Die drei aktuell wichtigsten Digital-Trends für die Apotheke vor Ort

Auch wenn die digitale Infrastruktur an vielen Stellen in Deutschland noch immer zu Wünschen übrig lässt, so kann man trotzdem jetzt schon feststellen, dass im Fahrwasser von Corona die Digitalisierung im Gesundheitswesen derzeit nachhaltig verankert wird und der seit einigen Jahren spürbare Trend zu immer mehr digitalen Angeboten von Dauer sein wird. Beacons und QR-Codes erstellen Einträge in Kontakttagebücher, die Befunde von Antigen-, Antikörper- und PCR-Tests auf SARS-Cov2 werden per App übermittelt und die Sprechstunde findet telemedizinisch statt. In der Apotheke vor Ort wird vermehrt bargeld- und kontaktlos bezahlt und die Anzahl der Botendienste ist seit einem Jahr konstant hoch geblieben; sie wäre sogar noch höher gestiegen, wenn es denn eine echte Grippesaison 2020/ 2021 gegeben hätte. Die blieb aber aus, da wir uns an die AHA-Regeln und Social Distancing so gewöhnt haben, dass wir unseren Mitmenschen noch nicht mal die gute, alte Influenza mitgeben konnten.

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Für die Apotheke vor Ort gibt es dabei ein paar Trends, die in der letzten Zeit nicht dauerhaft ganz oben auf der Agenda standen. Mit der AvP-Insolvenz, der Abrechnung von FFP2-Masken und dem Aufbau und Betrieb von Coronatests gab es ja auch in der Tat dringendere Aufgaben. Diese sind aber, das sollte jedem klar sein, vorübergehend. Spätestens in dem Moment, in dem Covid-19 endemisch ist, werden wir Masken und Tests allenfalls noch sporadisch brauchen. Und auch wenn die Impfkampagne alles andere als rund läuft, so kann es doch keinen Zweifel daran geben, dass wir irgendwann die für eine Herdenimmunität benötigte Durchimpfungsquote erreicht haben werden. Spätestens dann sollte man für die im folgenden gelisteten Trends auch vorbereitet sein, denn ihr Einfluss auf die Apotheken vor Ort wird deutlich nachhaltiger als Pleiten, Pech und Pandemien sein.

1. Das E-Rezept

Startschuss für das E-Rezept ist in einem Vierteljahr, am 01.07.2021. Dann werden die ersten Arztpraxen anfangen, Verordnungen auch elektronisch auszustellen. Viele wenden ein, dass ab diesem Datum doch sicher noch nicht flächendeckend E-Rezepte ausgestellt werden. Und natürlich ist das korrekt. Nach aktueller Planung und Gesetzeslage wird das E-Rezept tatsächlich erst zum 01.01.2022 verpflichtend sein. Aber wer garantiert Ihnen, dass in Ihrer Apotheke am 01.07.2021 nicht doch ein Kunde mit einem E-Rezept auf dessen Einlösung drängt?

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Die großen EU-Versandapotheken besetzen das Thema E-Rezept seit inzwischen mehr als zwei Jahren. Nicht ein Bahnhof, nicht eine Bushaltestelle in Deutschland, an der die meist grünen Plakate nicht darauf hinweisen, wo das E-Rezept doch bitteschön einzureichen sei. Zum Glück haben viele Apotheken in Deutschland den Schuss gehört und ihrerseits angefangen, im lokalen Umfeld darauf hinzuweisen, dass auch sie ein E-Rezept annehmen können und wollen. Viele haben auch an einem der diversen Pilotprojekte teilgenommen und so schon jetzt Erfahrung im Umgang mit elektronischen Verordnungen gesammelt. Es ändern sich ja nicht nur die Prozesse innerhalb der Apotheke (sie werden hoffentlich effizienter) sondern auch die Kommunikationswege mit den Kunden. Die Vor-Ort-Apotheken machen in aller Regel einen hervorragenden Job, sie tun sich meist nur schwer damit, dies auch zu kommunizieren. Die Zeit, laut zu werden, ist für die Apotheken vor Ort längst angebrochen und das E-Rezept ist einer der Hauptgründe dafür.

2. Plattformen

Egal, ob AirBnB, Amazon, Booking.com, Facebook, Netflix, Spotify oder UBER – Plattformen steuern schon in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens und des Einzelhandels, wie Angebot und Nachfrage zueinander finden. Die Plattform ist dabei eine Art virtueller Marktplatz. Aufgrund der Daten, die die Plattformbetreiber im Lauf der Zeit von jedem Anwender erheben, kennen sie dessen Präferenzen und Vorlieben und schlagen somit bevorzugt diejenigen Angebote vor, bei denen ihr jeweiliger Algorithmus die Chance auf einen Abschluss für besonders hoch errechnet. Denn die Vermittlungsprovision gibt’s natürlich nur, wenn der Kunde am Ende auch kauft.

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Die Frage ist also nicht, ob es auch für den Handel mit Arzneimitteln und apothekenüblichen Produkten eine Plattform geben wird, sondern wann. Dies schien lange Zeit unklar zu sein. Nun wird aber immer klarer, dass sich mit dem nahenden E-Rezept auch Plattformanbieter positionieren und um die Gunst von Apothekern und Endverbrauchern werben. Unter den Anbietern von Plattformen findet sich Amazon ebenso wie die üblichen Verdächtigen der Versandapotheken aus der EU, die beide ihre Zustellzeit mit Hilfe der inländischen Vor-Ort-Apoteken nochmal deutlich optimieren wollen. Und es gibt Plattformen, die von Unternehmen entwickelt werden, die ihre Wurzeln ganz tief im deutschen Apothekenmarkt haben, ja, bei denen sich Apotheker sogar direkt oder indirekt beteiligen können. Aufgrund von Befangenheit wird es an dieser Stelle keine Wertung geben – was ich empfehlen würde, sollte jedoch jedem Leser klar sein.

Wichtig für Apotheken ist, unabhängig davon, an welche Plattform sie sich anschließen: je mehr sie schon mit Vorbestell-Apps oder E-Commerce-Lösungen gearbeitet haben, umso besser geübt und vorbereitet sind sie auf die neuen Absatzkanäle. Die Plattformökonomie bietet jeder Apotheke die einmalige Chance, sich neue Kundengruppen dauerhaft zu erschließen. Dem sollte man sich auf keinen Fall verschließen. Denn das hieße ja, diejenigen Kunden, die gerne über solche Portale bestellen, leichtfertig aufzugeben. Insbesondere therapietreue Chroniker, die absolut planbar ihre Arzneimittel beziehen und gut eingestellt sind, werden dank dem E-Rezept bald für ihr Folgerezept nicht mehr in die Arztpraxis gehen müssen. Wie hoch ist die Chance dann noch, dass ein solches E-Rezept in eine Apotheke wandert, die nicht online, beispielsweise in einer Plattform, auffindbar ist?

3. 3D-Druck von Arzneimitteln

Weniger immanent, aber dennoch marktreif sind patientenindividuell hergestellte Arzneimittel aus dem 3D-Drucker. Diese können einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten. Die Dosis richtet sich dabei höchst individuell nach Parametern, die für jeden Patienten optimal eingestellt werden. Abgerechnet werden sie heute bereits als Rezepturen. Die ersten Pilotprojekte aus dem klinischen Bereich geben Anlass zur Hoffnung, dass sich dadurch die gute Versorgungsqualität in Deutschland nochmal verbessern lässt.

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Die Normpackungen für Arzneimittel, die für uns in Deutschland – und weiten Teilen Europas – selbstverständlich sind, gibt es in anderen Gesundheitssystemen, wie beispielswese in Kanada oder den USA, nicht. Dort wird für die jeweilige Therapiedauer exakt dispensiert, ähnlich wie bei uns beim Verblistern. Wenn man an Antibiotika denkt, die beispielsweise eine Woche lang dreimal täglich genommen werden müssen, es dafür aber nur normierte Packungen mit entweder 20 oder aber 30 Tabletten an Stelle der benötigten 21 gibt, merkt man schnell, dass Normpackungen nicht immer optimal sind. Zu wenig ist nicht gut, zu viel ist nicht nachhaltig und verursacht vermeidbaren Arzneimüll. Und gerade die Nachhaltigkeit wird künftigen Kunden eher wichtiger denn egal sein. Kombiniert man diesen Gedanken mit der Möglichkeit einer individuellen Dosierung, so erschließt sich der hohe Nutzen von „3D-Pillen“ von selbst.

Aus den Krankenhäusern werden es Arzneimittel aus dem 3D-Drucker auch bald den Sprung in die öffentlichen Apotheken schaffen. Wann genau das sein wird, wäre momentan noch Kaffeesatzleserei. Mich persönlich würde es aber wundern, wenn in fünf Jahren nicht die ersten spezialisierten Apotheken einen oder mehrere 3D-Drucker im Einsatz hätten. Wie viel Prozent der normierten Fertigarzneimittel dadurch zur Disposition stehen werden, ist ebenfalls noch Spekulation. Aber am Ende lässt sich bis auf Liquida nahezu alles mit Filamenten aus dem 3D-Drucker individuell dosieren. Von daher ist davon auszugehen, dass sich auch das Warenlager und die technologische Ausstattung in vielen Apotheken deutlich ändern wird, je mehr 3D-Drucker zum Standard werden. Und natürlich werden Apotheken, die 3D-Drucker bereits im Einsatz haben, mit Hilfe der Plattformen von denjenigen Patienten, die ihre Arzneimittel gemäß Anordnung auf dem E-Rezept individuell dosiert benötigen, auch einfach und schnell gefunden werden.

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Diese drei Trends werden die Apotheken in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre intensiv begleiten. Dass das zeitgleich mit den Herausforderungen der Pandemie geschieht, ist bedauerlich. Dadurch gerät das ein oder andere dieser dauerhaften Trend-Themen allzu schnell aus dem Fokus. Wer also selbst glaubt, keine Kapazitäten für eine Auseinandersetzung mit diesen drei Themen zu haben, sollte dies zumindest an interessierte und kompetente Mitarbeiter delegieren. Denn die Apothekenwelt nach Corona wird eine andere sein als zuvor. Aber im Gegensatz zu Corona, das uns alle überrascht hat, kann man sich auf die digitale Apothekenwelt sehr wohl vorbereiten.