten erhoben werden, sondern nur Metadaten, ist das auch datenschutzkonform. Andere aus Marketingsicht […]
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[…] zu Sicherheitsaspekten und Datenschutz, […]
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[…] Kasse dabei mit einem sog. „Clearinganbieter“ kommunizieren. Dabei muss natürlich der Datenschutz gewährleistet werden, weswegen die Kommunikation nie direkt zwischen Apotheke und dem […]
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[…] einnehmen wird, müssen diese Auditoren auch in der Lage sein, einen Interessensausgleich mit dem Datenschutz […]
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